Freitag, 27. Juli 2012

65000 Euro - oder: Martinz's 92tel-Lösung


Nix ist mit Urlaub - Kärnten pfuscht mir drein und ich habe mir die Unerträglichkeiten des Kärntner Landtages angetan. Warum? Weil mich an der ganzen Sache einige Dinge unheimlich stören - lauter kleine Nadelstiche, die mich nicht zur Ruhe kommen lassen, den Schlaf rauben und mir den Tag vermiesen. Vorallem das Gezetere wegen 65.000 Euro will ich so nicht verstehen: in Wien geht es um Millionen und Milliarden - in Kärnten um den Wochenlohn eines Konzernmanagers und die politische Welt stürzt ein - der Bundespräsident ruft nach Rücktritten, etc...
Das stinkt zum Himmel und passt einfach nicht. Also bleibt mir nur - um meinem ganz persönlichen Frieden zu finden: teilnehmen an der Landtagssitzung.

Ich erspare Ihnen aber den Bericht dazu: nichts Interessantes, nichts Neues, nichts Weltbewegendes und nichts, was den Lindwurm vom Sockel schmeisst. Im Gegenteil: ganz schwache Leistungen der einzelnen Protagonisten. So laaf, dass ich mir das Ende nicht mehr gebe und mich stattdessen in das Studium der vorliegenden Berichte und Aussagen stürze. (Außerdem war ja ohnehin alles da von der Journaille, was Rang und Namen in Kärnten hat - da braucht es meiner Wenigkeit nicht.)
Das, was geblieben ist, ist immer noch dieses Gefühl, dass da mehr dran ist, als es scheint. Ich habe schon zu viele Prozesse im Bereich der Wirtschaftskriminalität miterlebt, um nicht zu wissen, dass man nicht alles glauben darf, was freiwillig gestanden und zugegeben wird .

Vorallem Martinz Verhalten passt sogar nicht.

Zitat:

 "Was ich getan habe, habe ich nicht getan, um mich zu bereichern", so der ehemalige ÖVP-Kärnten Chef weiter. "Was ich getan habe, habe ich nicht getan aus Gier. Was ich getan habe, entstand unter dem unsäglichen Druck, die Finanzen der Kärntner Landespartei nur irgend möglich zu sanieren." Es sei unverzeihlich, "dass ich dafür diesen Weg gewählt habe, dass ich mich von einem System habe verführen lassen. In dieser Sekunde habe ich leider in keiner Weise an die fürchterlichen Folgen für die Kärntner ÖVP, für meine Familie, nicht einmal an die Folgen für mich selbst, gedacht".

Quelle: Wiener Zeitung vom 27.07.2012

Hm, also diese "Geschichte" stinkt.

Ich will einmal versuchen, die Widersprüche in dieser bisher mir bekannt gewordenen Geschichte zusammen zu fassen:

Birnbacher erzählt von einer "Drittel-Lösung" - das wären dann bei dem Honorar von 12 Millionen Euro also vier Millionen Euro pro Drittel.
Birnbacher erzählt auch: Der Haider hätte gemeint, dass "eine Millin da schon drin sein muss" - das wäre dann aber eine freiwillige eine zwölftel-Lösung gewesen zu dem Zeitpunkt.
Nach dem "Patriotenrabatt" (jetzt sind es "nur" mehr sechs Millionen Euro Honorar, das es zu Dritteln gilt):
Martinz hat zugegeben 65 Tausend Euro erhalten zu haben - das wäre dann eine 92tel-Lösung und mit dem Beratungshonorar von Euro 35.000 zusammen 100 Tausend Euro immer noch nur eine 60tel-Lösung und auf keinen Fall eine Drittel-Lösung. Martinz hat da - aus welchen Gründen auch immer - also auf sage und schreibe mehr als 90% der vereinbarten Drittel-Lösung verzichtet?

Martinz sagte, er habe völlig alleine gehandelt in der ÖVP - niemand habe etwas gewusst.
Wie soll das gehen: bei der Drittel-Lösung hätten vier Millionen Euro in die Partei eingschleust werden müssen. Zum Vergleich: Im Jahre 2010 hatte die Kärnter ÖVP Gesamteinnahmen von 1,9 Millionen Euro zu verbuchen. Wie hätte man da vier Millionen "reinschummeln" wollen, also das doppelte des "normalen" Haushaltes, ohne das es jemanden auffällt? Das ist weder lebensnahe, noch nachvollziehbar.

Haider hätte also eine Million wollen. Warum sollen dann Scheuch und Dobernig "nur" eine halbe Million verlangen? Warum nicht die ganze Million, oder noch besser: warum nicht das ursprüngliche Drittel, also zwei Millionen? Warum sollten die beiden auf 75% der vereinbarten Summe verzichten?
Überhaupt, warum hätte Haider überhaupt auf satte drei Million Euro verzichten sollen, wo doch angeblich die "Drittel-Lösung" vereinbart war und er vier Millionen haben hätte können? (Die Drittel-Lösung sei ja angeblich von dem ursprünglichen 12 Millionen Honorar vereinbart worden.) Und: die Million hätte Haider angeblich zu einem Zeitpunkt verlangt (Jänner 2008), zu dem die 12 Millionen noch aktuell waren - der "Patriotenrabatt" folgte ja erst im März 2008, wo das Honorar dann auf sechs Millionen Euro halbiert wurde.
Wären aber auch noch immer zwei Millionen gewesen nach der Drittel-Lösung und nicht "nur " eine Million.

Und dann sagt Martinz unmotiviert, weil nicht explizit danach gefragt: "Was ich getan habe, habe ich nicht getan, um mich zu bereichern" - Hm....

Er habe das nur für die Partei getan, wei der Druck so unglaublich groß war, die Parteifinanzen in den Griff zu bekommen.

Also haben die Euro 65000 massiv dazu beigetragen, die Parteifinanzen zu sanieren.
Bei einem Haushalt von zwei Millionen Euro pro Jahr hat Martinz mit 65000 Euro die Parteifinanzen saniert.
Dabei fehlten der Partei im Jahre 2007 (das Jahr, in dem angeblich die Drittel-Lösung beschlossen wurde) 327.637,72 Euro, um ausgeglichen abzuschließen.
2008 waren es dann gar schon 497.709,99 Euro und 2009 dann satte 1.057.599,22 Euro - da waren Wahlen.

Das wird ja jetzt noch unglaubwürdiger: Mit "nur" 65.000 Euro hätte Martinz ein Haushaltsloch von mindestens 327.637,72 Euro sanieren wollen? Er hat da freiwillig auf mehr als 90% der ursprünglich vereinbarten zwei Millionen Euro verzichtet? Also wollte er die Parteifinanzen gar nicht sanieren?

Über die 35.000,-- die angeblich von der Rechtsanwältin abgerechnet/verrechnet worden sein sollen, rede ich gar nicht mehr. Die sind wahrscheinlich sogar belegbar.

Ich frage mich: ist das niemand aufgefallen, dass es hier nicht um Euro 65.000,-- für eine Partei ging? Im Ernst: Bei dem Deal mit der Bank waren das Peanuts! Ist es nicht viel lebensnaher anzunehmen, dass diese 65.000 Euro ein reines Privatvergnügen für Martinz waren? Vielleicht eine Art Kickback seitens eines sehr dankbaren Steuerberaters? Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung und sind das auch nur Überlegungen.
Aber, das würde alles wieder in einen erklärbaren Zusammenhang rücken:

Sowohl Birnbacher als auch Martinz lügen über fünf Jahre hinweg mit einer unglaublichen Vehemenz. Dann kommt das Gericht in der Verhandlung einigen Ungereimtheiten auf die Spur. Plötzlich wird Birnbacher vom Saulus zum Paulus und gesteht - was immer er auch zu gestehen gedenkt und lässt jede Menge an neuen Fragen offen stehen. Die Verantwortung für seine gestandenen Taten teilt er sich gleich einmal mit allen, die ohnehin schon involviert waren, oder ganz einfach tot sind. Der Martinz ist ihm egal und 65.000 Euro für Birnbacher nicht die Welt: ein sogenanntes Bauernopfer, oder auch Kollaterlaschaden?
Jetzt wird es eng für Martinz und er gesteht ebenfalls das was er zu gestehen denkt und das auch nur auf Nachdruck durch den Richter. Unter anderem, dass er mit einem Verstorbenen - der sich naturgemäß weder rechtfertigen kann, noch Stellung beziehen kann - einen Deal eingefädelt hat, der ein sechs Millionen Euro Honorar hätte dritteln sollen. Also drei mal zwei Millionen Euro pro Drittel. Nach den bisherigen sehr schwammigen Aussagen wären das dann ja wohl Martinz (ÖVP?), Haider (BZÖ?) und der Birnbacher selbst gewesen.

Nun sind aber insgesamt mehr als drei Milionen Euro zumindest zu Birnbacher rückverfolgbar (wenn man den Aussagen Glauben schenken darf). Also wieder nicht eine der angeblichen Drittel-Lösung zuzuordnende Summe.
Bei Haider ist gar nichts mehr rückverfolgbar und Martinz oder die ÖVP hat die angebliche vereinbarten zwei Millionen auch nicht erhalten - zumindest (noch) nicht nachvollziehbar.

Ich glaube daher, dass hier Lügen mit weiteren Lügen verdeckt werden. Dieses überraschend schnelle Geständnis, die Beteuerungen, das wäre alles im Intersse der Partei gwesen - obwohl niemand etwas davon wusste - und keinesfalls für Martinz selbst, er habe sich nicht bereichert.

Dann ist für mich auch klar, warum Scheuch und Co heute im Landtag in Kärnten derart locker waren: da war kein Zögern zu erkennen, keine Unsicherheit, nichts, was auf eine Schuld, oder ein schlechtes Gewissen in dieser Causa hinweisen würde. Ja nicht einmal der üblicherweise und übertriebene Zweckoptimismus.

Jetzt wage ich einen spekulativen Schritt in eine ganz andere Richtung: solche Deals, wie der Verkauf der Landesbank bewegen einen großen Finanzmarkt und dabei geht es um unglaubliche Summen. Ein gefälliges Gutachten zur richtigen Zeit ist hier schon sehr viel wert. Unter Umständen sogar hunderte Millionen Euro.
Das bei solchen Beträgen die Gier mitspielt ist hoffentlich jedem klar. Gier ist ja nicht strafbar, deshalb darf ich hier auch ganz offen feststellen, dass alle Beteiligten in dieser Causa gierig sind. Das zeigen auch die Lebensumstände der einzelnen Protagonisten. Man muss sich auf der Zunge zergehen lassen, dass Birnbacher ausgesagt hat, er hätte zwei Millionen Euro schon ausgegeben. Das ist verdammt viel Kohle für einen einzelnen Mann.
Und ein Geldkuvert bei einer Weihnachtsfeier zu übergeben, hat ja wohl wenig bis gar nichts mit Parteisanierung zu tun, vorallem dann nicht, wenn der Birnbacher auch dem Martinz sein Steuerberater ist und der Birnbacher dem Martinz die Stellung als Gutachter zu verdanken hat.
Vielleicht sind ja deswegen alle auf einmal zu Geständnissen bereit, weil es noch viel Schlimmeres zu verbergen gibt: was, wenn der Deal mit dem Verkauf der Bank grundsätzlich eine geschmierte Sache war und die Bank um ein Vielfaches zu billig verkauft wurde?
Nur, um den eigenen Vorteil zu wahren?
Für sechs Millionen persönliche Vorteile auf der einen Seite und für 65.000 Vorteile auf der anderen Seite?

Hat noch niemand daran gedacht, dass die Beteiligten vielleicht in der nunmehrigen "Notsituation" des "Erwischtwerdens" die Reißleine gezogen haben, den "leichteren" Weg gegangen sind und etwas gestanden haben, um etwas Anderes und viel Schlimmeres - nämlich die vorsätzliche Schädigung am Steuergeld - zu verheimlichen? Nach dem Motto: besser eine kleine Strafe, als die gesamte Schuld am Verlust von vielleicht mehreren hundert Millionen Euros tragen zu müssen?

Dann wäre vieles leichter verständlich:

Fünf Jahre vehement lügen und andere über die Klinge springen lassen und dann plötzlich "voll" geständig sein - wegen 65.000 Euro? Mein Gott, das stinkt.

Ihr Felix

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