Donnerstag, 27. September 2012

Der Untersuchungsausschuss und die Dissoziative Amnesie


"Das Hauptmerkmal der Dissoziativen Amnesie ist die Unfähigkeit, sich an wichtige persönliche Informationen zu erinnern, die zumeist traumatischer oder belastender Natur sind; diese ist zu umfassend, um durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärt zu werden."

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

dieses diagnostische Merkmal sollten wir bei der nun folgenden – selbst erlebten – Nacherzählung des heutigen Tages im Untersuchungsausschuss im Kopf behalten. Sie wird uns helfen, der Auskunftsperson ein wenig mitleidiger entgegenzutreten...

Was war geschehen:

Kaum war der Ausschuss zusammengetreten um das langsame Sterben des Untersuchungsausschusses einzuläuten, wurde er auch gleich wieder unterbrochen, nachdem klar war, dass drei der vier für Heute geladenen Auskunftspersonen nicht erscheinen werden / erschienen sind.

Wer hat geschwänzt:

Marc Zimmermann – damaliger Pressesprecher der ASFINAG

(Anmerkung:  
Im Juli 2007 soll Marc Zimmermann ein Mail an den damaligen Vorstand Mathias Reichhold gesendet haben, das in Kopie auch an Reichholds Vorstandskollegen Christian Trattner und Franz Lückler ging und wo in dem beigefügten Aktenvermerk Zimmermann darauf hin weist, dass er von Alois Schedl (heute Vorstand der ASFINAG) ersucht worden sei, „als Ansprechpartner für Medienkooperationen zu fungieren“, die das „Kabinett von BM Faymann initiiert“. In dem inkriminierten Aktenvermerk wird auch behauptet, dass „seitens des Kabinetts von BM Faymann“ bereits Kooperationen mit mehreren Medien geschlossen worden seien. Hier gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Verantwortlich für die Freigabe der Texte  waren laut dem Aktenvermerk Pressesprecher Thomas Landgraf (heute Chefredakteur des Wiener Bezirksblatts) und Marcin Kotlowski (heute Geschäftsführer der WH Medien GmbH der Wien Holding). Eine Erklärung Zimmermanns, warum er heute nicht gekommen ist, ist uns nicht bekannt....)

Franz Lückler – früherer ASFINAG Vorstand

(Anmerkung:
Franz Lückler wird am Freitag vor der Staatsanwältin Ursula Kropiunig, zum Akt 32 St 41/11x, als Beschuldigter zur Inseratenaffäre einvernommen werden, er bestreitet alle Vorwürfe, aber weitere Aussagen außerhalb der Anklagebehörde können von ihm nicht erwartet werden. Am 4. Oktober wird Lückler einen Ersatz-Befragungstermin im U-Ausschuss wahrnehmen, aber unter Berufung auf seine Rechte schweigen. Das hat auch schon sein Anwalt in einem Schreiben vom 20.09.2012 so mitgeteilt.)

Mathias Reichhold – ehemaliger ASFINAG Vorstand

(Anmerkung:
Ing. Mathias Reichhold hatte sich mit der Begründung dringender Erntearbeiten „entschuldigt“ und gleich angeschlossen, dass in den nächsten Wochen dann die „Herbstaussaat“ ansteht.)

Die sind also alle nicht gekommen.
Der Untersuchungsausschuss hat dazu folgendes beschlossen:
Marc Zimmern und Franz Lückler werden noch einmal geladen. Zimmermann für den 04.10.2012 und Lückler ebenfalls für den 04.10.2012.
Lückler hat sein Kommen wie gesagt schon bestätigt – von Zimmermann gibt es noch keine Reaktion (zumindest ist mir nichts dazu bekannt).

Bei Mathias Reichhold haben die Fraktionen im Ausschuss einstimmig beschlossen:
Ladung für den 02.10.2012 unter Androhung der zwangsweisen Vorführung durch die Polizei, falls er diesem Termin auch nicht nachkommt und den Antrag beim Bezirksgericht auf Verhängung einer Geldstrafe als Beugestrafe. Deren Höhe sich nach dem Einkommen richtet.

Diese Maßnahme ist durchaus ungewöhnlich und ungewöhnlich ist auch die Einstimmigkeit des Beschlusses.

Mal sehen, ob Herr Reichhold in Begleitung der Polizei, oder selbst kommt....

Jetzt sind wir also bei der Unterbrechung der heutigen Sitzung. Vereinbart wurde, dass nach einer Pause bis 14 Uhr der Ausschuss fortgesetzt wird.

Lassen Sie mich hier anmerken, dass es eigentlich unglaublich ist, wie in den wenigen Tagen, die dem Untersuchungsausschuss nach dem Willen der Koalition noch bleiben, all die noch offenen und irrsinnig komplexen Themen auch nur ansatzweise erörtert, geschweige denn umfassen aufgearbeitet werden sollen.

In der Pause hatte ich Gelegenheit mit dem Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann einige Sätze über den Ausschuss und seine Leiden zu sprechen und auch Walter Rosenkranz hatte ein wenig Zeit, bevor er in die „Konklave“ (Originalzitat Rosenkranz) musste.



Rosenkranz war – wie das Foto zeigt – gelinde gesagt, unzufrieden über den Zeugenschwund.
Er hat aber auch einen sehr guten Ansatz, der zum Nachdenken anregt:

Es ginge hier eigentlich gar nicht darum, ob Faymann in den Ausschuss kommt, oder nicht. Wichtiger wäre es, den Gutachter Paul zu befragen. Der hatte zwar den Inseraten einen Werbewert für die ÖBB bescheinigt, aber er wurde nicht gefragt, welchen Werbewert die Inserate für Faymann gehabt haben....

Also, Pause bis 14:00

Wir sind zurück nach der Pause und warten vor dem Sitzungslokal des Untersuchungsausschuss. Wir, das sind rund 30 Journalisten und Fernsehteams, die alle auf ein wenig Sensation hoffen.
Nach rund 30 Minuten Überzeit dürfen die Journalisten in den Sitzungsraum und schnell ein paar Aufnahmen machen.

Hier ein Bild der „Fragebank“:



Nachdem der Beginn der öffentlichen Sitzung sich um eine halbe Stunde verzögert hat, gehen wir davon aus, dass ein Beschluss gefasst wurde, der erst später verlautbart werden soll. Peter Pilz hat uns dann im Vorbeigehen zugeraunt, dass die Ladung und Vorführung von Reichhold einstimmig beschlossen wurde und die Ladung auch schon versendet wurde (Ah! Das war also der Grund für die Verzögerung....)

Und wir sehen: die Auskunftsperson Landgraf ist auch da:


In der Mitte: Thomas Landgraf


Zur Person:
Thomas Landgraf – ehemaliger Pressesprecher in Faymanns Kabinett.

Angeblich Eine zentrale Figur bei der Freigabe der Inseratentexte.

Wir sind gespannt.

Die Fragensteller der ersten Fragerunde in Reihenfolge:

Walter Amon - ÖVP
Harald Villimsky – FPÖ
Stefan Petzner – BZÖ
SPÖ – hier hätte eigentlich Otto Pendl die Fragen stellen sollen, aber „referiert“ (dazu komme ich noch) hat ein SPÖ Mitglied, dessen Name unverständlich war und der auch nicht (!) in der Liste der  Ausschussmitglieder aufscheint: Mag. Michael Schickhofer
Peter Pilz – GRÜNE

Während sich die Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, BZÖ und GRÜNE darauf konzentrierten mehr oder weniger sachlich – aber immer themenbezogen – bemüht die Fragen zu stellen, wer welche Verantwortung getragen hat bei der Vergabe der Inserate, welche Rolle dabei die Auskunftsperson hatte und wer Herrn Landgraf schließlich beauftragt hatte, waren wir alle von dem Auftritt von Schickhofer verblüfft:

Eine Peinlichkeit sondergleichen wurde da abgeliefert, denn  Schickhofer  las einen Teil der Rede des Bundeskanzler vom 19.09.2012 aus dem Plenum vor, in der sich dieser „erklärte“....

Hallo?

Statt die Auskunftsperson zu befragen ein Statement im Namen des Kanzlers, das ohnehin schon im Plenum zerrissen wurde? Für wie dämlich halten die uns eigentlich?
Dann kamen vorgefertigte „Rutschen“ von ihm, wie: „Es ist also richtig, dass Sie hier keine Entscheidungsgewalt hatten und keine Wahrnehmung?“

Frechheit!

Die Auskunftsperson ist natürlich auf diesen Zug aufgesprungen und fühlte sich sichtlich erleichtert.
Otto Pendl hat dabei in bester Wirtshausmanier gegähnt und sich den Bauch gestreichelt (wirklich!).

Also eine Lobeshymne der SPÖler an den Faymann Werner unter den müden Augen des Trumauer Bürgermeisters.

Peter Pilz dazu später:
„Eine unglaubliche Peinlichkeit. Aber damit haben Sie sich selbst geschadet: Hinterbänkler mit einem Loblied zu schicken, das durchschaut jeder.“

Und genau hier liegt der Missbrauch der SPÖ:
Die Geringschätzung und Verhöhnung des Ausschusses durch Missachtung der Vorgaben und eine völlig unglaubliche Verteidigungsstellung gegenüber der Auskunftsperson, die im Übrigen bei der Befragung auch angegeben hat, für die SPÖ kandidiert zu haben und jetzt beim ECHO Verlag zu arbeiten....

Die zweite Fragerunde wurde bis auf eine Änderung von denselben Personen durchgeführt: bei der FPÖ kam Gerhard Deimek dazu.

Wieder dasselbe Spiel:

Viele präzise Fragen und immer arrogantere Antworten der Auskunftsperson. Und ein Satz fiel immer öfters: „Dazu habe ich keine Wahrnehmung.“ (Anmerkung: das nennt man dann "Dissoziative Amnesie")

Der gute Mann ist offenbar krank und bedarf dringender Hilfe! Der kann sich nicht und nicht an wichtige Entscheidungen, die er getroffen hat erinnern. Ja nicht einmal daran, wer in dem Kabinett, für das er Pressesprecher war, die Entscheidungen zu Presse- und Medienkooperationen getroffen hat.
Er ließ sogar seine eigene Aussage vor der Staatsanwaltschaft vorlegen, weil er diese nie bekommen hat, um darin nachzulesen.
Eigentlich ist er ein armer Mann, den er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, was er noch vor wenigen Tagen gesagt hatte...

Übrigens hat Otto Pendl dann doch noch etwas beigetragen: er hat eine Geschäftsordnungsmeldung getätigt (ich hoffe, ich habe den richtigen Terminus erwischt...), als er sich darüber mokiert hat, dass suggestive Fragen an die Auskunftsperson gestellt worden wären. Und ein zweites Mal hat er sich dann auch noch gemeldet, als es darum ging, dass man doch bitte ein wenig netter umgehen soll.

Kein Scherz! Pendl hat keine einzige Frage an die Auskunftsperson gestellt, sondern nur diese in Schutz genommen!
Schickhofer hat dafür umso mehr für Unmut gesorgt mit seinen Lobhudeleien.
Selbst die Fragen – die wenigen – die dieser gestellt hat, waren bereits vorbeantwortet und dienten der Feststellung, dass alles „schön sein“.

Die Auskunftsperson an sich hat die Abgeordneten mit Geringschätzung bestraft und ihnen den landgräflichen Hintern buchstäblich entgegengehalten.

Erst als Pilz offenbar einige Unwahrheiten in den Aussagen der Auskunftsperson vermeinte entdeckt zu haben und laut darüber nachdachte, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln (wegen falscher Aussage unter Wahrheitspflicht), wurde es  Herrn Landgraf ungemütlich und er hat sehr trotzig reagiert („Was will der eigentlich – ich will das nicht beantworten...“ zum Vorsitzenden geraunt. Der hat allerdings klargestellt, dass er antworten muss.)

Übrigens hat in ähnlicher Manier Otto Pendl nach seinem Interview vor den laufenden Kameras in vermeintlicher Abgeschiedenheit folgendes gemeint:
„Mia geht de Herumrederei scho so am Oasch...!“ (Verzeihung, aber das ist Originalton ....)

Frage: was will man sich da erwarten?

Kurz nach 18:00 Uhr war dann Schluss mit der Show und wir konnten endlich abhauen.

Noch eine Anmerkung am Schluss: Thomas Landgraf wurde durchgehend als "Mag." Landgraf angesprochen und das bis auf einmal nicht korrigiert ..... auch dann nicht, als unmittelbar nach seiner Korrektur der nächste Fragensteller in gleich wieder als "Magister" Landgraf ansprach (dies nur nebenbei, zum Wundern...).

Liebe Leserinnen und liebe Leser,
das, was wir heute im Hohen Haus erleben mussten / durften, spottet jeder Beschreibung.
Auf der einen Seite tatsächlich bemühte Abgeordnete (ÖVP, BZÖ, GRÜNE und FPÖ), die versuchen sachlich und substantiell an der Aufarbeitung der Ausschusspunkte mitzuarbeiten und auf der anderen Seite des Grabens steht die SPÖ, die die Auskunftsperson nicht nur in Watte hüllt, sondern in schlimmster Manier den Ausschuss für eigene Propaganda missbraucht und das Thema völlig verfehlt. Aber wenigstens das mit Absicht.
Cap wäre stolz gewesen..

Ich bleibe da am Ball. Versprochen.

Ihr Felix

1 Kommentar:

  1. Das Land der Lächler
    Wenn ich so an unseren Bundeskanzler denke, dann lächelt der immer wie eine Grinsekatze, das gleiche Lächeln ist mir bei der heutigen Auskunftsperson dem Herrn Landgraf aufgefallen.
    Der war im Kabinett Faymann Pressesprecher und konnte sich doch tatsächlich, 5 Jahre später kaum an irgendjemanden erinnern.
    Als guter Netzwerker, sollte man ja als Pressesprecher sein, sollte man sich zumindest an Namen im näheren Umfeld erinnern können, doch auch dabei hatte Landgraf einen völligen Gedächtnisschwund.
    Er antwortete auf Fragen, die ihm nicht gestellt wurden und bei unausweichlichen Fragen flüchtete er in seine Standardantwort "dazu habe ich keine Wahrnehmung".
    Eigentlich eine Frechheit, da werden Ressourcen verschwendet, dass ein Auskunftsperson wie eine Sprechpuppe einen Nachmittag damit verschwendet, indem sie lächelnd den Satz "dazu habe ich keine Wahrnehmung" sagt.
    Ehrlich gestanden fühle ich mich nicht wohl dabei, wenn der Pressesprecher, des mittlerweile zum Bundeskanzler gewordenen Faymanns solche Wahrnehmungsschwierigkeiten hat.
    Wenn Faymann bei der Wahl seiner Mitarbeiter noch immer ein solch glückliches Händchen hat, dann Grüss Gott Österreich, Du wirst bald vergessen sein!
    Aber bitte LÄCHLE!

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