Donnerstag, 27. September 2012

Der Untersuchungsausschuss und die Dissoziative Amnesie


"Das Hauptmerkmal der Dissoziativen Amnesie ist die Unfähigkeit, sich an wichtige persönliche Informationen zu erinnern, die zumeist traumatischer oder belastender Natur sind; diese ist zu umfassend, um durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärt zu werden."

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

dieses diagnostische Merkmal sollten wir bei der nun folgenden – selbst erlebten – Nacherzählung des heutigen Tages im Untersuchungsausschuss im Kopf behalten. Sie wird uns helfen, der Auskunftsperson ein wenig mitleidiger entgegenzutreten...

Was war geschehen:

Kaum war der Ausschuss zusammengetreten um das langsame Sterben des Untersuchungsausschusses einzuläuten, wurde er auch gleich wieder unterbrochen, nachdem klar war, dass drei der vier für Heute geladenen Auskunftspersonen nicht erscheinen werden / erschienen sind.

Wer hat geschwänzt:

Marc Zimmermann – damaliger Pressesprecher der ASFINAG

(Anmerkung:  
Im Juli 2007 soll Marc Zimmermann ein Mail an den damaligen Vorstand Mathias Reichhold gesendet haben, das in Kopie auch an Reichholds Vorstandskollegen Christian Trattner und Franz Lückler ging und wo in dem beigefügten Aktenvermerk Zimmermann darauf hin weist, dass er von Alois Schedl (heute Vorstand der ASFINAG) ersucht worden sei, „als Ansprechpartner für Medienkooperationen zu fungieren“, die das „Kabinett von BM Faymann initiiert“. In dem inkriminierten Aktenvermerk wird auch behauptet, dass „seitens des Kabinetts von BM Faymann“ bereits Kooperationen mit mehreren Medien geschlossen worden seien. Hier gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Verantwortlich für die Freigabe der Texte  waren laut dem Aktenvermerk Pressesprecher Thomas Landgraf (heute Chefredakteur des Wiener Bezirksblatts) und Marcin Kotlowski (heute Geschäftsführer der WH Medien GmbH der Wien Holding). Eine Erklärung Zimmermanns, warum er heute nicht gekommen ist, ist uns nicht bekannt....)

Franz Lückler – früherer ASFINAG Vorstand

(Anmerkung:
Franz Lückler wird am Freitag vor der Staatsanwältin Ursula Kropiunig, zum Akt 32 St 41/11x, als Beschuldigter zur Inseratenaffäre einvernommen werden, er bestreitet alle Vorwürfe, aber weitere Aussagen außerhalb der Anklagebehörde können von ihm nicht erwartet werden. Am 4. Oktober wird Lückler einen Ersatz-Befragungstermin im U-Ausschuss wahrnehmen, aber unter Berufung auf seine Rechte schweigen. Das hat auch schon sein Anwalt in einem Schreiben vom 20.09.2012 so mitgeteilt.)

Mathias Reichhold – ehemaliger ASFINAG Vorstand

(Anmerkung:
Ing. Mathias Reichhold hatte sich mit der Begründung dringender Erntearbeiten „entschuldigt“ und gleich angeschlossen, dass in den nächsten Wochen dann die „Herbstaussaat“ ansteht.)

Die sind also alle nicht gekommen.
Der Untersuchungsausschuss hat dazu folgendes beschlossen:
Marc Zimmern und Franz Lückler werden noch einmal geladen. Zimmermann für den 04.10.2012 und Lückler ebenfalls für den 04.10.2012.
Lückler hat sein Kommen wie gesagt schon bestätigt – von Zimmermann gibt es noch keine Reaktion (zumindest ist mir nichts dazu bekannt).

Bei Mathias Reichhold haben die Fraktionen im Ausschuss einstimmig beschlossen:
Ladung für den 02.10.2012 unter Androhung der zwangsweisen Vorführung durch die Polizei, falls er diesem Termin auch nicht nachkommt und den Antrag beim Bezirksgericht auf Verhängung einer Geldstrafe als Beugestrafe. Deren Höhe sich nach dem Einkommen richtet.

Diese Maßnahme ist durchaus ungewöhnlich und ungewöhnlich ist auch die Einstimmigkeit des Beschlusses.

Mal sehen, ob Herr Reichhold in Begleitung der Polizei, oder selbst kommt....

Jetzt sind wir also bei der Unterbrechung der heutigen Sitzung. Vereinbart wurde, dass nach einer Pause bis 14 Uhr der Ausschuss fortgesetzt wird.

Lassen Sie mich hier anmerken, dass es eigentlich unglaublich ist, wie in den wenigen Tagen, die dem Untersuchungsausschuss nach dem Willen der Koalition noch bleiben, all die noch offenen und irrsinnig komplexen Themen auch nur ansatzweise erörtert, geschweige denn umfassen aufgearbeitet werden sollen.

In der Pause hatte ich Gelegenheit mit dem Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann einige Sätze über den Ausschuss und seine Leiden zu sprechen und auch Walter Rosenkranz hatte ein wenig Zeit, bevor er in die „Konklave“ (Originalzitat Rosenkranz) musste.



Rosenkranz war – wie das Foto zeigt – gelinde gesagt, unzufrieden über den Zeugenschwund.
Er hat aber auch einen sehr guten Ansatz, der zum Nachdenken anregt:

Es ginge hier eigentlich gar nicht darum, ob Faymann in den Ausschuss kommt, oder nicht. Wichtiger wäre es, den Gutachter Paul zu befragen. Der hatte zwar den Inseraten einen Werbewert für die ÖBB bescheinigt, aber er wurde nicht gefragt, welchen Werbewert die Inserate für Faymann gehabt haben....

Also, Pause bis 14:00

Wir sind zurück nach der Pause und warten vor dem Sitzungslokal des Untersuchungsausschuss. Wir, das sind rund 30 Journalisten und Fernsehteams, die alle auf ein wenig Sensation hoffen.
Nach rund 30 Minuten Überzeit dürfen die Journalisten in den Sitzungsraum und schnell ein paar Aufnahmen machen.

Hier ein Bild der „Fragebank“:



Nachdem der Beginn der öffentlichen Sitzung sich um eine halbe Stunde verzögert hat, gehen wir davon aus, dass ein Beschluss gefasst wurde, der erst später verlautbart werden soll. Peter Pilz hat uns dann im Vorbeigehen zugeraunt, dass die Ladung und Vorführung von Reichhold einstimmig beschlossen wurde und die Ladung auch schon versendet wurde (Ah! Das war also der Grund für die Verzögerung....)

Und wir sehen: die Auskunftsperson Landgraf ist auch da:


In der Mitte: Thomas Landgraf


Zur Person:
Thomas Landgraf – ehemaliger Pressesprecher in Faymanns Kabinett.

Angeblich Eine zentrale Figur bei der Freigabe der Inseratentexte.

Wir sind gespannt.

Die Fragensteller der ersten Fragerunde in Reihenfolge:

Walter Amon - ÖVP
Harald Villimsky – FPÖ
Stefan Petzner – BZÖ
SPÖ – hier hätte eigentlich Otto Pendl die Fragen stellen sollen, aber „referiert“ (dazu komme ich noch) hat ein SPÖ Mitglied, dessen Name unverständlich war und der auch nicht (!) in der Liste der  Ausschussmitglieder aufscheint: Mag. Michael Schickhofer
Peter Pilz – GRÜNE

Während sich die Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, BZÖ und GRÜNE darauf konzentrierten mehr oder weniger sachlich – aber immer themenbezogen – bemüht die Fragen zu stellen, wer welche Verantwortung getragen hat bei der Vergabe der Inserate, welche Rolle dabei die Auskunftsperson hatte und wer Herrn Landgraf schließlich beauftragt hatte, waren wir alle von dem Auftritt von Schickhofer verblüfft:

Eine Peinlichkeit sondergleichen wurde da abgeliefert, denn  Schickhofer  las einen Teil der Rede des Bundeskanzler vom 19.09.2012 aus dem Plenum vor, in der sich dieser „erklärte“....

Hallo?

Statt die Auskunftsperson zu befragen ein Statement im Namen des Kanzlers, das ohnehin schon im Plenum zerrissen wurde? Für wie dämlich halten die uns eigentlich?
Dann kamen vorgefertigte „Rutschen“ von ihm, wie: „Es ist also richtig, dass Sie hier keine Entscheidungsgewalt hatten und keine Wahrnehmung?“

Frechheit!

Die Auskunftsperson ist natürlich auf diesen Zug aufgesprungen und fühlte sich sichtlich erleichtert.
Otto Pendl hat dabei in bester Wirtshausmanier gegähnt und sich den Bauch gestreichelt (wirklich!).

Also eine Lobeshymne der SPÖler an den Faymann Werner unter den müden Augen des Trumauer Bürgermeisters.

Peter Pilz dazu später:
„Eine unglaubliche Peinlichkeit. Aber damit haben Sie sich selbst geschadet: Hinterbänkler mit einem Loblied zu schicken, das durchschaut jeder.“

Und genau hier liegt der Missbrauch der SPÖ:
Die Geringschätzung und Verhöhnung des Ausschusses durch Missachtung der Vorgaben und eine völlig unglaubliche Verteidigungsstellung gegenüber der Auskunftsperson, die im Übrigen bei der Befragung auch angegeben hat, für die SPÖ kandidiert zu haben und jetzt beim ECHO Verlag zu arbeiten....

Die zweite Fragerunde wurde bis auf eine Änderung von denselben Personen durchgeführt: bei der FPÖ kam Gerhard Deimek dazu.

Wieder dasselbe Spiel:

Viele präzise Fragen und immer arrogantere Antworten der Auskunftsperson. Und ein Satz fiel immer öfters: „Dazu habe ich keine Wahrnehmung.“ (Anmerkung: das nennt man dann "Dissoziative Amnesie")

Der gute Mann ist offenbar krank und bedarf dringender Hilfe! Der kann sich nicht und nicht an wichtige Entscheidungen, die er getroffen hat erinnern. Ja nicht einmal daran, wer in dem Kabinett, für das er Pressesprecher war, die Entscheidungen zu Presse- und Medienkooperationen getroffen hat.
Er ließ sogar seine eigene Aussage vor der Staatsanwaltschaft vorlegen, weil er diese nie bekommen hat, um darin nachzulesen.
Eigentlich ist er ein armer Mann, den er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, was er noch vor wenigen Tagen gesagt hatte...

Übrigens hat Otto Pendl dann doch noch etwas beigetragen: er hat eine Geschäftsordnungsmeldung getätigt (ich hoffe, ich habe den richtigen Terminus erwischt...), als er sich darüber mokiert hat, dass suggestive Fragen an die Auskunftsperson gestellt worden wären. Und ein zweites Mal hat er sich dann auch noch gemeldet, als es darum ging, dass man doch bitte ein wenig netter umgehen soll.

Kein Scherz! Pendl hat keine einzige Frage an die Auskunftsperson gestellt, sondern nur diese in Schutz genommen!
Schickhofer hat dafür umso mehr für Unmut gesorgt mit seinen Lobhudeleien.
Selbst die Fragen – die wenigen – die dieser gestellt hat, waren bereits vorbeantwortet und dienten der Feststellung, dass alles „schön sein“.

Die Auskunftsperson an sich hat die Abgeordneten mit Geringschätzung bestraft und ihnen den landgräflichen Hintern buchstäblich entgegengehalten.

Erst als Pilz offenbar einige Unwahrheiten in den Aussagen der Auskunftsperson vermeinte entdeckt zu haben und laut darüber nachdachte, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln (wegen falscher Aussage unter Wahrheitspflicht), wurde es  Herrn Landgraf ungemütlich und er hat sehr trotzig reagiert („Was will der eigentlich – ich will das nicht beantworten...“ zum Vorsitzenden geraunt. Der hat allerdings klargestellt, dass er antworten muss.)

Übrigens hat in ähnlicher Manier Otto Pendl nach seinem Interview vor den laufenden Kameras in vermeintlicher Abgeschiedenheit folgendes gemeint:
„Mia geht de Herumrederei scho so am Oasch...!“ (Verzeihung, aber das ist Originalton ....)

Frage: was will man sich da erwarten?

Kurz nach 18:00 Uhr war dann Schluss mit der Show und wir konnten endlich abhauen.

Noch eine Anmerkung am Schluss: Thomas Landgraf wurde durchgehend als "Mag." Landgraf angesprochen und das bis auf einmal nicht korrigiert ..... auch dann nicht, als unmittelbar nach seiner Korrektur der nächste Fragensteller in gleich wieder als "Magister" Landgraf ansprach (dies nur nebenbei, zum Wundern...).

Liebe Leserinnen und liebe Leser,
das, was wir heute im Hohen Haus erleben mussten / durften, spottet jeder Beschreibung.
Auf der einen Seite tatsächlich bemühte Abgeordnete (ÖVP, BZÖ, GRÜNE und FPÖ), die versuchen sachlich und substantiell an der Aufarbeitung der Ausschusspunkte mitzuarbeiten und auf der anderen Seite des Grabens steht die SPÖ, die die Auskunftsperson nicht nur in Watte hüllt, sondern in schlimmster Manier den Ausschuss für eigene Propaganda missbraucht und das Thema völlig verfehlt. Aber wenigstens das mit Absicht.
Cap wäre stolz gewesen..

Ich bleibe da am Ball. Versprochen.

Ihr Felix

Montag, 24. September 2012

Eine Märchenstunde im Hohen Haus


Liebe Leserinnen und Leser,

in den letzten Wochen war ich für einige befreundete Medien als Schreiberling tätig und hatte wenig Zeit, mich um den Blog zu kümmern. Ich bitte, das zu verzeihen und verspreche Besserung.
Trotz der durchaus arbeitsintensiven Zeit habe ich natürlich die Geschehnisse rund um das österreichische Parlament im Auge behalten und war auch – meiner ganz persönlichen Tradition verpflichtet – aufmerksamer Gast im Hohen Haus.

Zuletzt am 19.09.2012, den ich als schicksalshaften Tag im österreichischen Parlamentarismus bezeichnen möchte.

Dieser Tag hatte für mich etwas „Märchenhaftes“, so viele Geschichten musste ich da hören.

Das Hauptthema war natürlich der Untersuchungsausschuss und das (Un-) Wirken der Protagonisten.

Was ist eigentlich ein Untersuchungsausschuss?
Wozu braucht man den und: wieso kann man es sich aussuchen, dorthin zu gehen, oder nicht?

Untersuchungsausschüsse sind ein wichtiges Kontrollinstrument des Parlaments – vielleicht sogar das Wichtigste. Denn im eigentümlichen Verständnis des österreichischen Parlamentarismus stellt die Opposition in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten (egal ob das nun die jetzige Opposition aus FPÖ, Grüne und BZÖ sind, oder im Gegensatz dazu vor wenigen Jahren noch die SPÖ und die GRÜNEN) die einzige Kontrolle der Regierung dar. Und das ohne entsprechender Minderheitenrechte.

Das hat natürlich die spezielle Entwicklung unseres österreichischen Verständnis für den Parlamentarismus geprägt: Solange sich die Regierungsparteien auch nur halbwegs einig sind und mauern, kann die Opposition in Wahrheit nur wie die beiden alten Muppets Statler und Waldorf ohne jedoch deren Status als heimliche Stars je zu erreichen. Vielmehr ist die Opposition zum Schreien und Mäkeln verdammt.

Und nun gibt es eben den Untersuchungsausschuss, der in Wahrheit eigentlich eben genau jenes mächtige Kontrollinstrument sein soll, der die politische Verantwortung des Parlaments und auch der Regierung überwacht / überwachen soll.

Mit dem Makel, dass es eben kein Minderheitenrecht zur Einsetzung gibt:
Der Beschluss auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erfolgt mit Stimmenmehrheit und kann nur vom Nationalrat eingesetzt werden.
Also ist immer die „Erlaubnis“ der Regierung, oder einer Regierungsfraktion erforderlich (das hängt wieder mit dem „nichtexistenten“ Klubzwang zusammen...).

Die Definition auf der Parlamentsseite:

„Untersuchungsausschüsse sind ein Kontrollinstrument des Parlaments. Ihre Aufgabe ist es, die Geschäftsführung der Bundesregierung in bestimmten Belangen zu überprüfen, insbesondere, ob sich ein Mitglied der Bundesregierung in einer bestimmten Angelegenheit einer strafbaren Handlung oder einer Schädigung des öffentlichen Interesses schuldig gemacht hat.“

Also, was darf der jetzt eigentlich wirklich:
Er darf alle Gerichte und alle anderen Behörden verpflichten, den Ersuchen des Ausschusses um Beweiserhebung Folge zu leisten.
Er darf Auskunftspersonen laden und kann gegebenenfalls – falls eine Auskunftsperson dieser Ladung wiederholt nicht folgt -  ein Ansuchen an die zuständige Polizeibehörde oder Bezirkshauptmannschaft richten, die betreffende Person vorzuführen.

Er kann Sachverständige bestellen und er kann Beuge- oder Ordnungsstrafen verhängen, wenn eine Auskunftsperson die Aussage verweigert.

Und: Gegenüber einem Untersuchungsausschuss besteht die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage.

Wären das jetzt alles Minderheitenrechte – also würden diese Bestimmungen nicht oftmals einer Stimmenmehrheit bedürfen (inkl. zum Beispiel einer Regierungsfraktion), dann wäre eigentlich schon vieles einfacher.



Seit dem Jahre 1945 gab es 17 Untersuchungsausschüsse. Einige davon wurden richtiggehend kaltgestellt und kein Bericht an den Nationalrat erstattet.

Auch das ist so eine Besonderheit, weil zum Beispiel  ein eingesetzter Untersuchungsausschuss automatisch zu Ende ist, wenn es Neuwahlen gibt. Eine automatische Wiedereinsetzung ist hier nicht vorgesehen.

Außerdem – und das ist wieder ein Sache, die mit Mehrheit im Ausschuss beschlossen werden muss – müssen die Auskunftspersonen geladen werden und diese Ladung im Plenum beschlossen werden. Ein selbstständiges Laden kann der Ausschuss nicht veranlassen.
Und eine Minderheit kann das ebenfalls nicht...

Und genau da setzt nun meine Erzählung über die Märchenstunde am 19.09.2012 an.

Es war einmal ein Untersuchungsausschuss, der sieben Punkte auf seiner Agenda hatte:

„1. Die Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht und Kontrolle über die ÖIAG hinsichtlich der anteilig in ihrem Eigentum stehenden Telekom Austria Group sowie deren Beteiligungen ab dem Jahr 2000 im Hinblick auf
 a. die Leistung von Zahlungen ohne nachvollziehbare Gegenleistung,
 b. die Tätigkeit von Lobbyisten, Beratern und Vermittlern sowie damit in Zusammen-hang stehender Zahlungen,
 c. die Weiterleitung von Zahlungen an Politikerinnen und Politiker und diesen nahe stehende natürliche oder juristische Personen sowie – direkt oder indirekt – an Parteien,
 d. die lukrative Zwischenschaltung von parteinahen Personen und Unternehmen in den Erwerb ausländischer Beteiligungen (insb. Mobiltel Bulgarien, MDC Weißrussland, Mobtel Serbien),
 e. die Manipulation von Börsenkursen sowie
 f. die direkte Einflussnahme auf die Erarbeitung von Gesetzen und Verordnungen in Ministerien durch die Telekom Gruppe und damit in Zusammenhang stehende Zahlungen. Diese Beeinflussung von Gesetzen und Verordnungen ist auch bezüglich der Vorgänge in den betroffenen Ministerien zu untersuchen.
 2. Die Verkaufsverfahren von im Bundeseigentum befindlichen Immobilien der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften (BUWOG) und der Wohnungen der BIG sowie die Einmietungen von Gerichten im "Justizzentrum Wien Mitte" und der verschiedenen Finanzbehörden in den "Terminal Tower" in Linz, im Hinblick auf mögliche politische Einflussnahme, die Einbeziehung von externen Beratern und Vermittlern sowie sonstige Unstimmigkeiten und Klärung der politischen Verantwortlichkeit,
 3. Die Tätigkeit von Lobbyisten, Beratern und Vermittlern im Bereich des Bundesministeriums für Inneres hinsichtlich der Vorgänge rund um die Vergabe der Aufträge für das Behördenfunknetzwerk, die spätere Kündigung der Verträge und die neuerliche Vergabe, sowie die damit in Zusammenhang stehenden Zahlungsflüsse einschließlich allfälliger – direkter oder indirekter – Zahlungsflüsse an Parteien,
 4. Aufklärung über die Schaltung von Inseraten durch staatsnahe oder im Einflussbereich von Bundesministerien befindlichen Unternehmen oder Organisationen (z.B. ÖBB oder ASFINAG) auf Weisung oder infolge sonstiger unmittelbarer oder mittelbarer Einflussnahme von Mitgliedern der Bundesregierung seit dem Jahr 2006,
 5. Überprüfung der direkten Schaltung von Inseraten bzw. das Eingehen von sonstigen Medienkooperationen seitens der Bundesministerien seit dem Jahr 2000.
 6. Der Versuch der Lockerung des Glücksspielmonopols während der Amtszeit des Finanzministers Mag. Karl Heinz Grasser und diesbezügliche politische Interventionen und Zahlungen durch Glücksspielunternehmen,
 7. Die Anträge und Vergabevorgänge im Zusammenhang mit Staatsbürgerschaftsverleihungen gem. § 10 Abs. 6 StbG im besonderen Interesse der Republik unter besonderer Berücksichtigung der erbrachten oder zu erwartenden außerordentlichen Leistungen der betroffenen Personen ab dem Jahr 2000“

Die ersten drei Punkte – da waren sich vor allem die Regierungsparteien (fast) einig – wurden, ja man möchte fast sagen hervorragend aufgearbeitet.
Wichtige Erkenntnisse wurden daraus gezogen und eine Menge Nachbesserungen in geltenden gesetzlichen Bestimmungen im Nationalrat umgesetzt und auch gleich ein paar neue sind dazu gekommen.
Obwohl die Ausschussmitglieder sich manches Mal unter der Gürtellinie angegriffen haben, gab es doch so etwas, wie einen gemeinsamen Willen. Zumindest so lange, bis der Punkt vier abzuhandeln gewesen wäre...

Und ich glaube, dass da etwas passiert ist, mit dem die Regierungspartei SPÖ schlicht nicht kalkuliert hat.

Die Vorgeschichte ist hundert Mal geschrieben worden, die brauche ich jetzt wohl nicht wiederkäuen, aber den strategischen Richtungswechsel möchte ich versuchen zu interpretieren (denn erklären kann ich ihn nicht):

Das anhängige Ermittlungsverfahren gegen Bundeskanzler Faymann wegen Vorwürfen die seine Amtszeit als Bundesminister im BmVIT betreffen, hätten nach Meinung der Parteistrategen bereits im Sommer durch eine Einstellung der Staatsanwaltschaft erledigt sein sollen.
BK Faymann hätte dann als unbelastete Auskunftsperson vor dem Ausschuss auftreten können, ohne sich der Gefahr ausgesetzt zu wissen, mit einer laufenden Ermittlung konfrontiert zu werden, aus der auch noch Akten zitiert werden und der Öffentlichkeit so zugänglich gemacht werden.
Allerdings hat hier die Oberstaatsanwaltschaft verfügt, dass noch zusätzliche Gutachten und Erhebungen erfolgen müssen – hat sich dann das noch vom Justizministerium absegnen lassen und die Staatsanwaltschaft eben mit jenen weiteren Ermittlungen beauftragt.

Was für ein Unglück!

Punkt vier steht vor der Tür und BK Faymann immer noch im Visier der Ermittler! Keine Einstellung!

Was nun über den Sommer in der Parlamentspause folgte war die Ausarbeitung und Vorbereitung eines pervertierten Auswuchses von Machtmissbrauch.
Selbst der Koalitionspartner wurde hier vor den Karren gespannt und musste im Sinne des Koalitionspaktes und im Hinblick auf die im Sommer noch katastrophalen Umfragewerte der ÖVP schmerzhafte Zugeständnisse machen, die parteiintern für großen Unmut gesorgt haben. (Aber auch hier hat der nichtexistente Klubzwang nachgeholfen und dafür gesorgt, dass die ÖVP den folgenden Niedergang des Parlamentarismus mitgetragen hat.)

Aber die ÖVP war im Sommer der schwächere Koalitionär und angeschlagen. Die SPÖ hatte es nicht schwer, sich durchzusetzen. Bis hin, dass man dann am 19.09.2012 gemeinsam einen Fristsetzungsantrag einbrachte, der den Ausschuss schließlich innerhalb von nur zwei Tagen beenden sollte.
Die Argumente hierzu wechselten derart oft, dass es kaum mehr nachvollziehbar  ist, was denn nun tatsächlich der vorgeschobene Grund gewesen war für diesen Antrag.
Vor allem, dass Gabriele Moser hier den Vorsitz zurückgelegt hat und nicht wie erhofft stur geblieben ist, hat für allerhand Verwirrung gesorgt, weil das beste Argument weggefallen ist.

Blicken wir noch schnell ein paar Wochen zurück und beobachten den unglaublichen medialen Einsatz aller maßgeblichen SPÖ Parteigänger – einschließlich den Kanzler himself – um eben jenen als Opfer darzustellen und den eigentlich sehr erfolgreichen Untersuchungsausschuss und deren Vorsitzende madig zu machen. Was dann ja schließlich auch gelungen ist...

Wahnsinn, was der BK da alles von sich gegeben hat und sein Krieger Josef Cap sich gleichsam einer Meinungsvernichtungsmaschine  ins Zeug gelegt hat, um ganz Österreich „glaubhaft“ wie Baron Münchhausen darzulegen, die Justizministerin würde hier einen Amtsmissbrauch begehen und hätte politisch motiviert und wider besseren Wissen die Staatsanwaltschaft angewiesen das Verfahren gegen den BK unnötig in die Länge zu ziehen. Das alles aus wahlkampftaktischen Gründen. Aus denselben Gründen hätten die übrigen Oppositionsparteien hier den Untersuchungsausschuss instrumentalisiert und überhaupt: inserieren ist nicht böses und der Herr Faymann hätte ja ohnehin Herrn Wolf im Sommergespräch alles gesagt – da braucht man nicht mehr in den Untersuchungsausschuss. Und die SPÖ wird einer Ladung des BK nicht zustimmen. Punkt.

Wahnsinn, fürwahr.

Dieser ging aber hinter den Kulissen am 19.09.2012 noch weiter:
Nachdem innerhalb der ÖVP die Stimmen laut genug wurden, die das Vorgehen der SPÖ einen Wahnsinn nannten, versuchte der „Kleinkoalitionär“ den Spagat zu schaffen und verhandelte wild entschlossen, sich das bisschen politische Integrität zu bewahren, das nach diesem Tag noch übrig war.
Als man sich mit der Opposition einig war und diese sich dem Diktat der Regierungsmehrheit zugunsten einer kastrierten Weiterführung des Ausschusses gebeugt hat, damit überhaupt noch gearbeitet werden kann, war plötzlich der Fraktionsführer der SPÖ – Otto Pendl – nicht auffindbar und die Zeit drohte abzulaufen. Tatsächlich handelte es sich um Minuten, in denen entweder Pendl auftauchte und die Position der SPÖ im Sinne einer Weiterführung klarlegte, oder die Sitzung im Plenum weitergeführt worden wäre, ohne dass der Fristsetzungsantrag zurückgezogen worden wäre.
Schließlich siegte das letzte bisschen Vernunft und Pendl überbrachte den Vorschlag der SPÖ – mit einem versteckten Foul, das von Petzner aber sogleich entdeckt wurde.

Der Rest ist inzwischen Gegenstand vieler Pressekonferenzen und Artikel.

Vor diesem grausamen Kuhhandel stand im Plenum jedoch noch die dringliche Anfrage von Peter Pilz.
Diese Anfrage hatte es in sich und Sie können ihn sich gerne hier runterladen und durchlesen:
dringliche Anfrage Peter Pilz

Hier setzt sich das Märchen fort und BK Faymann hat seine Rolle eingenommen. Peter Pilz hat BK Faymann offen der Unwahrheit bezichtigt und seine Sicht der Dinge anhand einer Reihe von Unterlagen versucht darzulegen. Das Bild das dabei entstand, war wieder das aus einem Märchen:



Die Antworten des Herrn Faymann waren eine Ohrfeige und eine Schande für den Parlamentarismus.

Man verzeihe mir, aber ich muss hier mit einem Zitat eines lieben Kollegen einhaken, der in einer vielbeachteten Radiosendung vergangenen Samstag zum Thema Untersuchungsausschuss/Faymann seinen Lateinprofessor zitiert und dieses Zitat dem BK Faymann entgegengehalten hat:

„Hinter der Maske eines Biedermanns verbirgt sich eine widerliche Sau.“

Dieses Zitat lasse ich unkommentiert stehen.

Ich darf zum Abschluss eine Zusammenfassung meiner Eindrücke bringen:

Ich bin schockiert, wütend und fassungslos über diese wochenlange Demonstration von Antidemokratie, Klubzwang und zwangsweiser Meinungsbildung.
Es ist nämlich völlig unerheblich, ob BK Faymann tatsächlich etwas strafbares zu beantworten hat, oder nicht. Das sollen und werden Gerichte und/oder Staatsanwaltschaften entscheiden.
Aber das Politische und die politische Verantwortung muss im Parlament für alle Fraktionen im gleichen Maße aufgearbeitet werden.
Das Mauern der SPÖ in teilweiser Verbundenheit mit der ÖVP hat diesem Land und der Glaubwürdigkeit des gesetzgebenden Parlaments sehr geschadet.

Aber auch die Oppositionsparteien FPÖ und BZÖ haben sich nur wenig Gefallen getan und haben es vor Monaten schon verabsäumt die Dinge mit Nachdruck im richtigen Licht darzustellen. Wiewohl diese Fehler nichts gegen den Tötungsakt der Koalitionsparteien sind.

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

die nächsten Wochen werden uns ein politisches Schlachtfeld der untersten Schublade zeigen. Die Regierungsfraktionen müssen und werden – um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken und im Wissen um mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im März stattfindenden vorgezogenen Neuwahlen – das gesamte Repertoire politischer Negativkampagnen gegen die Oppositionsparteien auspacken und die Opposition wird jede noch so kleine Regung zum Anlass nehmen um auf mutmaßliche Malversationen einzelner Regierungsmitglieder hinzuweisen. Freilich ohne großartiger Unterstützung aus den Medien – ausgenommen die GRÜNEN.

In der Zwischenzeit macht sich Frank Stronach auf dem Schlachtfeld breit und wird - mit positiven Vorschusslorbeeren überhäuft und mit einem irrsinnigen Budget ausgestattet - die politische Landschaft zumindest für den Augenblick umwälzen.

Armes Österreich.

Ihr Felix