Freitag, 29. Juni 2012

Mitten durch den Sumpf - der Wille der Regierung?


Wie ich Ihnen, geehrte Leserinnen und Leser, versprochen hatte, gibt es nun das Interview mit Dirk Müller zum Vorhören.
Vorhören deshalb, weil die Sondersendung auf Radio Orange dazu erst in ein paar Tagen stattfinden wird.
Dazu eingeladen habe ich unter anderem auch Finanzministerin Fekter und Bundeskanzler Faymann.

Zur Person Dirk Müller:

Er gilt weithin als das Gesicht und die Stimme des DAX und als anerkannter Fachmann im Bereich der Finanzwirtschaft.
Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft Finanzethos GmbH, die die Website cashkurs.com betreibt und Börsenbriefe verlegt.

In einer Ausschusssitzung des Deutschen Bundestages am 27. Juni 2011 zum Thema „Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern“ war er als Vertreter der Finanzethos GmbH einer von acht eingeladenen Sachverständigen

So vertritt er die Meinung, dass eine Umschuldung Griechenlands und der letztendliche Ausstieg aus dem Euro unausweichlich sind. Müller kritisiert dabei die Inkompetenz der Politik. So äußerte er: „Die meisten [Politiker] haben überhaupt keine Ahnung, was passiert“, und „Unsere führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erkennen eine Rezession noch nicht einmal dann, wenn sie bereits seit einem halben Jahr tobt“.

Müller kritisiert die Rolle der Rating-Agenturen und sieht seit 2010 einen konzertierten Angriff auf den Euro, ausgehend von der amerikanischen Regierung oder der Wall Street, die die Ratingagenturen instrumentalisierten, um eigene politische und finanzielle Interessen zu verfolgen.
Mittlerweile berät Dirk Müller auch Mitglieder des deutschen Bundestages in der aktuellen Krise.

Hier das Interview (die Tonqualität leidet leider etwas unter der Umwandlung in eine Video - der Radiobeitrag ist hingegen einwandfrei - liegt einfach am Medium):



Damit liegt Dirk Müller auf einem Kurs mit Professor Hankel und Professor Ramb - die beide im Nationalrat gestern gesprochen haben.

Es wird interessant sein zu beobachten, wie dieses Interview aufgenommen werden wird. Posten Sie Ihre Meinung dazu!

Ihr Felix

Martin Lichtmesz - ein Kollege aus Deutschland zum Thema ESM


Martin Lichtmesz' Artikel ist derart gut, dass ich Ihnen dieses Gustostück nicht vorenthalten möchte. Die Betrachtung eines deutschen Kollegen über die tatsächlich Situation in Österreich - sehr lesenswert!

Eurokrise: Die Putschisten Österreichs

Die ESM-Gegner kommen sich dieser Tage wohl vor wie die Pioniere in der von Indianern umzingelten Wagenburg, hoffend, daß sie die Kavallerie, etwa aus Karlsruhe, in letzter Sekunde retten werde. Die Zeit eilt davon, und man sieht Bundespräsident Gauck förmlich vor sich, wie er schon die Feder ansetzt zur finalen Unterschrift und jäh innehält.

Andere mögen sich wohl eher fühlen wie in Lars von Triers „Melancholia“, in lähmend-passiver Erwartung des großen Untergangskometen, von dessen weit fortgeschrittenem Herannahen man eben erst beim Frühstück erfahren hat. Das Erwachen kam spät, auch dank der weitgehenden Verschlafenheit oder Komplizenschaft der Medien, und nun müssen die Warner umso lauter die Glocke bimmeln.

Zu ihnen gehört in Österreich vor allem FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, der gestern auf dem Wiener Ballhaus-Platz, gleich gegenüber dem Bundeskanzleramt, eine Ansprache vor etwa 400 Zuhörern hielt. Die FPÖ und ihr Ableger BZÖ sind zur Zeit die einzigen Parteien Österreichs, die der Ratifizierung des Vertrages Widerstand entgegensetzen.

Übergelaufen zu den stramm hinter dem ESM-Vertrag stehenden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sind nun auch – wie kann’s anders sein? - die Grünen, mit deren Mitwirkung jene Mehrheit im Nationalrat gesichert wäre, die nötig ist, um die letzten hinderlichen Klauseln aus der Verfassung zu streichen.  Auf ihrer Netzseite behaupten die Grünen lustigerweise, sie stünden für „eine gemeinsame Europäische Allianz gegen Spekulanten & Finanzlobbys“ und für „volle Mitwirkungsrechte der Parlamente in Finanzfragen“. In ihrem „Grundsatzprogramm“ steht zu lesen:

Demokratie ist ein Prozess der zunehmenden Aneignung von Handlungs- und Entscheidungskompetenz durch die von Handlungen und Entscheidungen betroffenen Menschen; ein Prozess des Ausgleichs zwischen unterschiedlichen Interessen, der Schaffung und Ausweitung individueller Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, der Zähmung der Macht.

Wieder einmal macht sich eine nominell linke Partei zum Kollaborateur des Kapitals. Warum wohl? Folgt man einer Erklärung des Grünen-Sprechers Werner Kogler, so bildet man sich offenbar allen Ernstes ein, man könne nun „Bedingungen zu dem ESM-Vertragswerk diktieren“. Die Machtinstinkte funktionieren also noch:  während die nicht zum Kompromiß bereiten Rechten sich freiwillig aus dem Klub katapultieren und sich als nicht „regierungsfähig“ zeigen, bekommen die Grünen ihren Katzentisch und werden von SPÖ-Klubchef Josef Cap für ihr Bravsein und Marschieren im Gleichschritt  gekrault und getätschelt:  „Sie sind momentan am konstruktivsten. Sie zeigen damit Verantwortungsbewusstsein und Regierungsfähigkeit.“

Anmerkung Felix: Ist vielleicht der Aufdruck auf dem T-Shirt der Klubobfrau Programm? Wäre sie das denn gerne? Die Chefin Europas?



Und da die österreichischen Grünen mindestens so erzdumm, eitel und grundverkommen sind wie ihre deutschen Pendants, haben sie den Köder auch gleich geschluckt, flugs die Räuberleiter gemacht und den nützlichen Idioten gespielt. Das gute Hündchen ist ganz stolz auf seine vermeintliche eigene Raffinesse:

„Wenn wir uns einigen, wird das zu 80 bis 90 Prozent ein grünes Gesetz. Da sieht man unsere Kunst, von der Opposition heraus etwas durchzusetzen“, sagt Kogler.

Ich gratuliere. Wenn die österreichische Linke indessen noch einen halbwegs behirnten Kopf auf ihrem Wendehals sitzen hätte, dann würde ihr die Tatsache schwere Migräne bereiten müssen, daß die FPÖ in Österreich dieselbe Oppositionsrolle einnimmt wie in Deutschland die „Linke“. Beide opponieren gegen den ESM mit weitgehend identischen Argumenten.

Da spricht eine Sahra Wagenknecht nicht anders als ein Manfred Kleine-Hartlage oder ein Friedrich Romig von einem „kalten Putsch gegen das Grundgesetz“, während Gregor Gysi bereits im März auf die Grundgesetzfeindlichkeit des Vertrages hinwies und vor dem Bau eines „Europas der Banken und Hedgefonds“ gewarnt hat. Auch der „Linke“-Politiker Wolfgang Neskovic spielte die Karte der nationalen Souveränität aus: „Die deutsche Politik darf nicht fremdbestimmt werden.“ (Da höre ich sie schon triumphierend aufheulen, die Klassenstreber der sogenannten „Mitte“: Mal wieder die „Extremisten“ und „Populisten“ von Links und Rechts, die sich böswillig gegen Wohlstand und Demokratie, Vernunft, Europa und Weltgeist auflehnen!)

Über diese Überschneidungen mag man sich wundern – aber im Grunde sollte man sich eher wundern, warum sich nicht noch mehr Linke gegen den ESM-Vertrag engagieren. Da haben sie ihn nun in aller schaurigen Evidenz vor sich, ihren nimmersatten, demokratiefeindlichen Finanzmoloch und Ausbeuter-Leviathan. Aber die Guy-Fawkes-Masken und Occupy-Schildchen bleiben diesmal zuhause. Warum wohl? Weil spätestens hier der nationalen Frage, die von der Linken so gerne verschwefelt wird, nicht mehr aus dem Weg zu gehen ist. Hic Rhodus, hic salta! Man sieht, wie gut der „Antifaschismus“ funktioniert hat, um die antikapitalistische Linke im Zaum zu halten und ihr die Zähne zu ziehen.

Strache und die FPÖ touren nun landauf landab, um vor den Gefahren des ESM-Vertrages zu warnen, was zum Wettlauf gegen die Zeit geworden ist. Man kann von dem Mann und seiner Partei halten, was man will: in der Sache hat er recht, und jedem, der sich nur ein bißchen in die Materie einliest, muß dämmern, daß hier ein ungeheuerliches, schwerwiegendes Vorhaben umgesetzt werden soll, das tief in die politische Struktur der betroffenen Länder eingreifen wird. Daß dieses nach der bewährten Jean-Claude Juncker-Methode („Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt“) mehr oder weniger hinter dem Rücken der Bürger vorbeigewurstelt werden sollte, sollte allmählich auch dem eingefleischtesten EU-Idealisten zu denken geben.

Anmerkung Felix: So ist auch die Botschaft bei den Anti-ESM-Veranstaltungen klar und verständlich:



Die Antwort der Meinungsmacher fällt indessen recht vage und unsicher aus. Der ESM-Vertragstext ist so eindeutig demokratie- und souveränitätsfeindlich, daß seine Rechtfertigung die größten Schwierigkeiten bereitet. Man bemüht sich also, die Sachverhalte durch Begriffshülsen-Rhetorik zu verschleiern. Meine Lieblings-Bête-Noire  Hans Rauscher , der „Einserkastl“-Schreiber des Standard, meint etwa, man müsse entweder Euro-Befürworter oder häßlicher, kleiner, selbstsüchtiger „Mir-san-Mir“-Krümel sein, denn man könne doch in der heutigen Zeit „keine ruhige Schrebergartenexistenz“ als “ kleines, abgeschottetes Land“ führen. Was für ein Argument hat er dann für große, zentral gelegene Länder wie Deutschland? „Wir sind da alle gemeinsam drin!“

Der linksliberale Kurier gibt die nicht weniger irreführende Formel aus, die Parteienlandschaft hätte sich in eine (gute, progressive) „pro-europäische“ (Schwarz-Rot-Grün) und in eine (böse, rückständige) „anti-europäische“ Fraktion (blau-orange) gespalten. Ein spürbar gereizter Kommentator des Blattes, der befürchtet, bei einer etwaigen Volksabstimmung wäre ein „Nein der Österreicher vorprogrammiert“,  fährt hier schwere rhetorische Geschütze auf – die ESM-Gegner seien bloße Radaubrüder, Angstmacher und Ignoranten:

Bleiben wir bei der aktuellen Debatte um die Einführung des ESM. Dass die blau-orangen Totalverweigerer einen „Staatsstreich“ und „schwärzeste Tage des Parlamentes“ herbeifaseln, ist dümmlicher Populismus, dass Strache in einer offiziellen Aussendung nicht einmal die richtige Abkürzung kennt und vor einem „EMS“ warnt, ist nur ein zusätzlicher Beweis von schweren Informationsmängeln.
Aber der oppositionelle Radau gewinnt Gehör, so lange nicht die Wahrheit über den ESM und andere, größere Projekte europäischer Zusammenarbeit/Zentralisierung klar ausgesprochen wird.

Das wäre einmal eine grandiose Idee! Alle Welt wartet darauf, daß die ESM-Befürworter (und das ist momentan fast die gesamte österreichische Regierung), „die Wahrheit“ klar aussprechen und die Bürger aufklären, was sie mit ihrem Vermögen, ihren Steuergeldern, mithin ihrer ganzen Zukunft vorhaben. Auch sie sagen einen Katastrophenkometen voraus, den man aber durch Banknotenmagie abwehren könne. In Wirklichkeit sind sie selbst die „Angstmacher“. Statt alternative Ansätze auch nur zu diskutieren, wird bedeutet, es gäbe nichts anderes als die „TINA“-Wahl zwischen dem großen Knall und dem ESM.
Der (übrigens seit drei Monaten spurlos verschollene) Youtube-Satiriker „Clown-Union“ hat das einmal in einem seiner legendären Videos  karikiert: da kommt Lloyd Blankfein von Goldman-Sachs ins Bild getrippelt, mit Vampirzähnen und einem Sprengstoffgürtel um den Bauch: „Ich bin ein Suizid-Banker! Wenn ihr mich nicht gebt, was ich will, drücke ich auf den Knopf und die ganze Finanzwelt fliegt in die Luft.“  Merkel und Berlusconi darauf: „Oh nein! Wir machen alles, was du sagst!“

Die Arroganz der Entscheidungsträger läßt sich jedenfalls vortrefflich an der gestrigen ORF-Fernsehkonfrontation zwischen Josef Cap und H.C. Strache studieren. Sie ist so auffällig, daß sogar der Moderator Cap mehrfach ermahnt, er habe seine und Straches Fragen ja gar nicht beantwortet. Beispielsweise kann Cap keinen einzigen triftigen Grund nennen, warum man bei einem so einschneidenden politischen Eingriff wie dem ESM-Vertrag keinen Volksentscheid durchführen solle. In der Tat verwehrt er sich vehement dagegen, ähnlich gereizt wie der oben zitierte Kommentator des Kurier, der explizit fürchtete, die Wähler würden die unerwünschte Wahl treffen.

"Moderator: Jetzt gibt es diese Debatte über direkte Demokratie. Alle sind plötzlich für direkte Demokratie. Am allermeisten die FPÖ, aber auch die ÖVP, und auch die SPÖ ist plötzlich für direkte Volksabstimmungen und für Demokratie. Warum will man über soetwas Wesentliches nicht abstimmen?
Cap: Des kaun i Ihna sogn. Der ESM-Schutzschirm hat dafür zu sorgen, daß die Eurozone nicht in die Luft fliegt, daß der Euro weiter stabil bleibt. Was Herr Strache riskiert, ist, daß, wenn das in die Luft fliegt – im übrigen könn ma gor net allan austreten, weil wir immer an die D-Mark gekoppelt waren, nun daher ohne Deitschland aufgrund der engen Verflechtung ohnehin kaum was…
Moderator: Entschuldigen Sie, Sie weichen mir aus.
Cap: I glaub, daß die Frage zwar wichtig ist, aber was jetzt fast no wichtiger is, was passiert, wenn alles in die Luft fliegt?
Moderator: Beantworten Sie doch meine Frage.
Cap: Mach ich gerne, sofort. Aber des Entscheidende ist, Einbruch der Wirtschaftsleistung, Massenarbeitslosigkeit, das ist die Folge von dem, was Sie (Strache) da fordern. Wir sind für die direkte Demokratie, wir sind für die Volksabstimmung, wenn’s wirklich zu einem Souveränitätstransfer führen sollte, das haben wir aber nicht vor."



Ein paar Sätze später hat Cap die Frage immer noch nicht beantwortet, und die Sendezeit ist ausgelaufen. Es ist an sich schon wenig vertrauenerweckend, wenn solche Dinge erst dann diskutiert werden, während der Prozeß schon in vollem Gange und auf dem Weg zur Tatsachenvollendung ist. Die offensichtliche Lüge aber, daß die Regierung (oder meint er seine Partei?) keinen „Souveränitätstransfer“ vorhabe und für „direkte Demokratie“ einstehe, ist so dreist, daß einem die Spucke wegbleibt.

Es ist nicht die erste Lüge aus der Führungsriege der SPÖ – im Juni 2008 hatte der damalige Bundeskanzler Gusenbauer zusammen mit dem jetzigen Bundeskanzler Faymann einen medienwirksamen offenen Brief an die Kronen-Zeitung geschrieben:

Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion sind wir der Meinung, dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen.

Das stellt sich heute als ein gebrochenes Versprechen, als typische Wahlkampflüge heraus. Der erweiterte Witz ist freilich, daß auch der ORF, der immerhin diese Diskussion ermöglichte, nicht allzu viel zu einer „kontinuierlichen Information“ beiträgt, wenn er im Vorspann als bloße Minderheiteninterpretation von FPÖ und BZÖ hinstellte, was im Vertrag selbst eindeutig nachzulesen ist.

Ich bin bekanntlich kein allzu großer Freund der Blaumiesen, aber mein Respekt vor Strache und seinem glaubhaft zornigen Engagement ist in diesen Tagen erheblich gestiegen. Er hat, wie gesagt, in der Sache nachweisbar völlig recht, und man wird ihm nicht verübeln können, wenn er die entsprechenden Sachverhalte auch für eine Klientel griffig verpackt, die nicht gar so anspruchsintellektuell unterwegs ist wie der durchschnittliche Standard-Leser. Er geht dabei auch nicht gröber vor als jene, die ständig von „Europa“ faseln,wenn sie „Brüssel“ und „Fiskalunion“ meinen. Indessen sind die Kommentarspalten des rosaroten Tagblattes zum Teil kaum mehr vom euroskeptischen bis -feindlichen Kommentariat der Kronen-Zeitung zu unterscheiden. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung.

Es kann durchaus sein, daß mit der ESM-Zumutung und den immer offensichtlicher zu Tage tretenden Lügen und Manipulationen der Regierung der Bogen überspannt ist. Nun müßte aber auch der seit Jahrzehnten passivdemokratisch duldende und dämmernde Bürger seine Feigheit und Bequemlichkeit aufgeben, selbst wenn es ihn Überwindung kostet, sich der FPÖ anzuschließen. Es wird alles darauf ankommen, ob Strache ein breiteres, parteiübergreifendes Bewußtsein schaffen kann.

Ich denke, Kollege Lichtmesz hat hier eine "Punktlandung" hingelegt, an der es nicht viel zu rütteln gibt. Sauber recherchiert, gut kommentiert und nicht interpretiert. Sauberer Journalismus eben!

Ihr Felix

Eitelkeit - die Antwort auf viele Fragen rund um den ESM



Die letzten Tage sind vergangen mit einer Reihe von Gesprächen mit den wirklichen Experten zum Thema Volkswirtschaft, Ökonomie und Realwirtschaft.
Daneben habe ich einige Kundgebungen gegen den ESM in Deutschland und Österreich besucht, mich unter den Zuhörern umgehört, mit den Veranstaltern gesprochen und einige bewegende und auch einige erschütternde Momente erlebt.

Dann gab es heute ein Expertenhearing im österreichischen Parlament, welches nicht ungehört bleiben darf. Auch davon werde ich Ihnen erzählen - teilweise sogar wortwörtlich.

Eine grundsätzliche Feststellung muss gleich am Anfang dieses Artikels getroffen werden: bis auf ganz wenige Medienberichte ganz hinten - dort wo keine Leser mehr aufmerksam liest - ganz in der Tradition unlesbarer und unverständlicher und manches Mal täuschender AGB von Schwindelfirmen - haben die großen Printmedien dazu geschwiegen, teilweise bewusst und nachweislich gelogen und ihren fulminanten Teil versucht dazu beizutragen, um den ESM um jeden Preis durchzuboxen: durch Verschweigen der Wahrheit.

Allerdings hat der Herr Cap seines dazu beigetragen, dass die Regierung einen kleinen Teil ihrer wahren Gesinnung offen gelegt hat: in der ZIB 2 hat er sich klar und deutlich gegen eine Volksabstimmung ausgesprochen, weil die Investition von 19,8 Mrd. Euro Steuergelder zur Schuldenzahlung fremder Staaten keine "große Sache" ist und die Änderung der Verfassung nicht durch das Volk beeinflusst werden darf.

Noch dazu hat Herr Cap im Wissen um den tatsächlichen Inhalt des ESM Vertrages - den Sie mittlerweile als Leser dieses Blogs auch kennen - mehreren hunderttausend Österreicher_innen mit einem krampfhaftem Lächeln im Gesicht glatt in selbiges gelogen: Die Auszahlung der Hilfsgelder sei von einer Einstimmigkeit anhängig. Und das ist eine glatte und unverfrorene Lüge. Herr Cap war zwar bereits in jungen Jahren gewissenlos und ebenso skrupellos - ein echter Parteisoldat eben - aber das was er in der ZIB 2 geliefert hat, das ist nicht mehr tolerierbar und beweist, wie sehr man versucht, den Platz an der Sonne des ESM um jeden Preis zu ergattern.

Es ist Eitelkeit und Halbwissen, dass unsere Regierenden dazu gebracht hat, erstens den Kardinalfehler zu begehen, sich nicht unabhängiger Experten in der Beratung zu bedienen und zweitens, den dann offensichtlich erkannten Fehler durch den nächstgrößeren Wahnsinn zu kompensieren - der Abgabe der Souveränität und der Verantwortung.

Die Eitelkeit eines kleinen Mannes, der endlich über seinen eigenen Schatten springen möchte und selbst etwas Herausragendes leisten möchte - hat den kleinen und ansonsten unbedeutenden Mann im Februar 2012 dazu gebracht, in blindem und vorauseilendem Gehorsam seinen Parteifreunden gegenüber, seine Unterschrift im Namen von mehr als acht Millionen Menschen, die ihm ihr Wohl anvertraut haben unter den folgenschweren Vertrag "ESM" zu setzen. Sein Halbwissen hat er als genug angesehen, um die Folgen und Wirkung abschätzen zu können. Ein fataler Fehler.
Die Eitelkeit hat ihn auch dazu gebracht, es nicht eingestehen zu können, den größten aller Fehler der letzten Jahrzehnte gemacht zu haben - sein Land und seine Menschen, die an ihn glaubten, zu hintergehen und zu belügen.
Diese absolute Eitelkeit, mehr sein zu wollen, als alle seine Amtsvorgänger zusammen, in die Geschichte einzugehen als "der Bundeskanzler" schlechthin, vielleicht sogar der Retter von Europa zu sein - einem Europa, dass er gar nicht versteht, weil es ihm nicht gegeben ist, die Menschen zu verstehen und damit auch nicht die Mechanismen der einzelnen Nationen - für diese Eitelkeit, die er nun mit nur mehr ganz wenigen teilen kann, hat ihn auch dazu gebracht, sich weit abseits des Volkes zu stellen, das ihn gewählt hat.
Selbst sein linientreuer "Parteibeisser" Cap, schmeißt die Nerven weg und merkt, wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns alle bewegen.
Und nun kommt die Angst noch dazu, weil die vermeintlichen internationalen Bündnispartner doch nicht d'accord gehen mit seiner Meinung.

Das Schlimme daran ist. dass sich Menschen wie der eitle Bundeskanzler sich seinesgleichen suchen und sich damit umgeben: in wichtigen Funktionen und Positionen, die auch in den Medien gehört werden. Die "normale" und in Österreich in allen Fraktionen so liebevoll gepflegte "Tradition" des Anzuckern und Anfüttern - über Jahrzehnte hinweg geradezu perfektioniert - bekommt plötzlich Risse: von Korruption ist da plötzlich die Rede und Schmutzwäsche wird ganz öffentlich gewaschen. Gar nicht gut für den ach so eitlen Mann.
Gegenmaßnahmen, vom ebenso "stilvoll" über Jahrzehnte hinweg gelernten "Abtauchen" und "Aussitzen" werden massiv eingesetzt, die plötzlich mehr werdenden Gegner nach alter Manier mit Hilfe der jahrzehntgelang angefütterten und in eigener Machtstehenden Massenmedien in Frage gestellt, um davon abzulenken, dass man selber die schwersten Fehler gemacht hat und gerade wieder begeht.
Unter allergrößter Eile wird verzweifelt daran gearbeitet, die Felle noch ins Trockene zu bringen - dazu werden alle Regeln gebrochen und viele Versprechen gegeben. Die - wie wir heute schon wissen - nie eingehalten werden.

Hier wie in Deutschland beginnt sich das Volk zu wehren. Klein noch, fast nicht zu bemerken, aber schon zu hören: Demos hier wie da, Kundgebungen - teilweise noch schlecht organisiert - finden statt und die Medien haben plötzlich ein Problem: wie negiert man etwas, von dem schon viele Menschen wissen? Sogar das größte aller Schundblätter in Österreich rudert plötzlich - nach anfänglichem Aufschrei - zurück und nimmt Bilder aus der Ausgabe, die selbst den dümmsten der Dummen davon überzeugt hätten, dass hier gelogen wird, dass sich die Balken biegen.
Und der ORF besinnt sich plötzlich darauf, dass er vielleicht doch eine Aufgabe hat, die ihn vom Boulevard unterscheidet: Objektivität. Ein kleines Pflänzchen noch, gerade im Erblühen, wächst sie hoffentlich weiter und behauptet sich gegen die vielen Angriffe.

"Mein" Nachrichtendienstler aus Deutschland konnte mir bestätigen, dass es tatsächlich einen Masterplan gibt, der zum Endziel die Schaffung eines europäischen Bundesstaates hat. Seit dem Jahre 1986 würde daran gearbeitet werden und es hätte sehr viele Ressourcen dafür gegeben, unliebsame Gegner dieses Paktes zu "beobachten". Einflussreiche Investoren hätten deren guten Kontakte dazu benutzt, um das wirtschaftliche Interesse eines geeinten Europas durchzusetzen - die Menschen waren und sind dabei nebensächlich. Denn diese wüssten nicht, was gut und was schlecht für sie ist. Eine Information des Volkes wäre nicht vorgesehen gewesen. Aber man hat die neue Form der Kommunikationsmedien unterschätzt und auch die widerspenstige Eigenwilligkeit und Unberechenbarkeit einzelner Protagonisten. Deshalb würde nun etwas härter vorgegangen werden: man stellt die Bevölkerungen einfach vor vollendete Tatsachen, mit denen sie leben müssen.

Passend dazu Mario Monti (ital. Ministerpräsident):
Wenn die Italiener entmutigt würden, könne das "politische Kräfte" freisetzen, die die europäische Integration und den Euro "zur Hölle fahren lassen".






Zurück im kleinen Österreich gibt es eine Reihe von unausgereiften und enttäuschten Persönlichkeiten, die der Eitelkeit anheimgefallen sind - und dabei jedes Maß und jedes menschliche Ziel aus den Augen verloren haben. Ein Außenminister, der sich mit neune anderen Kollegen über mehr als 250 Millionen Menschen erhebt und festlegt, wie diese zu leben haben. Ein Außenminister, der in Finanzfragen vorprischt und sich für einen gemeinsamen Finanzminister - den es ja nur in einer bestehenden europäischen Regierung geben könnte - Europas ausspricht und für die Aufgabe der Kernsäule eines jeden Staates: des Budgets.
Ein weiterer kleiner Mann, der getrieben von Eitelkeit seine Person als den Erschaffer von etwas Einzigartigem sehen möchte und sein Denkmal schon zu Lebzeiten bewundern können möchte.

Eine Klubobfrau, die gedemütigt durch eine demokratische Abwahl eine zutiefst persönliche Niederlage einstecken musste, die noch zu jung ist, um zu verstehen und geblendet von der eigenen Eitelkeit, sich selbst in führender Position zu sehen. Auch um den Preis der Aufgabe aller Ziele, aller Ideale und aller bisheriger Richtlinien.

Eine fatale Kombination, die nun das Schicksal von acht Millionen Österreicher_innen bestimmt.

Auf der anderen Seite gibt es den Anführer der Opposition, der geliebt / gehasst wird. Das erklärte Feindbild, der Teufel in Person. Dem man nachsagt, er würde als Bundeskanzler das Land in den Abgrund führen, Zustände wie in Sodom einführen und das Land Österreich ruinieren.

Allein: was soll er denn ruinieren, was nicht schon im Begriff ist ruiniert zu werden? Wie wir gleich lesen werden, sind wir schon nahezu völlig ruiniert.

Und wenn man ihm zuhört, dann gibt es natürlich Polemik zu hören und viel Gezeter. Aber auch stille und leise Worte, die stimmen und für einige unangenehm sind.
Der, dem alle nachsagen - auch viele meiner Kollegen vom Boulevard - dass das alles nur Schein ist und man ihm nicht trauen darf, weil wenn er erst an der Macht ist, dann - aber dann! Was wird denn dann sein?
Nun, das wage ich nicht zu beantworten, zu groß ist die Möglichkeit, dass die Macht dann auch ihn korrumpiert. Aber - und das ist nennenswert: er kennt seine Grenzen. Er sagt von sich aus: wir wollen nur 33,4 Prozent bei der nächsten Wahl, um mitreden zu können. Die Polemik nach außen, dass er Kanzler werden will, das ist Wahlgeplänkel. Die Wahrheit dahinter ist, dass er weiß, wo und wie er arbeiten kann und muss.
Auch hier spürt man die Eitelkeit, die ihn treibt. Aber noch nicht außer Kontrolle. Das beste Beispiel: er hat Experten eingeladen und in den Nationalrat gebracht. Kritisch und nicht beeinflussbar - weil diese Experten schon seit vielen Jahren - als es noch gar keinen Strache in der Bundespolitik gegeben hat - das Gleiche sagen und immer wieder beweisen. Und er stellt dieses Wissen zur Diskussion, hinterfrägt es und will, dass man sich diese Meinungen anhört, darüber nachdenkt und nicht aus Eitelkeit abtut. Es ist ihm dabei egal, wer zustimmt oder dagegen ist - alle sind gefordert, er schließt niemanden aus.
Das wird ihm Stimmen kosten und Gegner in den eigenen Reihen schaffen, aber das ist sein Preis.



Lesen wir nun die Expertenreden durch:

Im österreichischen Verfassungsausschuss – Expertenhearing vom 28.06.2012:

Bernd Thomas Ramb



(Kurzvita:
Diplom-Mathematiker Universität Marburg (1972), Doktor der Wirtschaftswissenschaften Universität Siegen (1975), Habilitation in Volkswirtschaftslehre (1984), Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Siegen (1984-1991, seit 1991 apl. Professor), seit 1993 selbständiger Unternehmer.
Arbeitsgebiete / Forschungsschwerpunkte
Wirtschaftspolitik, insbesondere Geld- und Fiskalpolitik Ökonomische Verhaltenstheorie.)

Transkript des Vortrages im Plenum.

„Zunächst ist im ESM Vertrag die Vorgehensweise geklärt, was passiert wenn einzelne Euroländer die geforderte Kapitaleinlage nicht, oder nur durch zusätzliche Staatsverschuldung leisten können.
Vorgesehen ist die Regelung, in solchen Fällen die Kapitaleinlage einzufordern.
Eine quantitative Obergrenze ist dafür nicht vorgesehen.
Ebenfalls quantitativ unbegrenzt ist die Verlustzuweisung.
Wird dem ESM die Hebelung von Einlagen erlaubt kann der Gesamtverlust die bestehenden Einlagen und Reserven übersteigen.
Und in diesem Fall sieht der Artikel 25 des ESM vor, dass an alle ESM Mitglieder ein revidierter und erhöhter Kapitalabruf erfolgt.
Im Endeffekt müssen also alle verbliebenen Mitgliedsstaaten diese Verluste übernehmen.
Verluste werden entstehen, weil dieser Vertrag implizit eine ökonomische Reaktion enthält durch den Artikel 3  - Finanzmittel sollen mobilisiert werden für die Staaten, die Probleme haben bei der Refinanzierung ihrer Staatsschulden – und durch den Artikel 10, der die Zinsfestsetzungspolitik betreibt und das wird ein subventionierter Zinssatz sein, sodass in der Reaktion der private Finanzkapitalmarkt ausfallen wird und nicht mehr in die Finanzierung dieser maroden Staaten eintreten wird.
Womit schließlich alles in der Finanzierung im ESM landen wird.
Welche finanziellen Belastungen auf die einzelnen Mitgliedsstaaten und insbesondere im Falle Österreich in diesen Fällen zukommen, möchte ich anhand von drei Szenarien kurz skizzieren, die das sukzessive Ausscheiden von Mitgliedsländern mitgefährdetem Zahlungsvermögen ergeben.
Szenario 1 haben wir praktisch schon: Ausfallkandidaten sind schon jetzt die Euroländer, die den ESFS in Anspruch nehmen – also Griechenland, Irland und Portugal.
Werden ihre Einzahlungsanteile am ESM Vertrag auf die verbliebenen Mitgliedsstaaten übertragen, dann erhöht sich der österreichischen Einzahlungsbetrag – also praktisch aufgrund der schon bestehenden Fakten – von 19,5 auch 20,8 Mrd. Euro. Der prozentuale Anteil am ESM, den Österreich zu schultern hat, steigt von den ursprünglichen 2,78 Prozent auf 2,99 Prozent. Wird zudem vom ESM die Schuldenlast dieser Länder mit einem Gesamtbetrag von 709 Mrd Euro übernommen, entsteht schon in diesem Fall der Zahlungsunfähigkeit dieser Länder ein die Einlage von 700 Mrd. Euro ein Verlust von 9,17 Mrd. Euro. Und dieser wäre dann nach dem neuen effektiven Schlüssel  von den verbleibenden ESM Teilnehmerstaaten zu finanzieren. Im Fall Österreich wird damit ein Zuschuss zum ESM-Verlust in Höhe von 274,2 Millionen Euro fällig und die durch die vom ESM verursachte finanzielle Belastung erhöht sich für Österreich damit auf insgesamt 21,2 Mrd. Euro.
Im Szenario 2 wird noch deutlicher wie der Anstieg der österreichischen Beteiligung einzuschätzen ist, wenn zusätzlich die Länder Italien, Spanien und Zypern einbezogen werden, von denen die beiden letztgenannten bereits dabei sind unter den bisherigen Rettungsschirm zu schlüpfen.
Fallen diese Länder als Geldgeber für den ESM aus, erhöht sich der Einzahlungsbetrag von Österreich auf 30,9 Mrd. Euro.
Eine Steigerung gegenüber dem vertraglich vereinbarten Betrag von mehr als 58 Prozent.
Der prozentuale Anteil von Österreich am ESM steigt damit auf effektive 4,4 Prozent.  Wird auch hier vom ESM die Schuldenlast dieser Länder von zusammen 2,644 Mrd. Euro übernommen steigt der schon unter dem Szenario 1 entstandene Verlustbetrag um diese volle Summe auf 2,654 Mrd. Euro.
Der Anteil Österreichs beträgt nun nach dem ebenfalls erhöhten effektiven Beteiligungsschlüssel  insgesamt 126,8 Mrd. Euro zusätzlich zu der Belastung aus Szenario 1. Somit beträgt die Belastung Österreichs insgesamt 148 Mrd. Euro.
Szenario 2 ist relativ wahrscheinlich, dass es demnächst erreicht wird.
Mittelfristig ist aber auch nicht auszuschließen, dass auch Frankreich, Belgien und dann auch Malta aus dem ESM aussteigen müssen bzw. sich nicht mehr an der Finanzierung beteiligen können. Dann läge der rechnerische Prozentanteil Österreichs am ESM statt bei den ursprünglich vorgesehenen 2,78 Prozent im Endeffekt bei 7,1 Prozent.
Die entsprechende Einlagenforderung erreicht für Österreich die 50 Mrd. Euro-Grenze.
Werden die Schulden von Frankreich, Belgien und Malta zusammen – das sind 2 Billionen und 83 Mrd. Euro (2083 Mrd. Euro!) ebenfalls von den noch solventen verbliebenen Staaten übernommen,  bedeutet dies für Österreich eine zusätzliche finanzielle Belastung von 238 Mrd. Euro und insgesamt steigt dann die finanzielle Belastung Österreichs auf 386 Mrd. Euro.
Nimmt man den derzeitigen Schuldenstand von Österreich mit dazu mit 210 Mrd. Euro, wäre dann der österreichische Staat mit insgesamt über 600 Mrd. Euro verschuldet, ohne dass überhaupt ein einziger Euro Österreich zugeflossen wäre.
Das sind alles Schulden, die in der Gemeinschaft der Schulden von anderen übernommen werden.
Über all die regiert dann eine beliebige Willkür.“


Wilhelm Hankel



(Kurzvita:
1954 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).  1956 Auswärtige Amt. Von 1959 bis 1967 Direktor der Abteilung Volkswirtschaft und Planung der Kreditanstalt für Wiederaufbau. 1967 Ministerialdirigent im Bundesministerium für Wirtschaft als Leiter der Abteilung Geld und Kredit. 1972 bis 1973 Präsident der Hessischen Landesbank.
 1974 bis 1975 Gastprofessur an der Harvard-Universität. 1975 bis 1976 Gastprofessur am Konrad-Adenauer-Lehrstuhl der Georgetown University in Washington (D.C.). 1978 bis 1981 Gastprofessur am SAIS Bologna Center der Johns Hopkins University und am Wissenschaftszentrum Berlin. 1990 bis 1991 Gastprofessur an der Technischen Universität Dresden. 1991 bis 1992 Stiftungslehrstuhl der Deutschen Bundesbank für internationale Währungspolitik an der Freien Universität Berlin.)

Auszug seiner Rede vor dem Plenum:

„Die Geldpolitik hat – was überhaupt nicht ihr Auftrag war - Staaten wie Griechenland, Spanien, Portugal kreditfähig gemacht. Staaten, die es vorher gar nicht waren. Und das bringt uns zu der Frage: nachdem Sie wieder jeder ökonomischen Vernunft kreditfähig geworden sind, tu man gut daran, die Budgetziele jedes Staates zu uniformieren und nach Unionsgesichtspunkten auszurichten?
Wir alle wissen, Europa besteht nicht nur aus vielen Staaten, sondern auch aus vielen Regionen. Diese sind unterschiedlich strukturiert. Der europäische Konjunkturzyklus hat nie stattgefunden – der war immer unterschiedlich. Das heißt, es war ein hohes Gut in der Vergangenheit, unterschiedliche Budgetziele zu haben. Mit diesen unterschiedlichen Budgetzielen konnte jeder Staat seine ‚Hausprobleme‘  lösen, ohne andere Staaten in Anspruch zu nehmen. Und ich halte es für einen verhängnisvollen Fehlschritt, die Budgetziele jetzt a) festzuschreiben und b) zu uniformieren. Denn jeder Staat braucht seine eigenen Budgetziele. Das Beispiel  Island zeigt, dass ein national und  autonom handelnder Staat seine Schuldenprobleme im Laufe der Zeit selbst in den Griff bekommt – so, dass er damit leben kann. Und das gilt auch für die Krisenstaaten der Währungsunion.
Wenn man ihnen nun uniforme Ziele vorschreibt, vergrößert man die Krisensituation in diesen Ländern, setzt sie unter einen Druck, dem sie auch demokratisch nicht gewachsen sind, denn die sozialen Unruhen und Probleme werden dadurch erst recht angeheizt und es ist die sichere Methode – wie bei der Einführung des Euro – Dynamik mit Dynamit zu verwechseln. Der Ausweg wäre der Rückbau zu einer Wechselkursunion mit realistischen Wechselkursen.“

Bei beiden Rednern, sind große Teile der regierenden Fraktionen und der Grünen aus dem Plenum gegangen, haben sich diese Reden nicht angehört. Zu unangenehm wäre es gewesen, vor laufender Kamera damit konfrontiert zu werden - zu sehr hätte das Image darunter gelitten. Aber: kann man diesen Menschen nun noch vertrauen, wenn sie ihr eigenes Halbwissen über das jener stellen, die seit Jahrzehnten als Experten anerkannt sind und viele der nun antretenden neuen Experten unterrichtet haben? Kann man dann den Menschen noch vertrauen, dass sie wirklich das Beste für uns und nicht für sich selbst tun - aus Eitelkeit?

Nun machen Sie sich ein Bild: Sie kennen den ESM aus diesem Blog und damit auch den Inhalt und die hier angeführten Reden sind nachlesbar und nachhörbar. Das Internet macht es möglich. Zum Leidwesen des Boulevard und zum Leidwesen der Regierenden.

Lesen Sie die Vita der Vortragenden und dann lesen Sie die Vita der Regierenden. Wer hat da mehr an Verantwortungsgefühl, wer besitzt da mehr an Sachwissen und wer hat mehr davon, wenn die tatsächlich Wissenden ignoriert werden?

In den nächsten Tagen werde ich einige hochbrisante Dokumente veröffentlichen, die Sie dazu anregen sollen, dass Sie sich Ihrer höchsteigenen Verantwortung und der Ihren Kindern gegenüber wieder bewusst werden.
Bis dahin werde ich weiter versuchen, den eitlen Bundeskanzler vor die Kamera und das Diktaphon zu bekommen und darf Ihnen schon jetzt ein interessantes Interview mit Dirk Müller ankündigen, das er mir sehr offen gegeben hat.

In diesem Sinne: denken Sie nach, hinterfragen Sie alles und bleiben Sie wachsam!

Ihr Felix

Montag, 25. Juni 2012

Die Chronologie einer Lüge am Beispiel der Griechenlandpleite

Liebe Leser, vorerst vielen Dank für Ihre ungemein konstruktiven Mails zu diesem Blog! Ich gebe zu, dass ich erstaunt bin, wie viel ehrliches Interesse zu den Themen tatsächlich vorhanden ist.

Heute werde ich Ihnen eine Chronologie der Lügen rund um die "Stabilität" der Eurozone, anhand des Beispiels Griechenland aufzeigen.

Urteilen Sie bitte danach selbst, ob Sie den Menschen, die diese Lüge verbreitet haben (und noch immer verbreiten) auch in Zukunft trauen möchten.

Ende 2009:

Griechenland gibt gegenüber Europa zu, dass die bislang veröffentlichten Finanzzahlen Griechenland frisiert wurden und der tatsächliche Schuldenstand weitaus höher ist.

März 2010:

Merkel sagt, Griechenland befinde sich zwar in Schwierigkeiten, sei aber nicht pleite. Griechenland könne sich selbst und ohne Hilfe retten. Dazu Merkel im Originalton: "Es geht, das will ich ausdrücklich sagen, nicht um Hilfsmaßnahmen. Ich glaube, es gibt keine Alternative dazu, dass Griechenland seine Hausaufgaben macht." und der griechische Premier Papandreu dazu: "Griechenland will keinen Cent von den deutschen Steuerzahlern."

25. März 2010:

Die Staats- und Regierungschefs der Euro- Länder einigen sich auf einen Rettungsplan für Griechenland und wenden damit die unmittelbar drohende Staatspleite ab.

23. April 2010:

Griechenland beantragt bei der EU 110 Milliarden Euro Finanzhilfe - der Staat kann seine Ausgaben nicht mehr finanzieren. Er ist de facto pleite.

2. Mai 2010:

Die EU genehmigt die Finanzhilfe. Österreich ist daran beteiligt. Das Volk wurde nicht gefragt.

10. Mai 2010:

EU und IWF beschließen den provisorischen Rettungsschirm EFSF für den Euro. Das Volk wurde nicht befragt und nicht informiert.

Österreich bezahlt 1,57 Milliarden Euro an Griechenland. Die Zinsen bisher wurden an Österreich aus den weiteren Hilfsgeldern bezahlt - also wieder von unserem eigenen Geld an uns bezahlt.

Dazu Kanzler Faymann: Es läuft alles auf Kreditlinien hinaus, es geht nicht um geschenktes Geld oder um Subventionen."

Fakt ist: das stimmt nur solange, solange Griechenland auch die Kreditschuld zurückzahlt, oder zurückzahlen kann.

17. Dezember 2010:

Die EU- Staats- und Regierungschefs einigen sich grundsätzlich auf einen permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Das Volk wurde nicht dazu befragt.

31. Jänner 2011:

Es wird keine Umschuldung Griechenlands geben. Dazu Finanzminister Pröll: "Ich will kein Signal geben, dass es für Länder, die es sich bequem machen wollen, leicht ist, an Geld zu kommen", sagte er in Wien. Stattdessen sollten die Kreditnehmer "strikte Budgetdisziplin" üben. Die Wirklichkeit: Eine Umschuldung, in diesem Fall "Kreditstreckung" genannt, wurde nun beschlossen.

Februar 2011:

Zinszahlungen an Österreich vorerst "verschoben" durch die gewährte Schuldenstreckung.

Juni 2011:

Aufatmen bei EU und griechischer Regierung: Das Parlament in Athen hat am Mittwoch das drastische 78- Milliarden- Euro- Sparprogramm verabschiedet, das Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Zwölf- Milliarden- Euro- Tranche aus dem 110 Milliarden schweren Hilfsprogramm von EU und IWF ist.

Juli 2011:

Der griechische Außenminister Stavros Lambrinidis und "Amtskollege" Michael Spindelegger gemeinsam: "Es wird kein einziger Euro, der von Österreichern in Griechenland investiert wird, verloren gehen. Das ist eine Verpflichtung und ein Versprechen."
Es werde das zweite Sparpaket, das kürzlich vom griechischen Parlament beschlossen wurde, "ohne die geringste Verspätung" umgesetzt, versprach der griechische Außenminister.
Die Finanzminister der Euro- Länder haben in einer Telefonkonferenz der Auszahlung der nächsten Kreditrate in Höhe von zwölf Milliarden Euro bis zum 15. Juli an Griechenland zugestimmt. Ohne das Geld, das aus dem 110 Milliarden schweren ersten Hilfspaket von EU und IWF stammt, wäre Athen schon in zwei Wochen zahlungsunfähig.

September 2011:

Der Deutsche Finanzminister Schäuble sieht Griechenland pleite.
Die österreichische Finanzministerin Fekter: Man zahle nur Geld, wenn man sicher sein könne, dass man dieses Geld  auch zurückbekomme.
Zu diesem Zeitpunkt war Fekter bereits klar, dass Griechenland weder das Sparprogramm umgesetzt hat, noch in der Lage ist, die Schulden zurückzuzahlen. Deshalb wurde der ESM fertig ausgearbeitet: Die Entwicklung der griechischen Schulden ist nach Einschätzung einer vom Parlament in Athen eingesetzten Expertenkommission "außer Kontrolle" geraten.


27. Okt. 2011: 


Die Staats- und Regierungschefs des Euro- Raums einigen sich in Brüssel auf einen teilweisen Schuldenerlass für Griechenland in Höhe von 50 Prozent. Das heißt auch, dass 50% unseres Geldes verloren sind.


November 2011:


EU gibt zu, die Griechenland Krise "unterschätzt" zu haben.
Fekter bleibt dabei, dass Österreich sein Geld zurückbekommt. 

Februar 2012:

Schuldenstand Griechenlands liegt bei 370 Milliarden Euro. Das Land ist zahlungsunfähig. Das Sparprogramm wurde nicht umgesetzt.
Österreich willigt trotzdem in weitere Zahlungen ein.
Die Euro- Gruppe hat sich zu einem neuen, 130 Milliarden Euro schweren Hilfspaket für Griechenland durchgerungen.

Fekter: Österreich hat kein Geld verloren
Finanzministerin Maria Fekter wies gleichzeitig in Brüssel darauf hin, dass Österreich bisher in Griechenland kein Geld verloren habe. Bisher habe Athen seine Zinsen pünktlich bezahlt. Allerdings sei nun eine Kürzung der Zinsen beschlossen worden, daher werde Österreich zwar weniger Ertrag haben, aber trotzdem kein Geld verlieren. Dass Österreich mit den Hilfen für Griechenland Geld verdient, "würde ich nicht sagen", so die Ministerin auf eine entsprechende Frage. Immerhin seien die Zinsen schon zwei Mal gekappt worden.



März 2012

Faymann unterzeichnet den ESM.
Griechenland: Gläubiger werden zu Verzicht gezwungen.
107 Milliarden Euro gehen dabei verloren.

20. März 2012:

Athen muss Anleiheschulden in Höhe von 14,5 Milliarden Euro tilgen.

Mai 2012:

Griechenland steht ohne Regierung da. Neuwahlen sind notwendig.

Juni 2012:

Fekter, Faymann und Spindelegger sagen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Die neue Regierung Griechenlands wird die Erfordernisse erfüllen. Faymann dazu: es wird keine Geschenke an Griechenland geben.
Wahr ist: 50 % wurden bereits geschenkt im Oktober 2011.

Heute:

Die neue Regierung Griechenlands hat angekündigt, sich nicht an das Sparprogramm zu halten. Auch die Rückzahlungsfristen werden gestreckt um weitere zwei Jahre. Versprochene Massnahmen werden nicht umgesetzt.

Fekter und Faymann sagen dazu: man wird den Griechen Luft zum atmen lassen. Kein Wort dazu, dass Griechenland nichts zurückzahlt.

Beide bestehen dagegen auf dem ESM und wollen nun die vereinigten Staaten von Europa.

Fazit:

Von 2009 bis heute wurde kein einziges Versprechen gehalten, sämtliche Fristen versäumt oder verschoben und die "Zinsen" an Österreich erstens nur zum Teil und dann auch nur aus weiteren Hilfsgeldern - also wieder mit Geld von uns - zurückbezahlt.

Griechenland hat die EU in die Knie gezwungen und denkt nun nicht mehr daran, sich an die Zusagen zu halten.

Unsere Regierung hat das immer in Abrede gestellt - obwohl die Pleite Griechenlands bereits seit Jahren bekannt ist.

Und diese Leute erzählen uns nun, dass es keinen Ausweg aus dem ESM gibt. Dass das Beste eine zentrale Regierung für Europa sei.
Dass wir alle zusammen nichts wissen und nicht mitreden können und die Wirtschaftsexperten keine Ahnung haben.

Wollen Sie diese Menschen als Vertreter Ihrer Meinung haben?



Ihr Felix