Liebe Leserinnen und liebe Leser,
nachdem wir uns nun gemeinsam diesen völligen Datenwahnsinn angesehen
haben und festgestellt haben, dass:
- 1. INDECT ein bösartiges Krebsgeschwür im Organismus der Freiheit ist,
- 2. Der Überwachungswunsch und das Verlangen nach Kontrolle unserer Regierenden nichts mehr mit dem Urgedanken in unserer Verfassung zu tun hat,
- 3. Ein ähnliches System wie INDECT unter einem anderen Namen – nämlich als TrapWire – bereits im Einsatz ist,
- 4. Es zu INDECT von unseren Regierenden KEINE Stellungnahme der Öffentlichkeit gegenüber vorliegt und schließlich
- 5. INDECT in Kombination mit der EUROGENDFOR ein funktionierendes Instrument der Machtausübung gegen Meinungsäußerungen darstellt,
müssen wir nun den konsequenten nächsten Schritt machen und
uns ansehen, was im österreichischen Parlament dazu gesagt und getan wird. Vor allem
auch: wie unsere Regierung dazu steht, dass wir unsere Freiheit vollkommen
verlieren.
Als Abschluss ziehen wir dann gemeinsam einige logische
Schlussfolgerungen und werden uns überlegen, was man tun kann.
So könnte eine der INDECT Control-Center aussehen |
In den Medien und im Internet ist das Thema INDECT wenig
präsent und die wenigen Artikel dazu geben keinen Aufschluss darüber, was
dieses System tatsächlich zu leisten im Stande ist, wer in welcher Form über
die Daten verfügt / verfügen wird und wer daran beteiligt ist.
Dabei wurde bereits im Jahre 2010 im Parlament eine Anfrage („das
EU-Forschungsprojekt "INDECT" (6443/J)“) an das
Bundesministerium für Inneres gestellt, die folgende Fragen beinhaltete:
1. Ist der Staat Österreich an diesem Projekt beteiligt?
2. Wenn ja, wie hoch ist der Betrag, mit dem Österreich beteiligt ist?
3. Aus welchem Budget wird dieser Betrag entnommen?
4. Stimmt es, dass die Fachhochschule Technikum Wien im „INDECT“-Konsortium vertreten ist?
5. Stimmt es, dass die burgenländische Firma X-Art ProDivision im „INDECT“-Konsortium vertreten ist?
6. Wenn ja, wie sind diese zu der Beteiligung gekommen?
7. War der Staat Österreich an der Vermittlung beteiligt?
8. Wenn ja, wer zeichnet dafür verantwortlich?
9. Ist der Staat Österreich an der Finanzierung von deren Mitarbeit beteiligt?
10. Wenn ja, in welcher Höhe?
11. Ist eine künftige Einführung von „INDECT“ in Österreich geplant?
12. Wenn ja, wie lässt sich dieses Projekt mit dem Datenschutzgesetz vereinbaren?
13. Wann ist mit einer Einführung zu rechnen?
14. Wer oder Was sollte durch „INDECT“ überwacht werden?
15. Zu welchem Zweck würde durch „INDECT“ überwacht werden?
16. Würden Betroffene über die Überwachung informiert?
17. Wenn ja, wann würden sie informiert werden?
18. Welche Kosten würden im Falle einer Einführung anfallen?
19. Wären für den Fall der Einführung Gesetzesänderungen notwendig?
20. Wäre für den Fall der Einführung eine Verfassungsänderung notwendig?
21. Wer wäre für die Nutzung von „INDECT“ verantwortlich?
22. Welche Personengruppe sollte mit Hilfe von „INDECT“ Überwachungen durchführen?
23. Würden diese Personen noch besonders geschult?
24. Wer würde die Gesetzmäßigkeit der Nutzung überwachen?
25. Ist geplant bei Einführung von „INDECT“ in Österreich unbemannte Drohnen anzukaufen?
26. Wenn ja, gibt es hier Angebote?
27. Welche Kosten würden anfallen?
28. Wie steht dieses Projekt mit dem „Terrorist Finance Tracking Programm“ in Verbindung?
Diese Anfrage wurde am 24.09.2010 eingebracht und am
24.11.2010 (also genau am letzten Tag der Frist – das ist sehr ungewöhnlich)
folgende Antwort („Schriftliche Beantwortung (6365/AB)“) übermittelt:
Zu den
Fragen 1 bis 3:
Das
Bundesministerium für Inneres ist mit dem gegenständlichen Projekt nicht
befasst.
Zu den
Fragen 4 bis 10 und 28:
Die Beantwortung
dieser Fragen fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für
Inneres.
Zu den
Fragen 11 bis 27:
Das
Bundesministerium für Inneres stellt keine diesbezüglichen Überlegungen an.
Kurz gesagt, da hat jemand den Fragestellern das Hinterteil
ins Gesicht gehalten....
Also wurde am 14.12.201 eine neuerliche Anfrage („Anfrage
zur Anfragebeantwortung zum Thema EU-Forschungsprojekt "INDECT" (7111/J)“)
zu dieser Beantwortung eingebracht, mit diesen Fragen:
1. Wer oder welche Institution ist in Österreich mit dem Forschungsprojekt „INDECT“ befasst?
2. In wessen Vollzugsbereich in Österreich oder in den welcher Institution fällt das Forschungsprojekt „INDECT“?
3. Wer oder welche Institution in Österreich sollte ihrer Meinung nach diesbezüglich Überlegungen anstellen?
4. Wer oder welcher Institution ist in Österreich für die Wahrung von Bürgerrechten zuständig?
5. Werden diese Entscheidungen demnach noch in Österreich oder schon in den zuständigen Stellen in der EU getroffen?
Die Antwort dazu kam dann wieder am letzten Tag der Antwortfrist
zur Zahl 7035/AB:
Zu den
Fragen 1 bis 3 und 5:
Es wird auf die
Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 4688/J durch die Frau Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie verwiesen.
Zu Frage 4:
Es wird auf die Beantwortung
der parlamentarischen Anfrage 7113/J durch den Herrn Bundeskanzler verwiesen.
Was für ein Irrlauf. Also sehen wir uns eben die Beantwortung
des Herrn Bundeskanzler Faymann an, wenn uns schon die Frau Fekter die Antwort
verweigert.
Und die lautete:
„Das Bundeskanzleramt ist mit dem Forschungsprojekt „INDECT“
nicht befasst. Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage
4688/J durch die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.“
Na dann, auf zur Frau Bundesministerin und nachfragen. Und
da kam dann folgende Anfragebeantwortung aus dem Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie (dort hat man übrigens bereits am 25.02.2010 – also mehr
als ein halbes Jahr vor der Anfrage bei Frau Fekter angefragt und die Antwort
kam – wen wundert‘s noch, am letzten Tag der Antwortfrist..):
Beantwortung zur Zahl 4654/AB vom 25.04.2010
Fragen:
- . Welche Bundesministerien und andere Stellen in Österreich sind am Projekt INDECT beteiligt?
- . Seit wann wird in Österreich am Projekt INDECT (mit)gearbeitet?
- . In welcher Form arbeitet Österreich an diesem Projekt mit?
- . Welche Daten hat Österreich bislang für das Projekt zur Verfügung gestellt?
- . Welche Daten sollen im Zuge dieses Projekts künftig zur Verfügung gestellt werden?
- . Wie hoch waren die finanziellen Mittel, die 2009 in das Projekt INDECT geflossen sind und wer
- hat diese Mittel aufgebracht?
- . Wie hoch sind die finanziellen Mittel, die 2010 bzw. in den Folgejahren in das Projekt INDECT
- fließen werden und wer wird diese Mittel aufbringen?
- . In welcher Form ist Ihr Ministerium konkret an diesem Projekt beteiligt?
- . Was ist das Ziel des Projekts INDECT?
- . Welche Vorteile erhofft sich Ihr Ministerium durch die Mitarbeit am Projekt INDECT?
- . Welche Vorteile erhofft sich Österreich durch die Mitarbeit am Projekt INDECT?
- . Inwieweit sind die einzelnen Bürger direkt von INDECT betroffen?
- . Welche Auswirkungen auf den Datenschutz insgesamt gesehen hat INDECT?
- . Welche Auswirkungen auf die Privatsphäre des Einzelnen hat INDECT?
Antworten:
Das Projekt INDECT wird im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen
Union (EU), Programmlinie Sicherheit („Europäisches Sicherheitsforschungsprogramm“) gefördert
und startete mit 1. Jänner 2009.
Laut Projektbroschüre der Europäischen Kommission (EK) vom Mai 2009 sind an dem
gegenständlichen Projekt die Fachhochschule Technikum Wien und Firma X-Art Pro Division GmbH
als Projektpartner beteiligt, die administrative Abwicklung des Forschungsförderungsprojekts liegt im
Verantwortungsbereich der EK. Die Konsortialführerschaft im Projekt wird von einer polnischen
Universität (AGH – University of Science and Technology, Krakau) wahrgenommen.
Eine Beteiligung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie ist nicht gegeben.
Na zumindest kann sich da wer daran erinnern, dass es doch ein Projekt INDECT gibt – ist ja schon
einmal ein Fortschritt.
Aber die Frage nach den Geldmitteln und den Kompetenzen ist
noch immer nicht geklärt – nur, dass es INDECT gibt...
Alle übrigen Ressorts antworten wie folgt:
„Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen
Anfrage Nr. 4688/J durch
die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und
Technologie.“
Alles hüllt sich in Schweigen? Nein, das Bundesministerium
für Wissenschaft und Forschung hat da schon ein paar Antworten parat, die von
den Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien geflissentlich „übersehen“
wird:
(die Fragen wurde gestellt in der Anfrage Nr. 6305/J-NR/2010
betreffend „INDECT –
Projektpartnerschaft
– Österreichische Projektförderung?“)
Antworten:
„Laut Mitteilung der Fachhochschule Technikum Wien werden für das Projekt
„INDECT“ keine
Mittel aus der Bundesförderung für den Fachhochschulbetrieb in Anspruch genommen. Die Studienplätze der Fachhochschule
Technikum Wien wurden im Jahr 2009 mit
€ 14,620.000,-- gefördert, in der Zeit von Jänner 2010 bis September 2010 betrug diese
Förderung € 14,388.604,--.“
Aha, also, die Bundesförderung wurde für INDECT nicht in
Anspruch genommen, aber die dafür aufgewendeten Studienplätze wurden dann doch
gefördert... So etwas nennt man dann wohl eine „elegante Lösung“, nicht wahr?
How ever, sehen wir uns dazu den Bundesrat einmal an – da wird
ja vielfach offener diskutiert (weil die Öffentlichkeit nicht so ein Augenmerk darauf
hat):
Ich stelle hier das Stenografische Protokoll 1:1 rein –
damit jeder sich selbst ein Bild machen kann (nachzulesen hier: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ_00797/SEITE_0025.html):
„10.05
Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kollege Jachs spricht von Gefahren. Kollege Todt fragt: Wie werden wir
in 20 Jahren leben? Meine Sorge ist, wie viel Freiheit wir in 20 Jahren haben
werden (Bundesrat Todt: Wenn wir regieren, haben wir die Freiheit weiter!),
wenn ich an das Forschungsprogramm INDECT denke. INDECT, meine Damen und
Herren, ist ein Forschungsprogramm der Europäischen Union und steht für das
totale Überwachungssystem. (Bundesrat Kraml: Wovor fürchtest du dich schon
wieder?)
Wissenschaftler, Polizeibehörden, Wirtschaftsunternehmen
arbeiten seit dem Jahre 2009 unter Hochdruck an einem Überwachungssystem zur
Bespitzelung der Bevölkerung. Automatische Datenscanner untersuchen
Internettexte, Meinungsäußerungen, während eine Software in Verbindung
(Bundesrat Todt: Das meinst du aber nicht ernst, oder?) – das ist ein
Forschungsprogramm der EU! – mit Kameras und Beobachtungsdrohnen verdächtiges
Verhalten im öffentlichen Raum erkennen. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates
Stadler.) Durch biometrische Daten, Autokennzeichen, GPS-Daten von
Mobiltelefonen können Personen erkannt, im Internet wiedergefunden und über
Bewegungsprofile verfolgt werden. (Bundesrat Gruber: Das haben wir schon! Zu
Tode gefürchtet ist auch gestorben!)
Zusammen mit der bereits genehmigten
Vorratsdatenspeicherung, den Volkszählungen, den biometrischen
Personalausweisen und Reisepässen und den Aktivitäten der
Grenzschutzorganisation Frontex entsteht die größte Überwachungsoffensive, die
es je gegeben hat. (Bundesrat Todt: Frau Bundesministerin Bures ist aber nicht
die Frau Innenministerin!) – Das ist ein Forschungsprojekt der EU! (Bundesrat
Gruber: Geht es um Forschung? Vielleicht einmal zum Thema! – Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Dieser Forschungsauftrag der Europäischen Union ist mit 15
Millionen € budgetiert. Obwohl die Regierungen derartige Forschungen
abstreiten, sind daran folgende Organisationen beteiligt: die Berg- und Hüttenakademie
Krakau, die Technische Universität Danzig, die Universität in Madrid, die
Technische Universität Sofia, die Bergische Universität Wuppertal, die
Universität New York, die Technische Universität Košice, die Technische
Universität Ostrava und die Fachhochschule Technikum Wien (Zwischenruf des
Bundesrates Mayer) sowie die Firmen InnoTec DATA GmbH & Co. KG und X-ART
ProDivison.
Die INDECT-Dateien speichern und analysieren automatisch
Texte von Nachrichtenseiten, von Blogs, von Kommentaren, von P2P-Netzwerken,
von Sozialnetzen, Foren, Chats und dem Usenet. Dieses Projekt muss als ein
Traum der Europäischen Union vom Polizeistaat bezeichnet werden. (Zwischenruf
der Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bundesrat Mayer: Das sagt ein Polizist?!) –
Ja, leider muss das ein Polizist sagen.
Begriffe wie Unschuldsvermutung und gerichtsfester Beweis
werden in Zukunft keine Bedeutung mehr haben. Im Rahmen der „Zeit im Bild“
wurden Kritiker zitiert, die der Meinung waren, die zunehmende Datenspeicherung
helfe nicht bei der Verbrechensbekämpfung, sondern am Ende dieses
Forschungsprojektes steht der gläserne Mensch. (Zwischenruf des Bundesrates
Schennach.)
Im öffentlichen Raum, also auf der Straße, auf Plätzen, in
öffentlichen Gebäuden, Bahnhöfen, Flughäfen nutzt das INDECT-System die Signale
aus bereits vorhandenen Überwachungskameras, um automatisch abnormales
Verhalten festzustellen. Gleichzeitig werden kleine, mit Kameras, Mikrofonen
und Sensoren ausgestattete Drohnen eingesetzt, um verdächtige Personen zu
verfolgen. Durch einen automatischen Abgleich mit hinterlegten biometrischen
Daten wird die Identität der Personen soforterkannt. (Bundesrat Gruber: Welchen
Zukunftsroman liest du gerade?) – Kollege, Sie sollten sich erkundigen, was
INDECT bedeutet, was hier erforscht wird, was hier auf uns zukommt!
Diese Forschungen haben bereits 2009 begonnen, und schon im
Jahre 2012 wird ein Feldversuch gestartet werden. (Bundesrat Gruber: Im Jahr
2012 geht die Welt sowieso unter!) – Dann liest du die falschen Zeitungen!
Die Werkzeuge dieser totalitären Europaregierung sind die
Vorratsdatenspeicherung, die Volkszählungsdaten, Frontex und diese
INDECT-Software. Das hier entstehende Szenario ist eine Horrorvision.
(Bundesrat Gruber: Ja!)
Wer jetzt glaubt, dass dieses Szenario erst in ferner
Zukunft umgesetzt wird, der irrt: Bereits in einem Jahr ... (Bundesrat Gruber:
Bis 2012 ist es auch nicht mehr so lange! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Terror- und Kriminalitätsbekämpfung
(Bundesrat Gruber – in Richtung Bundesrätin Mühlwerth –: Wieso habt ihr eure
Handys noch nicht weggeschmissen? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) wird
hier unter den Augen der Öffentlichkeit ein konsequentes System von
Überwachungs- und Kontrollmechanismen installiert. (Bundesrat Todt: Ist das
nicht die falsche Rede gewesen? Die Vorratsdatenspeicherung haben wir schon
hinter uns! Das ist die falsche Rede!)
Liebe Kollegen! Für den Widerstand wird das bald zu wenig
sein. Ist dieses System erst einmal installiert, finanziert, entwickelt und
getestet, wird es auch eingesetzt werden.
Sehr geehrte Frau Minister! Sorgen Sie dafür, dass keine
weiteren finanziellen Mittel oder Daten aus Österreich für dieses System zur
Verfügung gestellt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
10.11
Präsident Gottfried Kneifel: Für eine abschließende
Stellungnahme hat sich nochmals Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation
und Technologie Bures zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
10.12
Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
möchte mich eingangs wirklich für diese Diskussion bedanken. Ich denke, dass
die Debatte doch gezeigt hat, wie wichtig Forschung und Technologieentwicklung
sind.
Ich finde es ein bisschen schade, dass es bei solch einem
wichtigen Thema – und es ist gesagt worden, das ist sozusagen ein
Rot-Weiß-Rot-Thema – keinen wirklichen Schulterschluss über alle Parteigrenzen
hinweg geben kann, denn, wie gesagt, ich glaube, es müsste unser gemeinsames
Anliegen sein, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken und, wie
gleichfalls bereits gesagt, damit auch für hochqualitative Beschäftigung in
unserem Land zu sorgen.
Ich möchte kurz auf ein paar Punkte eingehen, die in der Debatte
gekommen sind.
Der erste – er kam jetzt auch abschließend – betrifft die
Frage von Chancen und Risken von neuen Technologien. Ja, es ist so, dass neue
Technologien in vielen Fällen auch Risken in sich bergen, und es ist Aufgabe
auch der Politik, darauf zu achten, dass diese Risken so gering wie möglich
gehalten werden. Daher haben wir, habe ich auch bei gesetzlichen Regelungen –
weil das auch angesprochen wurde – im Bereich der Vorratsdatenspeicherung sehr
darauf geachtet, dass wir mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
den höchsten Schutz der Privatsphäre, der dabei zu verankern möglich ist, auch
verankern. Aber erlauben Sie mir, neben
den Risken, im Bereich derer wir, wie gesagt, alles tun müssen, um zu versuchen,
diese so gering wie möglich zu halten, auch die Chancen der neuen Technologien
anzusprechen.
Wenn wir über Verkehrspolitik reden, über die Sicherung von
Kreuzungen, über die Sicherung von Schutzwegen für unsere Kinder, dann reden
wir oft darüber, ob wir dort nicht Videoüberwachungen vornehmen sollten, damit
unsere Kinder besser geschützt sind, damit die Autofahrer davor abgeschreckt
werden, bei Schutzwegen nicht abzubremsen, weil sie dann auch einer Kontrolle
unterliegen und dafür bestraft werden, dass sie möglicherweise unschuldige
Kinder auf dem Weg in die Schule gefährden. Das sind die Chancen!
Und die Chancen enden natürlich nicht bei den kleinen
Bereichen von neuen Technologien, sondern setzen sich über Navigationssysteme
und Ähnlichem fort, beispielsweise im täglichen Leben, wo wir einen
demografischen Wandel in Österreich haben, indem wir zum Glück immer älter
werden. Wir wollen auch immer länger in unseren eigenen vier Wänden leben, und
die Informations- und Kommunikationstechnologien können dazu führen, dass
ältere Menschen mit Unterstützung moderner Technologien länger zu Hause leben
und ihr Leben meistern können. – Das sind die Chancen moderner Technologien.
Und ich glaube, wir haben, was neue Technologien im Bereich
der Kommunikationstechnologien betrifft, in den letzten Monaten eine der
größten Chancen gesehen, nämlich die Chance, dass diese Welt demokratischer
wird, die Chance, dass man in Ländern, in denen es Medienzensur, in denen es
keine Pressefreiheit gibt, demokratische Entwicklungen mit modernen
Informationstechnologien unterstützen kann.
Die Risken sind nicht zu leugnen, aber die Augen vor den
Chancen neuer Technologien zu verschließen, ist rückwärtsgewandt, und das
lehne ich ab. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Der zweite Punkt ist die Frage: Wer ist zuständig für
Forschung und Technologieentwicklung? Sind das mehrere Ressorts? – Ja, das sind
mehrere Ressorts, und ich glaube, Forschung und Technologieentwicklung ist eben
so ein Bereich, der eine klassische Querschnittsmaterie ist, für den sich ja
auch alle zuständig fühlen müssen!
Und weil Sie gesagt haben, ich habe einen Kindergarten
eröffnet: Dann war das ein Kindergarten mit einer Forschungs- und
Technologiegruppe! Die Jungen, die Kinder – jedes Kind mit drei, vier Jahren –
hat Interesse an Bewegung, wenn Lichter leuchten, wenn sich irgendetwas bewegt,
hat Interesse an naturwissenschaftlichen, technischen Prozessen, und dann geht
dieses Interesse verloren und dann haben wir die Kinder nicht an den
Universitäten und haben sie nicht an den HTLs, und generell gibt es viel zu
wenige Frauen in diesem Bereich. Deshalb machen wir solche Dinge! Und das ist
auch ein Beispiel dafür, dass Forschung und Technologieentwicklung uns unser
ganzes Leben in allen gesellschaftlichen Bereichen und Politikbereichen
begleiten muss. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)
Und daher geht es nicht darum: Ist der Wissenschaftsminister
zuständig? – Ja, für die Grundlagenforschung an den Universitäten. – Bin ich
für Technologie zuständig, wo es darum geht, Unternehmen zu unterstützen, damit
sie innovative Produkte entwickeln können? – Ja! Worum es geht, ist, dass wir
gut zusammenarbeiten. Wir haben gemeinsam die Forschungsstrategie 2020
entwickelt, und das ist die Basis für eine gute Zusammenarbeit, um da auch
erfolgreich sein zu können, so wie das bei Querschnittsmaterien auch sonst
immer der Fall ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)“
Aus dem Bundesrat, wie gesagt und zwar aus der 797. Sitzung,
die am 01.06.2011 stattgefunden hat.
Jetzt muss ich eine Passage der Frau Bundesministerin
kommentieren:
Sie sagt ja, dass sie glaubt, dass der Einsatz unter anderem
von INDECT dazu führt, dass es eine demokratische Entwicklung und
Pressefreiheit gibt....
Ich habe dazu einen kurzen Kommentar:
Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wenn Sie die Möglichkeit
zur völligen Kontrolle jeder Österreicherin und jedes Österreichers – und zwar
unter Generalverdacht (VDS und INDECT) – als Mittel zur Pressefreiheit und zur
demokratischen Entwicklung sehen, dann müssen Sie auf der Stelle zurücktreten
und sich einer Untersuchung Ihres Geisteszustandes unterziehen. Sie sind eine Gefahr
für die Menschen in diesem Land.
Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
Die logische Konsequenz aus dem, was wir bis dato erfahren
haben:
Unsere Regierung will uns um jeden Preis und als Vorreiter
überwachen, jeden Weg wissen, den wir planen und unsere Denkweise im Voraus
erkunden.
Dafür läuft sie in vorauseilendem Gehorsam und unter dem
Mantel der Terrorgefahr den USA nicht nur hinterher, sondern treibt andere
Partnerländer geradezu an.
Unsere Regierung weiß sehr wohl um die Allmacht dieses
Systems und hat sich nicht gegen die Einführung (so, wie Polen und Deutschland)
ausgesprochen. Im Gegenteil sind auf Anfrage im Plenum, ob man da jetzt nicht
gleiches Tun sollte, die windigen Beantwortungen gekommen, die wir schon
kennen.
Fakt ist, dass eine der logischen Konsequenzen aus INDECT in
Kombination mit der Vorratsdatenspeicherung und den Möglichkeiten der
EUROGENDFOR ein unglaublich mächtiges
Werkzeug geschaffen wurde, dass zur Kontrolle und Niederschlagung von
Demonstrationen, Unruhen und aktiven Meinungsäußerungen geschaffen wurde. Und:
natürlich zur „Früherkennung“ solcher – für die Regierungen in der ganzen Welt –
unangenehmen „Zusammenkünften.
Und wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, dann, dass es
auch zur Verwendung solcher Machtinstrumente kommt.
Informative Plattformen, die systemkritisch sind, sind in
Gefahr und unter Kontrolle, ebenso, wie freier Journalismus, der nicht
systemfreundlich berichtet.
Natürlich werden auch echte Gauner davon betroffen sein –
aber das ist dann die Minderheit und vielleicht einmal 0,5 % tatsächliche Gesetzesbrecher
taugen da nicht als Rechtfertigungsgrund für die restlichen 99,5 % der
Bevölkerung. Diese Zahl ergibt aus den tatsächlichen Verurteilungen im Jahre
2011 (gerichtliche Kriminalstatistik), wo alle Arten der Verurteilung
aufgenommen sind (also auch die bedingten Strafen, Geldstrafen, teilbedingten
Strafen, usw..), welche 36461 betragen haben. Demgegenüber stehen dann die
restlichen 8.367.791 Österreicherinnen und Österreicher, die keine Verurteilung
erfahren haben. (Quelle: Statistik Austria)
Also, was soll der abgekartete Blödsinn von wegen: es wird
immer schlimmer und die Kriminalität steigt?
Tatsächlich hat es seit 1980 einen massiven Rückgang in den
Verurteilungen gegeben:
Von insgesamt 83.626 auf die eben erwähnten 36.461 im Jahre
2011!
Wer soll da noch seriös von einem Ansteigen reden? Alleine
zwischen 2010 und 2011 sind die Verurteilungen um rund 2000 zurückgegangen!
Oder will mir jetzt jemand weiß machen, die Gauner wären um
so viel klüger geworden und die Ermittler und Staatsanwälte samt Richter um so
viel dümmer, als dass es nicht zu mehr Verurteilungen gereicht hätte?
Und eines ist ja wohl klar:
1980 bis 2004 war weder INDECT noch überhaupt Ermittlungen
im Cyberbereich ein Thema... nicht das da jetzt wer sagt: „An dieser Verbesserung
war ja eine vermehrte Kontrolle – wie bei INDECT – schuld!“.
Bitte mich nicht falsch zu verstehen:
Natürlich müssen die Behörde und auch die Regierung mit der
Zeit gehen und danach trachten, wirksame Werkzeuge zur Verbrechensbekämpfung zu
erschaffen und zur Verfügung zu haben. Aber doch wohl keines, das generell alle
unter Verdacht stellt und bis auf die Unterhosen durchleuchtet!
Passend dazu die gerade aktuelle Wahnsinneinrichtung des
portablen Laserscanners, der auf eine Entfernung bis 50 Meter erkennen kann, ob
Sie gerade einen erhöhten Adrenalinausstoß haben und vielleicht Angst empfinden
– was bei einem Flughafen dazu führt, dass man Sie aus der Menge herauspicken
wird und dementsprechend genau befragen wird – DAS IST KEIN SPASS – DIESES TEIL
WIRD SCHON EINGESETZT!
Cui bono ? – Wem gereicht's zum Vorteil ?
Es stellt sich schließlich die Frage, wer welchen Nutzen aus
diesen Projekten hat. Einerseits geht es natürlich um Sicherheit. Die Frage
stellt sich allerdings, um welche Art von Sicherheit es sich dabei handelt:
„Bürgersicherheit“ oder „Staatssicherheit“, denn diese beiden müssen nicht
zwangsläufig identisch miteinander sein. Wenn die Menschen in einem Staat von
Geburt an als potenzielle Kriminelle angesehen werden und wenn dann auch noch
intensiv an Technologien zur Überwachung dieser Menschen geforscht wird, dann
ist es äußerst fraglich, inwieweit all diese Maßnahmen schlussendlich wirklich
der Sicherheit der Bürger dienen werden. Man könnte auch auf die Idee kommen,
dass der Staat immer mehr Schutz vor seinen Staatsbürgern haben zu wollen
scheint.
Ein weiterer wichtiger Aspekt an der Forschung an all diesen
sicherheitsbezogenen Projekten ist natürlich aber auch Geld bzw.
Wirtschaftlichkeit. Der Bundesverband Deutscher Wach- und
Sicherheitsunternehmen geht etwa von einem Umsatzpotenzial für
Sicherheitstechnologien und Sicherheitsdienstleistungen allein in Deutschland
in Höhe von 31 Milliarden € bis 2015 aus. Der globale Markt für “Homeland
Defense” wird sich nach Schätzungen des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts
von 2005 bis 2015 auf 178 Milliarden US-Dollar vervierfachen. Rund 20% davon
würden vom Sektor “Geheimdienstliche Aufklärung” abgeschöpft
Da Sicherheit und Katastrophenschutz nicht gerade zu den
Themen gehören, die in den meisten europäischen Ländern auf ein wohlwollendes
Interesse in der Öffentlichkeit und der Politik treffen, hat jede Warnung vor
“erhöhter Terrorgefahr” den Beigeschmack einer kostenlosen Werbung für die
Sicherheitsindustrie und die Förderung von Projekten der Industrie lassen sich
ohne Frage als Subvention bezeichnen. Es geht also nicht allein um das
Offensichtliche – Kontrolle und Überwachung der Menschen – sondern ebenso,
vielleicht sogar noch mehr, um ökonomische Belange. Oder anders ausgedrückt:
das Ganze ist ein Milliardengeschäft das sich keiner entgehen lassen will.
Und es ist ja auch ein wahrhaft gutes Geschäft mit
glänzenden Profitaussichten und geringem Risiko: Erst beteiligen sich die
Steuerzahler in der EU großzügig an der Finanzierung von diesen neuen
Überwachungstechnologien, und wenn diese dann erst ausgereift und einsatzbereit
sind, werden sie an verschiedene Behörden und Sicherheitsagenturen innerhalb
der EU-Staaten – wiederum durch Steuergelder finanziert – weiterverkauft, um
dann anschließend zur Kontrolle und Überwachung jener eingesetzt zu werden, die
diese Technologien von Anfang an mitfinanziert haben: eben wieder die
Steuerzahler. Die Anschaffung dieser Technologien und Werkzeuge wird den
EU-Bürgern von den Regierungen als unerlässlich zur Wahrung ihrer eigenen
Sicherheit verkauf werden und so wird ihnen dann weisgemacht, sie würden durch
Projekte wie INDECT in Form von mehr und höherer Sicherheit profitieren,
während die Sicherheitsindustrie in Form von Milliardengewinnen daran
profitieren wird.
Wollen Sie das?
Ich nicht. Lassen Sie uns gemeinsam etwas Sinnvolles dagegen
tun.
Am kommenden Sonntag werde ich Ihnen einige Möglichkeiten
aufzeigen, wie man sich effektiv dagegen wehren kann.
Dazwischen darf ich Ihnen wieder ein wenig aus dem Parlament
erzählen und was nun mit dem ESM wird / geworden ist (da kommt INDECT ja gerade
„richtig“, nicht wahr?).
Ihr Felix
PS: Wenn Sie einen Vorschlag haben, schicken Sie mir diesen
zu: augeundohren@gmail.com
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