Donnerstag, 16. August 2012

INDECT und TrapWire: unheilige Geschwister einer völligen Überwachung


Liebe Leserinnen und liebe Leser,
eigentlich hätte heute der Artikel zu INDECT und den parlamentarischen Materialien dazu folgen sollen.

Aber die unglaublichen Nachrichten zu TrapWire und die sehr verhaltene Berichterstattung in den österreichischen Medien dazu, machen einen Sonderartikel notwendig. Auch, weil sich die beiden Systeme ähnlich sind, wie ein Ei dem anderen. Den geplanten Artikel darf ich Ihnen dann am kommenden Dienstag (21.08.2012) nachreichen (aufgrund der Neuigkeiten rund um TrapWire muss ich da noch ein paar Zusatzinfos recherchieren und ein paar PolitikerInnen versuchen zu befragen...).

Die Links in diesem Artikel führen Sie teilweise zu Dokumenten, wo die Zugriffe darauf möglicherweise überwacht werden. Ich empfehle daher, sich des TOR-Programms zu bemühen, um diese links zu öffnen (Link zum TOR-Projekt). Lesen Sie nun die Geschichte einer neun Jahre lang andauernden Geheimoperation:



Es hätte nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen sollen, und erstaunliche neun Jahre lang war auch kaum etwas bekannt über „Trapwire“, ein Programm , das der Zusammenführung und Auswertung von Überwachungsdaten dient. Im Jahr 2003 wurde es vom Sicherheitsdienstleister Abraxas Corporation ins Leben gerufen, der unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 von ranghohen ehemaligen Mitarbeitern amerikanischer Geheimdienste gegründet worden war und wird vom umstrittenen privaten Sicherheitsdienstleister Stratfor vertrieben. Ein Kunde ist das Department of Homeland Security, das 832.000 Dollar gezahlt haben soll, um Trapwire in Washington DC und Seattle aufzustellen.

Der Gründer von Abraxas war Richard Helms - Direktor der CIA unter US-President Nixon. Helms war bis 1999 bei der CIA - in diesem Jahr wurde auch die In-Q-Tel von der CIA gegründet: die Beteiligungs- und Investmentfirma der US-Geheimdienstes.

Im November 2006 beschreiben die beiden ehemaligen CIA-Mitarbeiter R. Daniel Botsch und Michael T. Maness, seinerzeit Vizepräsident und Direktor für Antiterroristische Dienstleistungen bei Abraxas, in einem Artikel das System so: „Berichte über verdächtige Bewegungen aus allen Einrichtungen des Trapwire-Netzwerks (Es vernetzt Daten aus Überwachungskameras und soll auffälliges Verhalten feststellen. Etwa, wenn jemand eine Militäreinrichtung fotografiert, oder öfter sein Auto vor selbiger abstellt. Trapwire nimmt dann an, dass er die Einrichtung observiert um später einen Anschlag zu planen.) werden in einer zentralen Datenbank verknüpft und durchlaufen eine Mustererkennung, die nach Hinweisen auf terroristische Ortsausspähungen oder andere Vorbereitungen von Anschlägen sucht.“ .

Die Stärke des Systems liege in der Einfachheit der Datenformate, der Komplexität der automatischen Mustersuche und der Schnelligkeit, mit der verdächtige Geschehnisse das System erreichten. Im Jahr zuvor hatte sich der Vorsitzende des Unternehmens, Richard Helms, sogar damit gebrüstet, das System sei genauer als automatisierte Gesichterkennung.

Anmeldebildschirm von TrapWire


Stratfor - die "Schatten-CIA" - gelangte im Februar 2012 zu ungewollter Berühmtheit, als es mit ansehen musste, wie Millionen interne E-Mails über Wikileaks veröffentlicht wurden. Darin wird auch Trapwire erwähnt. Offenbar wurde dabei schon vor Jahren über den Einsatz in Kalifornien (San Francisco, Los Angeles, zusätzlich zu den bisher schon bekanmnten US-Städten Washington DC, New York, Seattle, Las Vegas) nachgedacht.

Jetzt sind Dokumente aufgetaucht, die den heutigen Entwicklungsstand von Trapwire offenlegen. Wikileaks hat angebliche Unterlagen der Sicherheitsfirma Stratfor veröffentlicht, in denen es um das Überwachungsnetz geht.

Wie aus denen ersichtlich wird , sollen fünfhundert Kameras in New Yorks U-Bahnsystem inzwischen über Trapwire ausgewertet werden (Mail dazu - wobei der New Yorker Polizeisprecher dies in einem Interview vom 14.08.2012 völlig zurückgewiesen hat: "NYPD spokesman Paul Browne has denied that the NYPD uses TrapWire."), neben Geräten etwa in Washington, Los Angeles und Las Vegas - im Nahverkehr, an öffentlichen Plätzen, aber auch in Hotels oder Casinos.
Informationen aus sogenannten Hotline-Programmen fließen mit dazu ein.

Das Weiße Haus und Downing Street sollen zu den Kunden Trapwires/Stratfors zählen, das seit 2007 als eigenes Unternehmen geführt wird (mehr dazu etwas weiter unten).

Neben dem Ausmaß des Überwachungsnetzes, dem Umstand, dass es bislang ohne Wissen von Bürgerrechtlern und Aktivisten betrieben werden konnte, und der möglichen Verflechtung von Sicherheitsdiensten und Privatfirmen ist es vor allem der Fokus der Überwachung, der im Internet für Entsetzen sorgt.

In einer Mail an den Vizepräsidenten des Unternehmens, Fred Burton, beschreibt die Stratfor-Mitarbeiterin Anya Alfano  die Bedürfnisse in San Francisco so: „Sie brauchen etwas wie Trapwire eher für die Bedrohungen durch Aktivisten als für terroristische Bedrohungen. (...) Aktivisten sind hier allgegenwärtig.“ (Mail dazu).

Und in einem Email fragt Stratfor-Vize-Präsident Burton: "Wissen Sie, wieviel Lockhead Martin zahlen würde, um deren Logo/Einspeisung bei der USSS CP, RMCP, MI5, LAPD CT oder NYPD CT eingeblendet zu wissen?" (Anmerkung: Die Abkürzungen in obiger Reihenfolge bedeuten: U.S. Secret Service, the Royal Canadian Mounted Police, the Britisch security service MI5 und die "Counterterrorism" Abteilungen des Los Angeles und des New York Police Department.), was suggeriert, dass TrapWire dort schon im Einsatz ist, oder kurz bevor steht.
Der Satz: "Its unbelievable access." ist hier im Zusammenhang mit den ungalublichen finanziellen und marktpolitischen Möglichkeiten für Stratfor zu verstehen. Und auch der Zusatz: "Either we handle this one right, or we'll fall flat on our faces." ist ein guter Hinweis darauf, dass es hier schon um die Vermarktung geht und Stratfor es selbst in der Hand hat, entweder das ganz große Geld mit TrapWire zu machen, oder - salopp gesagt: auf die Schnauze zu fallen. (Mail dazu)

In einem internen Stratfor-Mail von Burton an hochrangige Mitarbeiter vom Juli 2011 beschreibt er, dass die US Armiy, das Marine Corps und das Pentagon begonnen haben TrapWire zu nutzen und am System angeschlossen sind ("We have the Pentagon, Big Army and the USMC on the system now. Navy's next on the list."  Mail dazu) und die Navy soll der nächste Kunde sein.

In einer Veröffentlichung der Naval Postgraduale School - von  Phillip L. Sanchez Deputy Chief of Police, Santa Monica Police Department, California - aus dem Jahre 2009 wird beschrieben , dass das Los Angeles Joint Regional Intelligence Center (LA-JRIC) TrapWire bereits benutzt.
(Hier das Dokument im Original: calhoun NPS)

Das LA-JRIC ist eines von mehr als siebzig sogenanten "Fusion Centers" des US Heimatschutzministeriums: das sind Einrichtungen, in denen Informationen über terroristische und kriminelle Aktivitäten und Bedrohungen zusammengetragen und zwischen Bundesbehörden, lokalen Behörden und nicht-staatlichen Organisationen ausgetauscht werden. Hier eine Landkarte mit bekannten Standorten: Karte der Fusion Center

Damit ist ganz klar, dass TrapWire auch militärisch und zu geheimdienstlichen Zwecken und nicht nur zur präventiven Vereitelung einzelner Straftaten von einzelnen Straftätern genutzt wird.

Ausserdem soll das System auch die Wohnstätten einiger ehemaliger US-Präsidenten schützen.

Es ist eigentlich unfassbar, dass dieses System mehr als neun Jahre lang wachsen konnte, ohne in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

In einem Mail von Don R. Kuykendall (Präsident von Stratfor) an einen Mitarbeiterim Mai 2009 schreibt Kuykendall, dass sie ein prinzipielles Übereinkommen mit Abraxas haben, um deren Klienten mit Ende Juli 2009 über eine Desktoplösung zu betreuen.
Diese Klienten seien: Scottland Yard, #10 Downing Street, das Weiße Hause und viele multinationale Konzerne. Das Ziel sei es dann weiter, dass auch Unternmehmen wie Wall Mart und Dell eingebunden werden. Hier das Mail dazu.

Ein sehr guter Blog zu dem Thema ist dieser hier: TrapWire-Blog
Und ein kleines Video dazu gibt's natürlich auch:



Nun steht uns INDECT ins Haus, welches genau diese Funktionen von TrapWire alle in sich vereinigen wird / bereits vereinigt. INDECT und TrapWire sind sich mehr als nur ähnlich in der Idee und auch in der Umsetzung. Vielleicht mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass INDECT die Datenbanken verschiedener Staaten untereinander vernetzen soll und die Techniken fortgeschrittener sind: INDECT kann und wird auch Eye-Scans und selbstständige Drohnen einsetzen.

Die parlamentarischen Materialien zu INDECT aus Österreich und den Artikel zur Stellung der österreichischen Regierung zu INDECT darf ich wie bereits angekündigt das nächste Mal nachholen.

Bis zum nächsten Mal, Ihr Felix