Samstag, 4. August 2012

INDECT - Maschinen richten über Menschen


Liebe Leserinnen und Leser, wie angekündigt, beginnen wir heute eine Serie über das EU-Projekt INDECT. Dieses Thema ist sehr umfangreich und komplex.
Deshalb möchte ich in den nächsten Tagen und Wochen versuchen, die einzelnen Komponenten verständlich darzustellen und in separaten Artikeln die Funktionsweisen und Mechaniken aufzuzeigen.

INDECT - das nächste Schlagwort in einer langen Liste von unverständlichen Wortbasteleien steht auf meiner Agenda ganz oben (also fast ganz oben; der ESM und die Demokratie teilen sich abwechselnd die ersten beiden Plätze).
Was ist das? Wo kommt es her? Wer braucht es? Wer will es? Wer hat etwas davon - und wer nicht? Was bedeutet es überhaupt und was kann das Teil denn eigentlich (nicht nur technisch, sondern auch iedeologisch)?

INDECT - Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment (zu deutsch: Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung)

Lassen Sie uns beginnen und begleiten Sie mich auf dieser speziellen "Forschungsreise". Machen wir den Anfang in New York, an einem sonnigen Tag im Mai des Jahres 2011:

Ein Passant bleibt stehen, betrachtet den Bildschirm im Schaufenster eines Ladens und sieht einen Spot für Sportschuhe. Eine Kamera über dem Werbedisplay filmt den Betrachter, eine Software wertet die Aufnahmen aus, stellt fest: junger Erwachsener, männlich. Der nächste Clip wirbt dann für eine Biermarke, die sich an junge Männer richtet.

Mit dieser Demonstration wirbt das New Yorker Unternehmen Immersive Labs für sein System zur Gesichtsanalyse. Das Unternehmen verspricht, die Software könne in Echtzeit feststellen, wer da gerade vorm Schaufenster steht: Die Software soll zuverlässig das Geschlecht, das ungefähre Alter, die Verweildauer und die Aufmerksamkeit der Passanten einschätzen. So sollen die Clips passend zur gerade anwesenden Zielgruppe abgespielt werden.

Zukunftsvision?

Nein, im Gegenteil. Diese Software wird bereits seit Monaten sehr "erfolgreich" im Testbetrieb eingesetzt.

Diese Firma ist nicht die einzige, die sich mit der Erkennung von Gesichtsmerkmalen beschäftigt. Das israelische Start-Up Unternehmen "Face.com" wurd gerade erst von facebook aufgekauft, weil dessen Softwarelösung noch raffinierter und genauer in der Erkennung und Umsetzung ist. Diese Software schafft es tatsächlich, die mehr als 300 Millinen Bilder, die täglich auf facebook hochgeladen werden, in Echtzeit zu analysieren und zuzuordnen.

Überwachungsprogramme erkennen Terroristen und Shopper

NEC wirbt in diesem Zusammenhang auch für die eigene Gesichtserkennungssoftware. Sie könnte "Sicherheitsleute benachrichtigen, wenn Reisende als Personen identifiziert werden, die auf einer Beobachtungsliste registriert sind". Außerdem könne ein System aus Überwachungskameras, Gesichtserkennungssoftware und Porträtdatenbanken auch nach Kriterien durchsucht werden wie: "Kleidung in bestimmten Farben, Accessoires wie Gehstöcke, Geschlecht, Alter und Rasse".

NEC bietet vergleichbare Technologie auch zur Markforschung an. Die Software FieldAnalyst wertet Video-Feeds von Überwachungskameras aus, um festzustellen, welche Zielgruppen zu welcher Zeit in welchen Bereichen etwa eines Einkaufszentrums zu finden sind. Die Software kann laut NEC-Eigenwerbung Altersgruppen, Geschlecht, Aufenthaltsdauer an bestimmten Orten und Besucherzahlen erfassen - personenbezogene Informationen der Fotografierten würden dabei nicht gespeichert.

Datenbanken, über die man Gesichtern Namen zuordnen kann, sind heute schon frei verfügbar. Bei Facebook sind zum Beispiel die Namen und die als Porträtfoto eingestellten Aufnahmen frei zugänglich. Ralph Gross hat mit Kollegen von der Carnegie Mellon University in mehreren Versuchen nachgewiesen, dass es allein mit Hilfe der Facebook-Datenbank und gängiger Gesichtserkennungssoftware möglich ist, in Echtzeit den Namen fotografierter Personen herauszufinden.

Die Firma SceneTab stellt Informationen über ganze Strassenzüge zur Verfügung, die mittels spiezieller Erkennungessoftware ermittelt wurden. Dabei werden dem User, der dieses freie Angebot in Anspruch immt folgende Daten zur VErfügung gestellt: wieviele Frauen / Männer sind in welchem Alter, in welcher Lokalität und wie gelaunt unterwegs. Vorerst sind diese Daten zwar nur für einige amerikanische Städte (Chigaco, San Francisco, Milwaukee, usw.) verfügbar, aber die Nachfrage ist enorm.

Aber auch das Frauenhofer Institut hat hier eine unglaubliche Software entwickelt: SHORE - Sophisticated High-speed Object Recognition Engine (link: http://www.iis.fraunhofer.de/bf/bsy/produkte/shore/)
SHORE ermöglicht die Detektion von Objekten und Gesichtern, sowie die Feinanalyse von Gesichtern.

Merkmale der Analyse mit SHORE:

  • Position von Gesicht, Augen, Nase und Mund
  • Erkennung offener oder geschlossener Augen und Mund
  • Erkennung des Geschlechts
  • Altersschätzung in Jahren
  • Erkennung des groben Gesichtsausdrucks („Happy“, „Surprised“, „Angry“ und „Sad“)
  • Detektion von stark gedrehten Gesichtern (bis zu +/- 60 Grad)
  • Detektion von Profilgesichtern
  • Weiterverfolgung (Tracking) von Gesichtern, die zwischenzeitlich nicht detektiert werden konnten
  • Kurzzeitgedächtnis zur Wiedererkennung von Gesichtern, die wieder im Bild erscheinen


Gesichtserkennungssoftware gibt es mittlerweile auch für Handys (Beispiel Nokia 900):



Wohin diese Daten allerdings gesendet werden und wie diese dann gespeichert werden, ist noch völlig unklar. Sicher ist nur, dass Daten gesendet werden.

Wir halten fest:
Es ist heute bereits möglich, Menschen nich nur anhand der biometrischen Merkmale des Gesichts zu erkennen, sondern auch die Stimmung eines Gesichtsausdruckes abzuleiten und digital zu verarbeiten. Da eine solche Erkennungssoftware auch im größten sozialen Netzwerk (facebook - mit derzeit mehr als 950 Millionen Nutzern) eingesetzt wird - und die Daten daraus automatisch mit den Daten in den Profilen ergänzt werden - werden ohne unserer Zustimmung bereits jetzt sehr aussagekräftige Profile erstellt.

Sehen wir uns das im nächsten Artikel am Montag an: INDECT und facebook

Schönes Wochenende und: lächeln Sie nicht in jede Kamera ;-)

Ihr Felix