Dienstag, 10. Juli 2012

Parlamentarismus und Demokratie – wie sich das verträgt anhand des Untersuchungsausschusses


Liebe LeserInnen dieses Blogs, vorab einmal besten Dank für die vielen konstruktiven Mails und Nachrichten.
Aus einigen Mails habe ich wertvolle Anregungen und Fragen mitgenommen, die ich in den letzten Tagen versucht habe umzusetzen und beantworten zu lassen.

Im Kern ging es dabei um die Frage nach der Demokratie in Österreich und ob man unseren Volksvertretern (noch) trauen kann.

Eine berechtigte Frage, die Frage nach dem Vertrauen in die PolitikerInnen dieses Landes.

Wo findet man dazu Antworten? Ich dachte mir, am besten dort, wo sie wirken und arbeiten: im Parlament. Und dazu habe ich mir den zur Zeit anhängigen Untersuchungsausschuss „angetan“, um abseits des Boulevards Eindrücke und Stimmungen dort und dann aufzufangen, wenn sich die Damen und Herren in “Sicherheit“ vor der Journaille wähnen.

Warum ich mir den Untersuchungsausschuss ausgesucht habe: erstens, weil das zur Zeit zu behandelnde Thema hochbrisant ist (es geht hier immerhin um einen möglichen direkten Einfluss aus der Privatwirtschaft in die Gesetzgebung – vorbei an allen parlamentarischen Sicherheitsvorkehrungen), zweitens, weil die für heute geladenen Auskunftspersonen hochinteressant sind, drittens, weil die Vertreter der Fraktionen in diesem Ausschuss zueinander ein teilweise gespanntes Verhältnis haben und viertens, weil es in diesem heutigen Ausschusstag auch um zentrale Fragen der Demokratie geht.

Ich habe mir dazu eingangs einmal die Interviews und „Auftritte“ der Fragesteller angehört und aufgezeichnet. Pilz, Amon, Rosenkranz, Höbarth, Petzner haben teilweise sehr ausführliche, aber auch untergriffige Interviews gegeben.



Pilz spricht zum Beispiel ganz offen davon, dass man ein eigenes Gefängnis für Politiker einrichten sollte (warum, frage ich mich: sind die existenten nicht gut genug?) und am besten dazu gleich das Anwesen eines bekannten Jagd-Grafen verwenden sollte. Für mich war das ein wenig Marktschreierei und hat nur wenig mit Sachinhalten zu tun. Vor allem verwunderlich, wenn man ein wenig zurückblickt – ein Monat reicht da schon aus – wo man sich als Opposition einig war, gemeinsame Anträge im Plenum zu stellen, weil gewisse Zeugenladungen verhindert worden wären / sind und sich nun – zur gleichen Sache – an die Gurgel gehen möchte.
Das ist sachlich nicht ganz nachvollziehbar, weil die Positionen in der Sache vor einem Monat dieselben waren, als auch heute.
Aber dann verständlich, wenn man die übrige Entwicklung abseits des Untersuchungsausschusses in Sachen ESM und die gegenteilige Verantwortung dazu nimmt. Dann wird klar, dass es heute auch darum gehen wird, die eigene Position als Fraktion zu festigen, zu behaupten und überhaupt ein Statement gegen die Mitstreiter abzugeben.
Und darauf musste man nicht lange warten: Grün stürzte sich in Persona Pilz auf Orange in der Manier eines Ringers.
Von einer echten Gemeinsamkeit war da nicht viel zu merken.
Pilz nützte die Gunst der Stunde auch, um zu einem veritablen Rundumschlag auszuholen und die Grünen als die einzige wahren Helden in der österreichischen Geschichte darzustellen.
Nun, das ist sein gutes Recht, aber wohl etwas am Thema vorbei geschossen.



Der junge Stefan Petzner war da bei seinem Interview wohl bemüht, es ebenso angehen zu lassen, allerdings fehlten ihm hier die „Argumente“ und Schuldigen.



Abgeordneter Amon hingegen versuchte zumindest, bei Sachinhalten zu bleiben und Walter Rosenkranz und Christian Höbarth interessieren sich gar nicht für die anderen Fraktionen.



So weit, so gut. Einzig erkennbare Regung war also, dass sich Grün, vertreten durch Pilz, ganz massiv gegen Orange und Schwarz (BZÖ und ÖVP) und ein wenig gegen Rot (SPÖ)und Blau (FPÖ) stellt.

Eigentlich, so sollte man meinen, also alles beim Alten. Gäbe es da nicht die „Vorgeschichte“ des gemeinsamen Schulterschlusses der Opposition gegen die Regierungsparteien und die zu einem anderen Thema erhobenen Vorwürfe von Blau-Orange gegen die Grünen beim ESM.

Das ist parlamentarische Demokratie: Sich mit dem Wind drehen und nicht an einer Richtung festhalten. Keine Kontinuität, keine Konsequenz dahinter.
Die parlamentarische Demokratie – halten wir das einmal fest – hängt von den jeweiligen Befindlichkeiten Einzelner ab.

Außerdem darf ich heute erleben und hören, was „direkte Demokratie“ für einige Damen und Herren bedeutet / bedeutet hat:



Da wird ganz offen darüber gesprochen, dass wahrscheinlich der Chef eines riesigen Glücksspielkonzerns Gesetzesänderungsvorlagen ausgearbeitet hat, ausarbeiten hat lassen – so der Tenor, des Ausschusses: (11:05 Uhr im Budgetsaal) Pilz zitiert einen Gesetzestext. Hochegger will davon nichts gewusst haben. "Ich habe mich damit nicht befasst, ich hatte den Eindruck: Was die machen führt zum Ziel." Ob Novomatic-Chef Franz Wolfahrt den Text verfasst habe? Hochegger: "Das würde Sinn machen"

Wenn dem so wäre, dann würde das Modewort „direkte Demokratie“ eine völlig neue Bedeutuung bekommen: Man kauft sich das passende Gesetz und die passenden Politiker und Beamten gleich dazu. Es gilt natürlich für alle die Unschuldsvermutung.

Was bleibt nach diesem Tag ist ein flaues Gefühl im Magen, ein schaler Geschmack im Mund und Kopfschmerzen von den vielen inhaltlosen Wortaneinanderreihungen ohne Substrat.

Und eine Erkenntnis:

Der Begriff Demokratie und wie diese dann gelebt wird, wird leider gehandhabt wie Geschmack: jeder hat seine eigene Betrachtungsweise und jeder hat seinen eigenen Zugang dazu. Diese Interpretationen des Demokratieverständnisses der Protagonisten könnten schon wieder eine eigene Form der Demokratie darstellen, würden sie nicht den Grundgedanken echter Demokratie derart untergraben.
Dass die Privatwirtschaft derart massiven und eigennützigen (und im Falle des Glücksspiels natürlich auch zwingend zum Schaden vieler betroffener Spielsuchtabhängiger) Einfluss in parlamentarisch demokratische Entscheidungsprozesse nehmen könnte, ist mehr als nur besorgniserregend und wirft ein ganz schlechtes Licht auf das Verständnis einiger Protagonisten im Zentrum der Macht.
Und kann man unseren Volksvertretern (noch) trauen?
Ja, denn abseits der Malversationen gibt es viele Politiker, die anständig und aufrichtig ihre Arbeit verrichten.
Nur das Bild, das nach außen hin gezeichnet wird, durch das Verhalten einiger weniger ist verheerend.
Daran muss gearbeitet werden.

Ihr Felix

1 Kommentar:

  1. Die Demokratie wird dadurch ad absurdum geführt, als dass da jeder nur versucht seinen Sitz bis zum Pensionsanspruch zu behalten, - aus dieser Verlustangst heraus wird hier oftmals mehr "Statego" gespielt, als demokratisch vorgegangen.
    Es ist teilweise so gar so schlimm, dass hier eine Angst herrscht, etwas verlieren zu können was man noch nicht einmal hat!
    Mein Appell an unsere gewählten Demokraten lautet:
    Wir, das Volk haben Euch gewählt um die Interessen Österreichs zu vertreten, also vertretet uns auch in unserem Sinne und nicht zum Selbstzweck!

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