Montag, 16. Juli 2012

Politik anders betrachtet – was, wer mit wem, warum und überhaupt


Parlamentsferien – klingt ein wenig wie Schulferien und weckt Erinnerungen an die Zeit, als wir Knaben und Mädchen uns schon gefreut haben, uns endlich fernab der „Schuldiktatur“ im Strandbad allerlei Blödsinn und Unfug auszuhecken.
Klingt wie ein Tag im Parlament – könnte man unter dem Mantel des Sarkasmus heute auch sagen.

Diese Ferienzeit, in der unsere gewählten Volksvertreter sich vom Alltag der politischen Arbeit erholen, ist für mich die Zeit, in der ich geradezu mit Wollust und ohne dem Druck des ständigen Berichterstattenmüssen die „Basisarbeit“ erledige: Grundlagerecherchen, in den Archiven stöbern, amikale Interviews mit sich in der Entspannungsphase befindlichen PolitikerInnen führen, einfach in den Tag hineinschreiben – manches Mal auch ohne Sinn und Zweck dahinter, einfach, weil es Spass macht.

Dazu habe ich mir ein wenig „leichte“ Kost verordnet und starte in meine ganz privaten Ferien mit dem Thema: was ist Politik den nun wirklich und betrachten wir diese Politik doch einmal so, als wäre sie nicht wichtig.

Ein der besten und lustigsten Beschreibungen, was denn nun Politik ist, habe ich vor vielen Jahren einmal gelesen und mir Gott sei Dank aufgehoben. Hier nun diese wunderbare Überzeichnung in Form einer kurzen Geschichte:

Der kleine Sohn geht zum Vater und fragt ihn, ob er ihm erklären könne, was Politik sei. Der Vater meint: "Natürlich kann ich Dir das erklären. Nehmen wir zum Beispiel mal unsere Familie. Ich bringe das Geld nach Hause, also nennen wir mich Kapitalismus. Deine Mutter verwaltet das Geld, also nennen wir sie die Regierung. wir beide kümmern uns fast ausschließlich um dein Wohl, also bist du das Volk. Unser Dienstmädchen ist die Arbeiterklasse und dein kleiner Bruder, der noch in den Windeln liegt, ist die Zukunft. Hast Du das verstanden?" Der Sohn ist sich nicht ganz sicher und möchte erst mal darüber schlafen.

In der Nacht erwacht er, weil sein kleiner Bruder in die Windeln gemacht hat und nun schreit. Er steht auf und klopft am Eltern-Schlafzimmer, doch seine Mutter liegt im Tiefschlaf und lässt sich nicht wecken. Also geht er zum Dienstmädchen und findet dort seinen Vater bei ihr im Bett. Doch auch auf sein mehrmaliges Klopfen hin lassen die beiden sich nicht stören. So geht er halt wieder ins Bett und schläft weiter. Am Morgen fragt ihn der Vater, ob er nun wisse was Politik wäre und es mit seinen eigenen Worten erklären könne. Der Sohn antwortet: "Ja, jetzt weiss ich es. Der Kapitalismus vögelt die Arbeiterklasse während die Regierung schläft. Das Volk wird total ignoriert und die Zukunft ist voll Scheisse!"

Köstlich und treffend, diese Allegorie, nicht wahr?

Da ich hier in der Meinungsbildung und der fantastischen Sichtweise nicht hinderlich sein möchte, überlasse ich es gerne Ihnen, die Figuren der Erzählung mit Parteifarben auszumalen.

Da sind wir dann schon beim „wer mit wem“.

Diese Konstellationsfrage ist gar nicht so leicht zu beantworten – zu volatil sind die Dogmatiken und viel zu fragil die eigentlichen Vorhaben der einzelnen Protagonisten (verzeihen Sie bitte den Wulst an Fremdwörtern). Anders gesagt: wieso zerbrechen Koalitionen derart schnell, finden sich in kürzesten Zeitabständen nach Neuwahlen wieder und wieso polemisierte jede Opposition nur?

Unterscheiden wir zunächst einmal zwischen den zwei großen Bereichen, die uns zugänglich sind:

Die Journaillenpolitik (das ist meine Bezeichnung für die Politik, die wir tagtäglich medial auf den Teller serviert bekommen):

Was Gestern noch notwendig war, ist heute nicht mehr relevant und wird morgen schon überholt sein. Die heutig medial präsente Politik ist ein ständiger Fluss, immer in Bewegung und darauf ausgerichtet, sich und die eigenen Vorhaben in das möglichst beste Wahllicht zu rücken. Nicht immer ist das, was gerade rausposaunt wird, auch das, was tatsächlich verfolgt wird. Bestimmt wird diese Art der Politik durch die einzelnen Persönlichkeiten, die sogenannten Meinungsmacher und Obleute und Obfrauen.
Wobei man nie außer Acht lassen darf, dass diese an die Parteigremien gebunden sind! Das, was uns vorne gesagt wird, muss hinten getragen werden, oder anders gesagt:
Jede/r nach außen hin repräsentierende SpitzenpolitikerIn muss sich schließlich dem demokratischen Diktat der Partei stellen. Die Handlungsspielräume sind hier sehr begrenzt und Ausreißer werden nicht selten mit dem Niedergang der Person betraft. Ganz klar also, dass der tatsächliche Handlungs- und Kommunikationsraum sehr beschränkt durch Parteistrategien ist.

Dann gibt es da noch die Politik als Staatskunst:

Diese ist in mehrere Bereiche eingeteilt und agiert bis zu einem gewissen Punkt (nämlich bis zu jenem Punkt, wo dann die Journaillenpolitik ins Spiel kommt) fern der öffentlichen Wahrnehmung und wird in den allermeisten Fällen von den Spitzenbeamten der jeweiligen Regierungseinrichtungen ausgearbeitet, vorbereitet und auch umgesetzt.
Der institutionelle Rahmen, der politische Prozess und die einzelnen Politikfelder werden von Professionisten erledigt und ausgefüllt, die nicht viel mit der öffentlichen Wahrnehmung zu tun haben.
In dieser Staatskunst geht es vor allem darum, bestimmte Inhalte machtpolitischer oder struktureller Natur Durchzusetzen. Zum Beispiel beim Entstehen eines Gesetzes. Zusammen mit den inhaltlichen Aspekten (Budget, Verkehr, etc..) und den parteipolitischen Vorgaben entsteht hier ein demokratischer Prozess, der letztlich von der Artikulation eines Interesses zur Gesetzgebung führen kann.

Ich darf mich jetzt Peter Filzmaiers bedienen, der einige sehr gute Beschreibungen zur Politik in einem Essay niedergeschrieben hat:

„Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen, (…) Politik ist also der durch die Umstände gebotene und von dem Vermögen (virtu) des Herrschers oder des Volkes sowie von der spezifischen Art der Zeitumstände abhängige Umgang mit der Macht. Niccolò Machiavelli (um 1515)

Der Sinn von Politik ist Freiheit. Hannah Arendt

Diejenigen, die zu klug sind, sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst. Platon

Politik ist der stets neu zu schaffende Kompromiss von Macht und Vernunft. Carl Friedrich von Weizsäcker

Politik ist unblutiger Krieg, und Krieg ist blutige Politik. Mao Tse-Tung

Wer Politik betreibt, erstrebt Macht. Max Weber

Wo Politik ist oder Ökonomie, da ist keine Moral. Friedrich Schlegel „

In beiden Bereichen finden wir die Antworten auf die Fragen: „wer mit wem „

Einerseits sind Koalitionen auf Zeit getroffene Vereinbarungen zu einem gemeinsamen Ziel: der Machterhaltung. Dies natürlich immer nur unter der Prämisse, den Wählerwillen zu erfüllen – so die immer wieder gleichlautende Erklärung.
Andererseits sind diese Koalitionen auch ein zwingendes Produkt der Demokratie: um Ziele zu erreichen müssen für bestimmte Vorhaben Mehrheiten zwingend erforderlich. Eine Koalition wird auch deshalb – und mit dem am Leichtesten zu handhabenden Partner (siehe Wien) – geschlossen um der eigenen Vorstellung von Regierungsverantwortung gerecht zu werden.

Manches Mal zerbrechen dann solche fragile Konstrukte aufgrund persönlicher Befindlichkeiten, aber auch wegen zu großer Differenzen in der Grundauslegung der Parteilinien.
Dass solche zerbrochenen Koalitionen nach einer Neuwahl wieder zueinanderfinden, liegt zumeist darin begründet, weil einzelne Personen ausgetauscht worden sind und weil man den Machterhalt auch um den Preis der Mitbestimmung betreiben muss.

Die Opposition hat hier als einzig taugliches Mittel nur die Kritik zur Verfügung: würde sie die  - manches Mal vielleicht durchaus tauglichen – Ideen und Konzepte für Problemlösungen oder zur Vorsorge und Staatenlenkung der regierenden Fraktion(en) zuarbeiten ohne auf sich selbst aufmerksam zu machen, dann würde die Opposition immer in der Rolle der „Watchmen“ bleiben und nie an die Regierungsmacht kommen.
Und das will sie natürlich genauso, wie die Regierenden an der Macht bleiben wollen.

Unterstellen wir hier einmal keine persönlichen Gründe zum Machterhalt, oder zur Machterlangung, sondern einfach, dass in aller Interesse das Wohl des Souveräns liegt, dann sind diese Bestrebungen durchaus verständlich und sollten eigentlich – unter der Voraussetzung, dass die staatstragenden Entscheidungen auch auf fundiertem Wissen beruhen – zur idealen Regierungsform führen.

Sie merken schon: das kann man alles nur im Konjunktiv schreiben, weil es eines der wünschenswerten Ideale wäre – und das auch nur vom Standpunkt eines einzelnen Betrachters aus gesehen.

Bleibt die Fragestellung übrig: „warum und überhaupt“.

Dies führt mich zu der in der letzten Zeit immer mehr geforderten direkten Demokratie.
Ein zweischneidiges Schwert, das zu führen sehr viel Geschick benötigt, ansonsten irreparable Schäden unausweichlich sind.

Zuerst einmal bedeutet der Wunsch nach direkter Demokratie die Schaffung eines ganz trivialen Problems:
Um dem Volk eine Entscheidungsbasis zu bereiten, die notwendig wäre, um sachlich und inhaltlich eine tatsächliche Meinungsbildung hervorzubringen und dann auch zu einer Entscheidung, ist ein irrsinniger Aufwand nötig: Die grundlegenden Informationen müssten frei, einfach und in leicht verständlicher Form zugebracht werden (ein einfaches „zur Verfügung stellen“ wäre hier der falsche Weg). Der Meinungsbildungsprozess müsste dann von weiterführenden Informationen begleitet werden, die wieder in fachlicher und sachlicher Hinsicht partieunpolitisch aufbereitet sein müssten.
Um hier überhaupt einen Nährboden für eine ausgewogene Meinungsbildung zu schaffen, müssten dem Volk zumindest die grundlegenden Mechanismen beigebracht worden sein – und das, mit Verlaub ist in Österreich wohl nicht so ganz der Fall, oder kennen Sie mehr als fünf Menschen in Ihrem Bekanntenkreis, die sich die Verfassung schon einmal durchgelesen haben, geschweige denn, sich damit auch auseinandergesetzt haben? Wohl eher nicht.

Ich glaube, dass hier schon einer der Gründe liegt, warum das Vorhaben direkte Demokratie kein Vorhaben für einen Sommer ist, sondern – wenn ernst gemeint – schon im Schulunterricht Einzug halten muss.

Die zweite Gefahr besteht darin, dass es zu einer versteckten „imperativen Demokratie“ (das ist mein Kunstwort für eine sogenannte „Räterepublik“) kommen könnte:

Die tatsächliche direkte Demokratie bedeutet letztendlich, dass Mandatare (die „Räte“) direkt vom Volk gewählt werden und mit einem eindeutigen Auftrag versehen und an diesen dann auch gebunden werden.
Das wäre dann die Konsequente Umsetzung des Wunsches nach direkter Demokratie. Frage ist, ob wir das so wollen:
Dann würden sogenannte „imperative Mandate“ vergeben, bei denen einzelne Volksgruppen (zum Beispiel Bezirke, Gewerkschaften, Bauernbünde, Landkreise, Städte, etc..) direkt einen Mandatar wählen können, der dann die Interessen dieser Volksgruppe zu vertreten hat. Die Entsendung solcher Mandatare würde dann zwangsläufig auch in den Gesetzgeber, die Gerichte und die Regierung im Allgemeinen geschehen und diese „Räte“ wären dann auch wieder abrufbar und natürlich direkt beeinflussbar. Eine Gewaltenteilung gäbe es nicht mehr.
Ein Beispiel für eine Rätedemokratie ist zum Beispiel Russland um 1920.

Wenn man sich allerdings dieser Gefahren bewusst ist und ausschließt, dann kann es durchaus Sinn machen, ein Mehr an direkter Demokratie zu wollen. Dabei darf der Parlamentarismus jedoch nie abgeschafft werden, denn das „freie Mandant“ bedeutet, dass der jeweilig gewählte und entsendete Politiker nach seinem Gewissen entscheidet und nicht einer Dogmatik folgt (das ist der große Unterschied zum obigen Beispiel).

Es ist durchaus legitim, das bestehende Modell einer Demokratie andauernd zu hinterfragen und nach einem Weg zu suchen, um möglichst viele Meinungen frei zu vereinen.
Insofern ist auch eine Diskussion über das bestehende Demokratiemodell wünschenswert, allerdings sollten die Begriffe richtig definiert werden und klare Grenzen gezogen werden, denn eines ist klar:
Nur aufgrund der in den letzten Jahrzehnten gelebten Demokratie haben wir das erleben dürfen, was wir heute Freiheit nennen.

Mit diesem kostbarsten aller Güter muss man vorsichtig und bedächtig umgehen.

Der erste Weg ist sicherlich der, dass man den Souverän gründlich und ehrlich über die bestehende Demokratie aufklärt. Also: zuerst ein Mehr an Bildung!

Dazu darf ich mich dieses Bildes bedienen:



Nun wissen Sie, wie meine „Parlamentsferien“ aussehen und wie viel Spass ich dabei habe, die Aussagen und Anmerkungen und Vorhaben der in Urlaub befindlichen PolitikerInnen kritisch zu beäugen: einen Mordsspaß!

Ihr Felix

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