Dienstag, 21. August 2012

INDECT – letzter Teil - eine Reise im Parlament: keiner zuständig aber einer zahlt


Liebe Leserinnen und liebe Leser,
nachdem wir uns nun gemeinsam diesen völligen Datenwahnsinn angesehen haben und festgestellt haben, dass:

  1. 1.        INDECT ein bösartiges Krebsgeschwür im Organismus der Freiheit ist,
  2. 2.       Der Überwachungswunsch und das Verlangen nach Kontrolle unserer Regierenden nichts mehr mit dem Urgedanken in unserer Verfassung zu tun hat,
  3. 3.       Ein ähnliches System wie INDECT unter einem anderen Namen – nämlich als TrapWire – bereits im Einsatz ist,
  4. 4.      Es zu INDECT von unseren Regierenden KEINE Stellungnahme der Öffentlichkeit gegenüber vorliegt und schließlich
  5. 5.       INDECT in Kombination mit der EUROGENDFOR ein funktionierendes Instrument der Machtausübung gegen Meinungsäußerungen darstellt,


müssen wir nun den konsequenten nächsten Schritt machen und uns ansehen, was im österreichischen Parlament dazu gesagt und getan wird. Vor allem auch: wie unsere Regierung dazu steht, dass wir unsere Freiheit vollkommen verlieren.

Als Abschluss ziehen wir dann gemeinsam einige logische Schlussfolgerungen und werden uns überlegen, was man tun kann.

So könnte eine der INDECT Control-Center aussehen


In den Medien und im Internet ist das Thema INDECT wenig präsent und die wenigen Artikel dazu geben keinen Aufschluss darüber, was dieses System tatsächlich zu leisten im Stande ist, wer in welcher Form über die Daten verfügt / verfügen wird und wer daran beteiligt ist.

Dabei wurde bereits im Jahre 2010 im Parlament eine Anfrage („das EU-Forschungsprojekt "INDECT" (6443/J)“) an das Bundesministerium für Inneres gestellt, die folgende Fragen beinhaltete:

1.    Ist der Staat Österreich an diesem Projekt beteiligt?
2.    Wenn ja, wie hoch ist der Betrag, mit dem Österreich beteiligt ist?
3.    Aus welchem Budget wird dieser Betrag entnommen?
4.    Stimmt es, dass die Fachhochschule Technikum Wien im „INDECT“-Konsortium vertreten ist?
5.    Stimmt es, dass die burgenländische Firma X-Art ProDivision im „INDECT“-Konsortium vertreten ist?
6.    Wenn ja, wie sind diese zu der Beteiligung gekommen?
7.    War der Staat Österreich an der Vermittlung beteiligt?
8.    Wenn ja, wer zeichnet dafür verantwortlich?
9.    Ist der Staat Österreich an der Finanzierung von deren Mitarbeit beteiligt?
10. Wenn ja, in welcher Höhe?
11. Ist eine künftige Einführung von „INDECT“ in Österreich geplant?
12. Wenn ja, wie lässt sich dieses Projekt mit dem Datenschutzgesetz vereinbaren?
13. Wann ist mit einer Einführung zu rechnen?
14. Wer oder Was sollte durch „INDECT“ überwacht werden?
15. Zu welchem Zweck würde durch „INDECT“ überwacht werden?
16. Würden Betroffene über die Überwachung informiert?
17. Wenn ja, wann würden sie informiert werden?
18. Welche Kosten würden im Falle einer Einführung anfallen?
19. Wären für den Fall der Einführung Gesetzesänderungen notwendig?
20. Wäre für den Fall der Einführung  eine Verfassungsänderung  notwendig?
21. Wer wäre für die Nutzung von „INDECT“ verantwortlich?
22. Welche Personengruppe sollte mit Hilfe von „INDECT“ Überwachungen durchführen?
23. Würden diese Personen noch besonders geschult?
24. Wer würde die Gesetzmäßigkeit der Nutzung überwachen?
25. Ist geplant bei Einführung von „INDECT“ in Österreich unbemannte Drohnen anzukaufen?
26. Wenn ja, gibt es hier Angebote?
27. Welche Kosten würden anfallen?
28. Wie steht dieses Projekt mit dem „Terrorist Finance Tracking Programm“ in Verbindung?

Diese Anfrage wurde am 24.09.2010 eingebracht und am 24.11.2010 (also genau am letzten Tag der Frist – das ist sehr ungewöhnlich) folgende Antwort („Schriftliche Beantwortung (6365/AB)“) übermittelt:

Zu den Fragen 1 bis 3:
Das Bundesministerium für Inneres ist mit dem gegenständlichen Projekt nicht befasst.

Zu den Fragen 4 bis 10 und 28:
Die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Inneres.

Zu den Fragen 11 bis 27:
Das Bundesministerium für Inneres stellt keine diesbezüglichen Überlegungen an.

Kurz gesagt, da hat jemand den Fragestellern das Hinterteil ins Gesicht gehalten....

Also wurde am 14.12.201 eine neuerliche Anfrage („Anfrage zur Anfragebeantwortung zum Thema EU-Forschungsprojekt "INDECT" (7111/J)“) zu dieser Beantwortung eingebracht, mit diesen Fragen:

1.    Wer oder welche Institution ist in Österreich mit dem Forschungsprojekt „INDECT“ befasst?
2.    In wessen Vollzugsbereich in Österreich oder in den welcher Institution fällt das Forschungsprojekt „INDECT“?
3.    Wer oder welche Institution in Österreich sollte ihrer Meinung nach diesbezüglich Überlegungen anstellen?
4.    Wer oder welcher Institution ist in Österreich für die Wahrung von Bürgerrechten zuständig?
5.    Werden diese Entscheidungen demnach noch in Österreich oder schon in den zuständigen Stellen in der EU getroffen?

Die Antwort dazu kam dann wieder am letzten Tag der Antwortfrist zur Zahl 7035/AB:

Zu den Fragen 1 bis 3 und 5:
Es wird auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 4688/J durch die Frau Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie verwiesen.

Zu Frage 4:
Es wird auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 7113/J durch den Herrn Bundeskanzler verwiesen.

Was für ein Irrlauf. Also sehen wir uns eben die Beantwortung des Herrn Bundeskanzler Faymann an, wenn uns schon die Frau Fekter die Antwort verweigert.
Und die lautete:
„Das Bundeskanzleramt ist mit dem Forschungsprojekt „INDECT“ nicht befasst. Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 4688/J durch die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.“

Na dann, auf zur Frau Bundesministerin und nachfragen. Und da kam dann folgende Anfragebeantwortung aus dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (dort hat man übrigens bereits am 25.02.2010 – also mehr als ein halbes Jahr vor der Anfrage bei Frau Fekter angefragt und die Antwort kam – wen wundert‘s noch, am letzten Tag der Antwortfrist..):
Beantwortung zur Zahl 4654/AB vom 25.04.2010 

Fragen:
  1. .  Welche Bundesministerien und andere Stellen in Österreich sind am Projekt INDECT beteiligt?
  2. .  Seit wann wird in Österreich am Projekt INDECT (mit)gearbeitet?
  3. .  In welcher Form arbeitet Österreich an diesem Projekt mit?
  4. .  Welche Daten hat Österreich bislang für das Projekt zur Verfügung gestellt?
  5. .  Welche Daten sollen im Zuge dieses Projekts künftig zur Verfügung gestellt werden?
  6. .  Wie hoch waren die finanziellen Mittel, die 2009 in das Projekt INDECT geflossen sind und wer
  7. hat diese Mittel aufgebracht?
  8. .  Wie hoch sind die finanziellen Mittel, die 2010 bzw. in den Folgejahren in das Projekt INDECT
  9. fließen werden und wer wird diese Mittel aufbringen?
  10. .  In welcher Form ist Ihr Ministerium konkret an diesem Projekt beteiligt?
  11. .  Was ist das Ziel des Projekts INDECT?
  12. .  Welche Vorteile erhofft sich Ihr Ministerium durch die Mitarbeit am Projekt INDECT?
  13. .  Welche Vorteile erhofft sich Österreich durch die Mitarbeit am Projekt INDECT?
  14. .  Inwieweit sind die einzelnen Bürger direkt von INDECT betroffen?
  15. .  Welche Auswirkungen auf den Datenschutz insgesamt gesehen hat INDECT?
  16. .  Welche Auswirkungen auf die Privatsphäre des Einzelnen hat INDECT?


Antworten:
Das Projekt INDECT wird im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen
Union (EU), Programmlinie Sicherheit („Europäisches Sicherheitsforschungsprogramm“) gefördert
und startete mit 1. Jänner 2009.
Laut Projektbroschüre der Europäischen Kommission (EK) vom Mai 2009 sind an dem
gegenständlichen Projekt  die Fachhochschule Technikum Wien und Firma X-Art Pro Division GmbH
als Projektpartner beteiligt, die administrative Abwicklung des Forschungsförderungsprojekts liegt im
Verantwortungsbereich der EK. Die Konsortialführerschaft im Projekt wird von einer polnischen
Universität (AGH – University of Science and Technology, Krakau) wahrgenommen.
Eine Beteiligung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie ist nicht gegeben.

Na zumindest kann sich da wer daran erinnern, dass  es doch ein Projekt INDECT gibt – ist ja schon einmal ein Fortschritt.

Aber die Frage nach den Geldmitteln und den Kompetenzen ist noch immer nicht geklärt – nur, dass es INDECT gibt...

Alle übrigen Ressorts antworten wie folgt:
„Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 4688/J durch
die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.“

Alles hüllt sich in Schweigen? Nein, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hat da schon ein paar Antworten parat, die von den Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien geflissentlich „übersehen“ wird:
(die Fragen wurde gestellt in der Anfrage Nr. 6305/J-NR/2010 betreffend  „INDECT –
Projektpartnerschaft  – Österreichische Projektförderung?“)
Antworten:
„Laut Mitteilung der Fachhochschule  Technikum Wien werden für das Projekt „INDECT“ keine
Mittel aus der Bundesförderung  für den Fachhochschulbetrieb  in Anspruch genommen.  Die Studienplätze der Fachhochschule Technikum Wien wurden im Jahr 2009 mit 
€ 14,620.000,-- gefördert, in der Zeit von Jänner  2010 bis September 2010 betrug diese
Förderung € 14,388.604,--.“

Aha, also, die Bundesförderung wurde für INDECT nicht in Anspruch genommen, aber die dafür aufgewendeten Studienplätze wurden dann doch gefördert... So etwas nennt man dann wohl eine „elegante Lösung“, nicht wahr?

How ever, sehen wir uns dazu den Bundesrat einmal an – da wird ja vielfach offener diskutiert (weil die Öffentlichkeit nicht so ein Augenmerk darauf hat):
Ich stelle hier das Stenografische Protokoll 1:1 rein – damit jeder sich selbst ein Bild machen kann (nachzulesen hier: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ_00797/SEITE_0025.html):

„10.05
Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Jachs spricht von Gefahren. Kollege Todt fragt: Wie werden wir in 20 Jahren leben? Meine Sorge ist, wie viel Freiheit wir in 20 Jahren haben werden (Bundesrat Todt: Wenn wir regieren, haben wir die Freiheit weiter!), wenn ich an das Forschungsprogramm INDECT denke. INDECT, meine Damen und Herren, ist ein Forschungsprogramm der Europäischen Union und steht für das totale Überwachungssystem. (Bundesrat Kraml: Wovor fürchtest du dich schon wieder?)

Wissenschaftler, Polizeibehörden, Wirtschaftsunternehmen arbeiten seit dem Jahre 2009 unter Hochdruck an einem Überwachungssystem zur Bespitzelung der Bevölke­rung. Automatische Datenscanner untersuchen Internettexte, Meinungsäußerungen, während eine Software in Verbindung (Bundesrat Todt: Das meinst du aber nicht ernst, oder?) – das ist ein Forschungsprogramm der EU! – mit Kameras und Beobachtungsdrohnen verdächtiges Verhalten im öffentlichen Raum erkennen. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Stadler.) Durch biometrische Daten, Autokennzeichen, GPS-Daten von Mobiltelefonen können Personen erkannt, im Internet wiedergefunden und über Bewegungsprofile verfolgt werden. (Bundesrat Gruber: Das haben wir schon! Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben!)

Zusammen mit der bereits genehmigten Vorratsdatenspeicherung, den Volkszäh­lungen, den biometrischen Personalausweisen und Reisepässen und den Aktivitäten der Grenzschutzorganisation Frontex entsteht die größte Überwachungsoffensive, die es je gegeben hat. (Bundesrat Todt: Frau Bundesministerin Bures ist aber nicht die Frau Innenministerin!) – Das ist ein Forschungsprojekt der EU! (Bundesrat Gruber: Geht es um Forschung? Vielleicht einmal zum Thema! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieser Forschungsauftrag der Europäischen Union ist mit 15 Millionen € budgetiert. Obwohl die Regierungen derartige Forschungen abstreiten, sind daran folgende Organisationen beteiligt: die Berg- und Hüttenakademie Krakau, die Technische Uni­versität Danzig, die Universität in Madrid, die Technische Universität Sofia, die Bergi­sche Universität Wuppertal, die Universität New York, die Technische Universität Košice, die Technische Universität Ostrava und die Fachhochschule Technikum Wien (Zwischenruf des Bundesrates Mayer) sowie die Firmen InnoTec DATA GmbH & Co. KG und X-ART ProDivison.

Die INDECT-Dateien speichern und analysieren automatisch Texte von Nachrichtenseiten, von Blogs, von Kommentaren, von P2P-Netzwerken, von Sozialnetzen, Foren, Chats und dem Usenet. Dieses Projekt muss als ein Traum der Europäischen Union vom Polizeistaat bezeichnet werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bundesrat Mayer: Das sagt ein Polizist?!) – Ja, leider muss das ein Polizist sagen.

Begriffe wie Unschuldsvermutung und gerichtsfester Beweis werden in Zukunft keine Bedeutung mehr haben. Im Rahmen der „Zeit im Bild“ wurden Kritiker zitiert, die der Meinung waren, die zunehmende Datenspeicherung helfe nicht bei der Verbrechens­bekämpfung, sondern am Ende dieses Forschungsprojektes steht der gläserne Mensch. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Im öffentlichen Raum, also auf der Straße, auf Plätzen, in öffentlichen Gebäuden, Bahnhöfen, Flughäfen nutzt das INDECT-System die Signale aus bereits vorhandenen Überwachungskameras, um automatisch abnormales Verhalten festzustellen. Gleich­zeitig werden kleine, mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren ausgestattete Drohnen eingesetzt, um verdächtige Personen zu verfolgen. Durch einen auto­matischen Ab­gleich mit hinterlegten biometrischen Daten wird die Identität der Personen soforterkannt. (Bundesrat Gruber: Welchen Zukunftsroman liest du gerade?) – Kollege, Sie sollten sich erkundigen, was INDECT bedeutet, was hier erforscht wird, was hier auf uns zukommt!

Diese Forschungen haben bereits 2009 begonnen, und schon im Jahre 2012 wird ein Feldversuch gestartet werden. (Bundesrat Gruber: Im Jahr 2012 geht die Welt sowie­so unter!) – Dann liest du die falschen Zeitungen!

Die Werkzeuge dieser totalitären Europaregierung sind die Vorratsdatenspeicherung, die Volkszählungsdaten, Frontex und diese INDECT-Software. Das hier entstehende Szenario ist eine Horrorvision. (Bundesrat Gruber: Ja!)

Wer jetzt glaubt, dass dieses Szenario erst in ferner Zukunft umgesetzt wird, der irrt: Bereits in einem Jahr ... (Bundesrat Gruber: Bis 2012 ist es auch nicht mehr so lange! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Terror- und Kriminalitätsbekämpfung (Bundesrat Gruber – in Richtung Bundesrätin Mühlwerth –: Wieso habt ihr eure Handys noch nicht weggeschmissen? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) wird hier unter den Augen der Öffentlichkeit ein konsequentes System von Überwachungs- und Kontrollmechanismen installiert. (Bundesrat Todt: Ist das nicht die falsche Rede gewesen? Die Vorratsdatenspeicherung haben wir schon hinter uns! Das ist die falsche Rede!)

Liebe Kollegen! Für den Widerstand wird das bald zu wenig sein. Ist dieses System erst einmal installiert, finanziert, entwickelt und getestet, wird es auch eingesetzt werden.

Sehr geehrte Frau Minister! Sorgen Sie dafür, dass keine weiteren finanziellen Mittel oder Daten aus Österreich für dieses System zur Verfügung gestellt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
10.11

Präsident Gottfried Kneifel: Für eine abschließende Stellungnahme hat sich noch­mals Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Bures zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

10.12
Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs wirklich für diese Diskussion bedanken. Ich denke, dass die Debatte doch gezeigt hat, wie wichtig Forschung und Technologieentwicklung sind.

Ich finde es ein bisschen schade, dass es bei solch einem wichtigen Thema – und es ist gesagt worden, das ist sozusagen ein Rot-Weiß-Rot-Thema – keinen wirklichen Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg geben kann, denn, wie gesagt, ich glaube, es müsste unser gemeinsames Anliegen sein, den Wirtschaftsstandort Öster­reich zu stärken und, wie gleichfalls bereits gesagt, damit auch für hochqualitative Be­schäftigung in unserem Land zu sorgen.

Ich möchte kurz auf ein paar Punkte eingehen, die in der Debatte gekommen sind.

Der erste – er kam jetzt auch abschließend – betrifft die Frage von Chancen und Risken von neuen Technologien. Ja, es ist so, dass neue Technologien in vielen Fällen auch Risken in sich bergen, und es ist Aufgabe auch der Politik, darauf zu achten, dass diese Risken so gering wie möglich gehalten werden. Daher haben wir, habe ich auch bei gesetzlichen Regelungen – weil das auch angesprochen wurde – im Bereich der Vorratsdatenspeicherung sehr darauf geachtet, dass wir mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte den höchsten Schutz der Privatsphäre, der dabei zu verankern möglich ist, auch verankern.  Aber erlauben Sie mir, neben den Risken, im Bereich derer wir, wie gesagt, alles tun müssen, um zu versuchen, diese so gering wie möglich zu halten, auch die Chancen der neuen Technologien anzusprechen.

Wenn wir über Verkehrspolitik reden, über die Sicherung von Kreuzungen, über die Sicherung von Schutzwegen für unsere Kinder, dann reden wir oft darüber, ob wir dort nicht Videoüberwachungen vornehmen sollten, damit unsere Kinder besser geschützt sind, damit die Autofahrer davor abgeschreckt werden, bei Schutzwegen nicht abzu­bremsen, weil sie dann auch einer Kontrolle unterliegen und dafür bestraft werden, dass sie möglicherweise unschuldige Kinder auf dem Weg in die Schule gefährden. Das sind die Chancen!

Und die Chancen enden natürlich nicht bei den kleinen Bereichen von neuen Tech­nologien, sondern setzen sich über Navigationssysteme und Ähnlichem fort, beispiels­weise im täglichen Leben, wo wir einen demografischen Wandel in Österreich haben, indem wir zum Glück immer älter werden. Wir wollen auch immer länger in unseren eigenen vier Wänden leben, und die Informations- und Kommunikationstechnologien können dazu führen, dass ältere Menschen mit Unterstützung moderner Technologien länger zu Hause leben und ihr Leben meistern können. – Das sind die Chancen moderner Technologien.

Und ich glaube, wir haben, was neue Technologien im Bereich der Kommunikationstechnologien betrifft, in den letzten Monaten eine der größten Chancen gesehen, nämlich die Chance, dass diese Welt demokratischer wird, die Chance, dass man in Ländern, in denen es Medienzensur, in denen es keine Pressefreiheit gibt, demo­kra­tische Entwicklungen mit modernen Informationstechnologien unterstützen kann.

Die Risken sind nicht zu leugnen, aber die Augen vor den Chancen neuer Techno­logien zu verschließen, ist rückwärtsgewandt, und das lehne ich ab. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der zweite Punkt ist die Frage: Wer ist zuständig für Forschung und Technologieentwicklung? Sind das mehrere Ressorts? – Ja, das sind mehrere Ressorts, und ich glaube, Forschung und Technologieentwicklung ist eben so ein Bereich, der eine klassische Querschnittsmaterie ist, für den sich ja auch alle zuständig fühlen müssen!

Und weil Sie gesagt haben, ich habe einen Kindergarten eröffnet: Dann war das ein Kindergarten mit einer Forschungs- und Technologiegruppe! Die Jungen, die Kinder – jedes Kind mit drei, vier Jahren – hat Interesse an Bewegung, wenn Lichter leuchten, wenn sich irgendetwas bewegt, hat Interesse an naturwissenschaftlichen, technischen Prozessen, und dann geht dieses Interesse verloren und dann haben wir die Kinder nicht an den Universitäten und haben sie nicht an den HTLs, und generell gibt es viel zu wenige Frauen in diesem Bereich. Deshalb machen wir solche Dinge! Und das ist auch ein Beispiel dafür, dass Forschung und Technologieentwicklung uns unser ganzes Leben in allen gesellschaftlichen Bereichen und Politikbereichen begleiten muss. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Und daher geht es nicht darum: Ist der Wissenschaftsminister zuständig? – Ja, für die Grundlagenforschung an den Universitäten. – Bin ich für Technologie zuständig, wo es darum geht, Unternehmen zu unterstützen, damit sie innovative Produkte entwickeln können? – Ja! Worum es geht, ist, dass wir gut zusammenarbeiten. Wir haben gemein­sam die Forschungsstrategie 2020 entwickelt, und das ist die Basis für eine gute Zusam­menarbeit, um da auch erfolgreich sein zu können, so wie das bei Querschnittsmaterien auch sonst immer der Fall ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)“

Aus dem Bundesrat, wie gesagt und zwar aus der 797. Sitzung, die am 01.06.2011 stattgefunden hat.

Jetzt muss ich eine Passage der Frau Bundesministerin kommentieren:
Sie sagt ja, dass sie glaubt, dass der Einsatz unter anderem von INDECT dazu führt, dass es eine demokratische Entwicklung und Pressefreiheit gibt....
Ich habe dazu einen kurzen Kommentar:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wenn Sie die Möglichkeit zur völligen Kontrolle jeder Österreicherin und jedes Österreichers – und zwar unter Generalverdacht (VDS und INDECT) – als Mittel zur Pressefreiheit und zur demokratischen Entwicklung sehen, dann müssen Sie auf der Stelle zurücktreten und sich einer Untersuchung Ihres Geisteszustandes unterziehen. Sie sind eine Gefahr für die Menschen in diesem Land.

Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Die logische Konsequenz aus dem, was wir bis dato erfahren haben:

Unsere Regierung will uns um jeden Preis und als Vorreiter überwachen, jeden Weg wissen, den wir planen und unsere Denkweise im Voraus erkunden.
Dafür läuft sie in vorauseilendem Gehorsam und unter dem Mantel der Terrorgefahr den USA nicht nur hinterher, sondern treibt andere Partnerländer geradezu an.
Unsere Regierung weiß sehr wohl um die Allmacht dieses Systems und hat sich nicht gegen die Einführung (so, wie Polen und Deutschland) ausgesprochen. Im Gegenteil sind auf Anfrage im Plenum, ob man da jetzt nicht gleiches Tun sollte, die windigen Beantwortungen gekommen, die wir schon kennen.

Fakt ist, dass eine der logischen Konsequenzen aus INDECT in Kombination mit der Vorratsdatenspeicherung und den Möglichkeiten der EUROGENDFOR  ein unglaublich mächtiges Werkzeug geschaffen wurde, dass zur Kontrolle und Niederschlagung von Demonstrationen, Unruhen und aktiven Meinungsäußerungen geschaffen wurde. Und: natürlich zur „Früherkennung“ solcher – für die Regierungen in der ganzen Welt – unangenehmen „Zusammenkünften.
Und wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, dann, dass es auch zur Verwendung solcher Machtinstrumente kommt.

Informative Plattformen, die systemkritisch sind, sind in Gefahr und unter Kontrolle, ebenso, wie freier Journalismus, der nicht systemfreundlich berichtet.
Natürlich werden auch echte Gauner davon betroffen sein – aber das ist dann die Minderheit und vielleicht einmal 0,5 % tatsächliche Gesetzesbrecher taugen da nicht als Rechtfertigungsgrund für die restlichen 99,5 % der Bevölkerung. Diese Zahl ergibt aus den tatsächlichen Verurteilungen im Jahre 2011 (gerichtliche Kriminalstatistik), wo alle Arten der Verurteilung aufgenommen sind (also auch die bedingten Strafen, Geldstrafen, teilbedingten Strafen, usw..), welche 36461 betragen haben. Demgegenüber stehen dann die restlichen 8.367.791 Österreicherinnen und Österreicher, die keine Verurteilung erfahren haben. (Quelle: Statistik Austria)

Also, was soll der abgekartete Blödsinn von wegen: es wird immer schlimmer und die Kriminalität steigt?
Tatsächlich hat es seit 1980 einen massiven Rückgang in den Verurteilungen gegeben:
Von insgesamt 83.626 auf die eben erwähnten 36.461 im Jahre 2011!
Wer soll da noch seriös von einem Ansteigen reden? Alleine zwischen 2010 und 2011 sind die Verurteilungen um rund 2000 zurückgegangen!
Oder will mir jetzt jemand weiß machen, die Gauner wären um so viel klüger geworden und die Ermittler und Staatsanwälte samt Richter um so viel dümmer, als dass es nicht zu mehr Verurteilungen gereicht hätte?
Und eines ist ja wohl klar:
1980 bis 2004 war weder INDECT noch überhaupt Ermittlungen im Cyberbereich ein Thema... nicht das da jetzt wer sagt: „An dieser Verbesserung war ja eine vermehrte Kontrolle – wie bei INDECT – schuld!“.

Bitte mich nicht falsch zu verstehen:
Natürlich müssen die Behörde und auch die Regierung mit der Zeit gehen und danach trachten, wirksame Werkzeuge zur Verbrechensbekämpfung zu erschaffen und zur Verfügung zu haben. Aber doch wohl keines, das generell alle unter Verdacht stellt und bis auf die Unterhosen durchleuchtet!
Passend dazu die gerade aktuelle Wahnsinneinrichtung des portablen Laserscanners, der auf eine Entfernung bis 50 Meter erkennen kann, ob Sie gerade einen erhöhten Adrenalinausstoß haben und vielleicht Angst empfinden – was bei einem Flughafen dazu führt, dass man Sie aus der Menge herauspicken wird und dementsprechend genau befragen wird – DAS IST KEIN SPASS – DIESES TEIL WIRD SCHON EINGESETZT!

Cui bono ? – Wem gereicht's zum Vorteil ?

Es stellt sich schließlich die Frage, wer welchen Nutzen aus diesen Projekten hat. Einerseits geht es natürlich um Sicherheit. Die Frage stellt sich allerdings, um welche Art von Sicherheit es sich dabei handelt: „Bürgersicherheit“ oder „Staatssicherheit“, denn diese beiden müssen nicht zwangsläufig identisch miteinander sein. Wenn die Menschen in einem Staat von Geburt an als potenzielle Kriminelle angesehen werden und wenn dann auch noch intensiv an Technologien zur Überwachung dieser Menschen geforscht wird, dann ist es äußerst fraglich, inwieweit all diese Maßnahmen schlussendlich wirklich der Sicherheit der Bürger dienen werden. Man könnte auch auf die Idee kommen, dass der Staat immer mehr Schutz vor seinen Staatsbürgern haben zu wollen scheint.
Ein weiterer wichtiger Aspekt an der Forschung an all diesen sicherheitsbezogenen Projekten ist natürlich aber auch Geld bzw. Wirtschaftlichkeit. Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen geht etwa von einem Umsatzpotenzial für Sicherheitstechnologien und Sicherheitsdienstleistungen allein in Deutschland in Höhe von 31 Milliarden € bis 2015 aus. Der globale Markt für “Homeland Defense” wird sich nach Schätzungen des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts von 2005 bis 2015 auf 178 Milliarden US-Dollar vervierfachen. Rund 20% davon würden vom Sektor “Geheimdienstliche Aufklärung” abgeschöpft
Da Sicherheit und Katastrophenschutz nicht gerade zu den Themen gehören, die in den meisten europäischen Ländern auf ein wohlwollendes Interesse in der Öffentlichkeit und der Politik treffen, hat jede Warnung vor “erhöhter Terrorgefahr” den Beigeschmack einer kostenlosen Werbung für die Sicherheitsindustrie und die Förderung von Projekten der Industrie lassen sich ohne Frage als Subvention bezeichnen. Es geht also nicht allein um das Offensichtliche – Kontrolle und Überwachung der Menschen – sondern ebenso, vielleicht sogar noch mehr, um ökonomische Belange. Oder anders ausgedrückt: das Ganze ist ein Milliardengeschäft das sich keiner entgehen lassen will.
Und es ist ja auch ein wahrhaft gutes Geschäft mit glänzenden Profitaussichten und geringem Risiko: Erst beteiligen sich die Steuerzahler in der EU großzügig an der Finanzierung von diesen neuen Überwachungstechnologien, und wenn diese dann erst ausgereift und einsatzbereit sind, werden sie an verschiedene Behörden und Sicherheitsagenturen innerhalb der EU-Staaten – wiederum durch Steuergelder finanziert – weiterverkauft, um dann anschließend zur Kontrolle und Überwachung jener eingesetzt zu werden, die diese Technologien von Anfang an mitfinanziert haben: eben wieder die Steuerzahler. Die Anschaffung dieser Technologien und Werkzeuge wird den EU-Bürgern von den Regierungen als unerlässlich zur Wahrung ihrer eigenen Sicherheit verkauf werden und so wird ihnen dann weisgemacht, sie würden durch Projekte wie INDECT in Form von mehr und höherer Sicherheit profitieren, während die Sicherheitsindustrie in Form von Milliardengewinnen daran profitieren wird.


Wollen Sie das?

Ich nicht. Lassen Sie uns gemeinsam etwas Sinnvolles dagegen tun.

Am kommenden Sonntag werde ich Ihnen einige Möglichkeiten aufzeigen, wie man sich effektiv dagegen wehren kann.
Dazwischen darf ich Ihnen wieder ein wenig aus dem Parlament erzählen und was nun mit dem ESM wird / geworden ist (da kommt INDECT ja gerade „richtig“, nicht wahr?).

Ihr Felix

PS: Wenn Sie einen Vorschlag haben, schicken Sie mir diesen zu: augeundohren@gmail.com