Dienstag, 10. Juli 2012

Eis am Stiel – oder wie der ESM im blauen Licht Kärntens verblasst


In der erzwungenen Pause beim Untersuchungsausschuss (siehe voriger Artikel) habe ich einen Abstecher in den Parlamentsklub der FPÖ gemacht, um mir die Pressekonferenz dort anzuhören und aufzuzeichnen.
In der Aussendung stand lapidar:
Thema: Aktuelles
Angesichts der aktuellen innen- und außenpolitischen Situation hat „Aktuelles“ allerdings einiges an Brisanz an sich.

Neugierig, wie ich nun einmal bin, stand ich mit meinem Fotografen (der extra aus Innsbruck angereist ist – man will ja nur die Besten, nicht wahr?) und einer netten Begleitung (in meinem Alter darf man dann auch schon einmal eine hübsche Schriftführerin mitnehmen) zwischen  den unglaublich zahlreich anwesenden JournalistenkollegInnen und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Normalerweise ignoriert die österreichische Journaille ja den HC Strache wann immer es nur geht. Heute war dagegen volles Haus.

Die Klimaanlage war ausgeschalten worden, um die empfindlichen Mikrofone nicht zu stören – was bei Anwesenheit von rund 40 KollegInnen und dem im Übermaß Hitze produzierenden Equipment naturgemäß dazu führte, dass schon nach wenigen Minuten die Raumtemperatur bei geschätzten 30 und bei gefühlten 50 Grad lag.

Fast pünktlich kommt dann Strache in den Raum (gefolgt von Kickel und Grünsteidl), grüßt mit einem knappen aber freundlichen „Hallo“ und beginnt gleich mit der Einführung, dass er sich bei den Anwesenden für deren Anwesenheit bedankt und – sehr menschlich und eigentlich witzig – jedem ein Eis verspricht ... (im Übrigen: das hat es dann wirklich gegeben: ein Eis am Stiel, wie vor 20 Jahren – ein Jolly!)



Und dann geht es auch schon im gewohnten Strache-Tempo – aber einer veränderten und inhaltlich nicht mehr so polemischen Sprache - los:
Der ESM ist eine Super-Bad-Bank (Hm, gerade habe ich geschrieben: nicht mehr so polemischen...), er bittet Heinz Fischer eindringlich, weder den ESM, noch den Fiskalpakt zu unterzeichnen.
Seine Argumentation ist sehr sachlich geführt, abgesehen von einigen wenigen Ausrutschern („ESM-Dreierbande“, „rot-schwarz-grüne Dreierbande“), die wir auch von anderen kennen (Pilz ist hier noch um Klassen schärfer) finde ich tatsächlich keine Fehlinformationen über das doch sehr komplexe und heikle Thema. Interessanterweise hält er die PK auch weitgehendst frei, ohne in schriftlichen Unterlagen nachzulesen.



Ganz klar, der Mann hat sich wirklich eingelesen und hat es auch verstanden.
Offenbar hat Strache auch eine schriftliche Einladung an die übrigen Oppositionsparteien geschickt, um gemeinsam über eine Verfassungsklage im Wege des Parlaments zu sprechen. Kein übler Schachzug: wie werden die Grünen damit umgehen?
Nachdem alle Argumente auf dem Tisch liegen, kam der übliche Aufruf an die Kollegenschaft: Fragen?

Die kamen dann auch, allerdings nicht zum Thema ESM, sondern: zum Thema Scheuch.
Interessanterweise hat der ESM niemand mehr interessiert: mehr als 19000 Millionen Euro an Steuergeld verlieren in der Aufmerksamkeit gegen einen unwichtigen Landesparteiobmann.

Wow – was für eine verkehrte Welt: auch in der am Abend stattfindenden Zusammenfassung über die Pressekonferenz finden sich nur Beiträge über das Thema Scheuch.

Du meine Güte: da wird ein extrem wichtiges Thema, dass tatsächlich alle Österreicherinnen und Österreicher in wenigen Monaten schon bis ins Mark und ins Börserl treffen wird, von einem völlig unbedeutenden Landespolitiker von der Tagesordnung verdrängt? Hallo? Was soll denn das für eine Berichterstattung sein? Liebe KollegInnen: unterste Schublade kann ich da nur sagen!

Anstatt dass Ihr Eure Pflicht wahrnehmt und die noch immer Großteils ahnungslosen BürgerInnen dieses Landes mit den wohl wichtigsten Informationen, die diese Generation zu erfahren hat versorgt, verschwendet ihr wertvolle Sendezeit für einen Kärntner Landespolitiker?

Erklärt mir doch bitte einmal ganz genau, wo Ihr Euren Beruf erlernt habt? Werdet Euch endlich Eurer immensen Verantwortung bewusst und erledigt Euren Job gewissenhaft! Wenn interessiert es, ob der Herr Scheuch sieben, zwölf, achtzehn oder hundert Monate Haft in erster Instanz (noch dazu nicht rechtskräftig!) bekommen hat, währenddessen zur gleichen Zeit unser – MEIN – Steuergeld ins Nirwana verschwindet?

Lest Ihr denn nicht die Nachrichten und Beiträge Eurer Kollegen aus dem Ausland? Merkt Ihr denn nicht, dass Eure Berichterstattung unter jeder Sau ist? Oder ist das gewollt so?

Eine Frage: was macht Ihr denn, wenn es den HC Strache, den Uwe Scheuch und den Martin Graf nicht mehr gibt auf der politischen Bühne? Wovon ernährt Ihr Euch denn dann? Von der Wahrheit, oder ehrlicher Recherche sicher nicht, denn das habt Ihr heute bewiesen:

KEINE EINZIGE FRAGE KAM VON EUCH ZUM ESM, ODER ZUM FISKALPAKT!

Liebe Leserinnen und liebe Leser, verzeihen Sie mir diesen emotionalen Ausbruch, aber ich finde es ganz einfach unverantwortlich, dass die Einzigen, die Ihnen als BürgerInnen dieses Landes Aufklärung über wirklich relevante Geschehnisse bringen können, Sie mit absoluten Nebensächlichkeiten von den wichtigen Themen ablenken.

Auf der Suche nach den Motiven, warum und weshalb und vor allem wer es zu verantworten hat, dass der ESM totgeschwiegen wurde und wer etwas davon hat, bin ich wieder ein Stück weitergekommen. Wieder finde ich Eitelkeit dort, wo sie keinen Platz haben dürfte, oder zumindest nur in einer untergeordneten Rolle vorhanden sein dürfte: Auch in der Journaille gibt es sie zuhauf und ansteckend, wie die Pest.
Der persönliche Ruhm, die Jagd nach der persönlichen Sensation wiegt mehr, als die echte und schwierig zu transportierende Information zu Sachthemen.
Oberflächlichkeit wird zum Credo erhoben und das Verantwortungsbewusstsein weicht mehr und mehr dem vorauseilenden Gehorsam.

Aber, ich bleibe dran und gebe nicht auf - Ihr beschämter Felix

1 Kommentar:

  1. Erweckt den Eindruck als wolle man die Blauen verSCHEUCHen, damit vom ESM und vom Fiskalpakt abgelenkt wird!
    UWEh, ob das gut ist?

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