Mittwoch, 4. Juli 2012

Wie versprochen, so gebrochen - die nächsten Ver(b)sprechen warten schon


Ich war heute wieder einmal im Parlament und habe meinen Lieblingsort besucht: die Kantine. Dort gibt es den Herrn Adi, einen Oberkellner alter Schule, der alles hört und nie etwas sagt und natürlich gibt es da die vielen illustren Gäste. Pünktlich zur Mittagszeit habe ich mich an meinen Stammplatz gesetzt und auf die hungrigen Debattierer aus dem Plenum gewartet. Lange hat es nicht gedauert, dann sind die ersten - offensichtlich von der Diskussion im Plenum noch erhitzten - Abgeordneten und -innen eingetroffen.
Gleich am Nebentisch hat sich BZÖ Mandatar Petzner zu einer schnellen Zigarette hingesetzt und gegenüber eine geschlossene Gruppe der SPÖ. Wie halt in der Kantine so üblich wird auch Stress abgebaut und werden eben erlebte Reden im Plenum npoch einmal durchgegangen. Und es werden - das ist bei fast allen Fraktionen so - kurz vor dem Abruch so etwas ähnliches wie "Kampfparolen", "Durchhalteparolen", oder auch schnell noch die gemeinsame Linie besprochen.
Und so bekommt man halt als Journalist einen etwas anderen Einblick, sieht und hört Aussagen und Statements, die oft völlig gegensätzlich zu dem stehen was davor oder danach im Plenum gesagt wird.
Und heute durfte ich erleben, wie einige Mandatare und -innen sich des Inhalts des ESM gar nicht bewusst sind und uahc gar nicht gelesen haben. Tatsächlich waren es rote und schwarze Abgeordnete und -innen, die im Gespräch offen die Informationsmängel zugegeben haben, weil sie sich nicht den Vertrag durchgelesen haben, sondern nur die von den jeweiligen Klubs zusammengstellte (und aus dem Zusammenhang gerissene) Kurzfassung überflogen haben.
Und einige der Abgeordneten und -innen haben sogar den Vertrag immer wieder falsch als EMS bezeichnet.
Nach einer dreiviertel Stunde in der Kantine habe ich genug gehört und mitgeschrieben, um zu wissen, dass diejenigen, die im Plenum so großartig Wissen vorspielen, nur Halbwissen besitzen und gar nicht bemüht sind, diese Informationslücke zu schließen. Der fröhliche Sozialist zu meiner linken hat beim Zahlen noch kurz angemerkt: "So, und jetzt druck ma des no schnell durch - nächste Woche bin i in Urlaub.". Dafür bekam er einstimmig Zuspruch.

Wenn ich jetzt zurückblicke und die letzten Jahre Berichterstattung aus dem Parlament Revue passieren lasse, dann gehe ich mit meinem Kolegen von der Kleinen Zeitung d'accord. Deshalb sei es gestattet, dass ich den heutigen Beitrag der Kleinen Zeitung teilweise hier zitiere:

Wann immer die Euro-Retter beteuerten, sie hätten die Krise nun im Griff und würden gewisse rote Linien nicht überschreiten, taten sie es am Ende dann doch. Vieles konnte man in seiner Dramatik nicht vorhersehen. Vor manchem verschloss man bewusst die Augen, und getrickst und geschwindelt wurde auch.

Lesen Sie hier die wichtigsten gegebenen und sofort danach gebrochenen Versprechen. (Danke an die Kleine Zeitung für diese Recherchearbeit!)

Versprochen: Das erste Griechenland-Hilfspaket (2010) ist nur symbolisch nötig und wird gar nicht ausgeschöpft.
Gebrochen: Als die EU im März 2010 das erste Hilfspaket schnürte, sprach Ratspräsident Herman Van Rompuy von einem symbolischen Zeichen. Die 110 Milliarden würden gar nicht wirklich abgerufen, seien nur ein Signal an die Märkte. Die bittere Wahrheit: Bereits im Juni 2010 zweifelte der IWF, ob das erste Paket reichen werde. Im Juli 2011 wurde über den EFSF das zweite Paket mit 130 Milliarden Hilfe beschlossen, bald darauf redete man vom dritten Paket. Inzwischen wurde als ständiger Schirm der ESM aufgespannt.

Versprochen: Der Euro wird eine harte Währung sein, weil sich die Teilnehmerländer zu strikter Budgetdisziplin verpflichten.
Gebrochen: Deutschland und Frankreich waren die ersten Länder, die höhere Schulden und Defizite auswiesen, als es laut Maastricht-Kriterien erlaubt gewesen wäre. Ab 2005 wurden die Spar-Regeln und Sanktionen rund um den Euro aufgeweicht. Die Folge: Der Euro kann sich zwar gegenüber dem Dollar behaupten, aber nur deshalb, weil beide Währungen schwach sind. Gegenüber dem Schweizer Franken wurde der Euro kontinuierlich abgewertet. Im Sommer 2011 kollabierte er, im September 2011 musste die Schweiz sogar eine Untergrenze von 1,20 Franken je Euro fixieren.

Versprochen: Kein Euro-Land haftet für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates der Währungsunion.
Gebrochen: Dieses eiserne Grundprinzip, auf dem die Währungsunion gründet, auch "No-Bailout-Klausel" genannt, wurde schon mit der Zusage des ersten Rettungspakets für Griechenland im Frühjahr 2010 ausgehebelt. In den folgenden zweieinhalb Jahren hat sich die Vergemeinschaftung der Staatsschulden im Euro-Raum so gut wie verselbstständigt. Der Regelbruch ist inzwischen politische Norm. Damit hat sich die Stabilitätsunion in eine Haftungs- und Schulden- und Transfergemeinschaft gewandelt.

Versprochen: Es kommt keine Schulden- und Transferunion mit gemeinsamer Haftung für Staatsschulden.
Gebrochen: Zwar gibt es formell noch keine Euro-Bonds, also keine gemeinsamen Staatsanleihen der Euroländer mit gemeinsamer Haftung für die Gesamthöhe. Aber die jüngst beschlossenen Änderungen im ESM kommen einer Schuldenunion schon sehr nahe. Denn der ESM-Schirm wird zur Rettungsinsel vor allem für taumelnde Banken, denen er künftig direkt frisches Geld zuschießen kann. Die hinter dem ESM stehenden Staaten übernehmen damit als "Bad Bank" alle unbeherrschbaren Risiken der Banken.

Versprochen: Die Europäische Zentralbank wird kein Schuldnerland bevorzugen und die Regeln nicht ändern.
Gebrochen: Die EZB akzeptiert griechische Staatsanleihen mit Ramsch-Status als taugliche Sicherheit für Bankkredite. Eine Gleichbehandlung der Schuldnerländer gibt es nicht, denn Italien und Spanien profitieren von den gelockerten Regeln zur Bankenhilfe über den ESM, während sich die "alten" Schuldnerländer wie Irland und Portugal strengen Auflagen und Kontrollen unterwerfen mussten. Unklar ist, ob Griechenland seinen "Wunschzettel" zur Verwässerung der Sparbemühungen durchbringt.

Versprochen: Österreich verdient sogar an der Griechenland-Hilfe, weil es Zinsen für die Kredite erhält.
Gebrochen: Die griechischen Zinszahlungen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe der von Österreich übernommenen Garantien. Laut Finanzministerin Maria Fekter zahlte Griechenland bis zum Vorjahr 19,5 Millionen Euro Zinsen an Österreich. Im Gegenzug haften wir im ESM-Schutzschirm mit mehr als 19 Milliarden Euro für Zahlungsausfälle der europäischen Banken und Schuldnerländer. Zwar beziehen sich diese Haftungen nicht nur auf Griechenland, aber der Ankauf eines solchen Risikos hat mit "Geschäft" nichts mehr zu tun.

Versprochen: Nur wer die strengen Euro- Aufnahmekriterien erfüllt, darf Mitglied der europäischen Währungsunion werden.
Gebrochen: Faktum ist: Griechenland hat 2001 nur durch Schummelei den Beitritt zum Euro geschafft. Die Regierungen in Athen fälschten über Jahre hinweg die Haushaltszahlen, in Brüssel und in Europa sah man darüber hinweg. Aber auch heuer werden nur acht von 17 Euro-Ländern ein Budgetdefizit aufweisen, das die erlaubte Marke von drei Prozent nicht überschreitet. Die ersten zwei Länder, die den Maastrichter Stabilitäts- und Wachstumspakt 2003 wie selbstverständlich durchbrachen, und die dafür vorgesehenen Sanktionen stoppten, waren übrigen Deutschland und Frankreich.

Soweit diese Zusammenfassung, die noch um einiges weitergeführt und ergänzt werden könnte (man denke hier nur an den Eurofighter Beschaffungskrimi...).

Fakt ist, dass ich heute auch hören konnte, wie hämisch man sich darüber ausgetauscht hat, dass die Opposition ausgebootet werden konnte und man mit den Zusagen an die Grünen wird leben können. Ausserdem muss man sich ja nicht daran halten - es ist ja alles so "dynamisch" (ganz schön durchtrieben, nicht wahr?).

Ich habe dann die übrigen Reden noch im PLenum verfolgt und festgestellt, dass es völlig egal ist, wer noch welches vernünftiges Argument vorbringt, oder in gerechter Empörung sich lautstark versucht Gehör zu verschaffen, denn die Würfel sind bereits gefallen. Und zwar nicht heute, sondern bereits vor vielen Monaten. Und das ist eine Tatsache: keine Fraktion - und schon gar nicht der extrem langsame (durch seine basisdemokratische Ausrichtung geprägte) Klub der Grünen - ist in der Lage, solch ein kompliziertes Konstrukt in wenigen Tagen, oder Wochen aus dem Boden zu stampfen und auch noch in eine Antragsfassung zu bringen. Diese Gespräche mussten zwingend logisch bereits vor viel längerer Zeit zwischen der Regierung und der alternativ linken Opposition begonnen haben. Und dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ich habe dann gehört, wie ein Josef Cap, ein Werner Kogler und einige andere noch, zwar zugeben, sehr "ambivalent" zum ESM zu stehen, aber gleich darauf eine große Lüge erzählten: die gemeinsame Sprache war diejenige, dass das österreichische Parlament nun ein Mitspracherecht beim ESM hätte und damit ein Vetorecht innehätte. Aber es wurde kein Wort zu der Regelung des Dringlichkeitsverfahrens verloren. Und dies nur deshalb, weil den Sprechern bewusst war, das die Debatte live im Fernsehen zu sehen ist.

Eine nächste - noch viel größere Lüge - wurde als zwingendes Argument für die Schaffung des ESM genannt:

Damit würde Wohlstand gesichert, es würden Arbeitsplätze für Österreich gesichert und man braucht den ESM deshalb so dringen, dass die Spekulationen aufhören.

Fakt ist: der ESM erhält mit seiner Errichtung auf die zwingende Aufgane, am Anleihenmarkt zu spekulieren. Und das steht dort in deutscher leicht lesbarer Sprache. Kein Irrtum möglich.
Fakt ist auch, dass der durch den ESM nun ins Rollen gebrachte Prozess viele weitere umfassende Änderungen mit sich bring, wie zum Beispiel den Fiskalpakt, der uns ja als "Kontrollmechanismus" verkauft wird. Dazu hat Herr Kopf (ÖVP) heute eine mehr als nur erschreckende Aussage im Plenum getroffen: dies dient zur Kontrolle uind Einjschränkung der Rechte von Staaten, die Hilfe empfangen und macht uns (Österreich) stärker!
In dieser Aussage, die so stehengeblieben ist, steckt eine brutale und grausame Botschaft: Wir wollen über andere Länder herrschen! Und vergessen dabei, dass wir eines Tages in derselben, beherrscheten Situation sein können und wenn sich nicht ein Wunder erreignet, auch sein werden. Damit hat einer der Verfechter des ESM auch zugegeben, dass es sich um den totalen Verlust der Souveränität der einzelnen Nationen handelt.

Fakt ist auch, dass das Wunschdenken, ganz Europa würde es nun besser gehen und der Wohlstand würde sich heben, irrational und einfach nur Träumerei ist. Warum: Mit jeder Haftung, mit jeder Zahlung, die wir als Österreich tätigen, geben wir unser Vermögen her, ohne unmittelbar (maximal sehr langfristig, wenn sich alle Betiligten, also rund 400 Millionen Menschen in Europa, an die Therorie halten) davon zu profiieren. Das Geld fehlt uns dann auch unmittelbar für wichtige Innovationen und Entwicklung. Die schwer verschuldeten Staaten hingegen müssen sich erstens einmal an Zwangsmassnahmen halten (wollen), ein Wirtschaftswunder vollziehen und auch künftig sich dem sehr hohen Standard der Kernzione anpassen. Ein Vorhaben, dass sich nicht in wenigen Jahren umsetzen lässt und nur unter den allerbesten Voraussetzungen und mit Wollen der betroffenen Staaten.
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass das alles nur Wünsche sind, die noch nicht einmal im Ansatz erfüllt oder umgesetzt sind. Das beste Beispiel ist Österreich selbst: wir schaffen es nicht einmal, im eigenen Land eine vollständige Integration von anderen Kulturen und Gewohnheiten umzusetzen. Und dann will man uns glauben machen, dieses Vorhaben würde aber im Großen funktionieren? Es würden sich nahezu 180 Millinen Menschen von heute auf morgen in ein anderes Kultur- und Wirtschaftsverständnis unterordnen? Und es dann auch noch verstehen und selbtsständig und erfolgreich umsetzen können?
Es wird daher - so wie alles im Leben und wie in Österreich erfolgreich bei der Bildungspolitik praktiziert - ganz anders kommen: wir werden uns nach unten orientieren müssen, Wohlstand aufgeben und uns an den schachen Staaten orientieren müssen. Österreich wird seinen Wohlstand teilen müssen. Und wie immer beim Teilen, haben am Schluss beide Parteine nur mehr halb soviel (an Allem) zur Verfügung.
Auch im Pensionssystem natürlich und im Gesundheitssystem, im Fördersystem und so weiter....

Ich frage mich: wo ist da ein Vorteil für uns? Wo hebt sich da der Wohlstand, wenn wir das bisschen was wir haben, teilen müssen? Wer gibt uns die Jahrzehnte der Entwicklung und des Bestrebens zurück, die wir in dem Augenblick verlieren, in dem wir uns an die verschuldeten Staaten anpassen müssen?

Ich frage mich: Ist diese Lehre, die uns hier vorgemacht wird - nämlich der Aufteilung von Allen auf Alle - nicht eine rein mraxistische Lehre?

Ich bin zutiefst enttäuscht über die Unverfrorenheit, die ich heute in der Kantine des Parlaments erleben "durfte": soviel Zynismus und Arroganz gegenüber dem eigenen Land ist unfassbar.

Dass der ESM vielleicht tatsächlich aus allen Lösungsmöglichkeiten die am wenigsten scherzhafte ist kann durchaus sein. Aber, dass man diese schwerwiegende Entscheidung im Stile einer Entscheidung einer "Geheimgesellschaft" an uns BürgerInnen vorbeischiebt, dass ist der eigentliche Wahnsinn. Und hier verstehe ich den Zorn und den Unmut vieler, die sich übervorteilt fühlen.

Und Tatsache ist auch: auch wenn es die vermeintliche "falsche" Partei sagt, wird Wahres nicht falsch.

Ihr Felix

2 Kommentare:

  1. Unfassbar wie hier mit dem Volk umgegangen wird, schade um den Einsatz des Personals im Hohen Haus, wenn man eh schon genau weiss, wie das alles ausgeht.
    Das waren sozusagen nur Alibiplenartage, denn die ganzen Expertenhearings waren für die Katz, trotz aller Warnungen ob eines Knebelvertrages, hat man stur das vorgefasste Ziel verfolgt und Unrichtigkeiten behauptet!
    Jeder, der deutschen Sprache Mächtige, kann bei Lektüre des ESM-Vertrages unschwer erkennen, dass uns da von den Befürwortern etwas vorgemacht wurde.
    Na dann darf man ja gespannt sein, wie die Befürworter des ESM aus dieser Nummer wieder raus kommen wollen, wenn es dann doch so ist, wie es im Vertrag steht!

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  2. Rauskommen? Nur zur Erinnerung: unkündbar, unwiderruflich und bedingungslos.
    Rauskommen wird da ein ganz schwerer und schmerzhafter Weg werden.

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