Montag, 23. Juli 2012

Die Moral und die Politik - ohne geht‘s nicht, mit aber auch nicht besonders gut


Liebe LeserInnen, wir angekündigt, war ich heute bei der Pressekonferenz der FPÖ zu Gast und habe mit Spannung erwartet, was sich hinter der Ankündigung "aktuelles" so versteckt, denn immer wenn etwas als "aktuelles" gekennzeichnet wird, ist es im Normalfall ein heißes Thema, das man nicht zu früh verraten will.

Ich bin also ca. ein Viertelstunde vor Beginn der PK eingetroffen und habe mit Erstaunen festgestellt, dass die Pressekonferenzen der FPÖ seit neuerstem durchwegs gut besucht sind von der Journaille: das ORF Radio war ebenso anwesend, wie das ORF Fernsehen und die übrigen Plätze im Medienzentrum nahezu gefüllt.

Dann habe ich mein lieb gewonnenes Equipment aufgebaut und mich mit der Kamera in Stellung gebracht. Da ich der einzige Fotograf war, konnte ich in Ruhe den besten Platz und die beste Einstellung suchen. (Da sehr viele noch sehr junge KollegInnen der schrei(b)enden Zunft anwesend waren, nehme ich einmal an, man wird sich in den anderen Redaktionen - falls es einen Schreibartikel dazu geben wird - an Archivfotos schadlos halten.)

Die Themen der Pressekonferenz heute:
1. Die Stiftungscausa rund um Martin Graf und Gertrude Meschar und das nun bekannt gewordene Gutachten.
2. Peter Pilz's Dissertation auf dem Prüfstand.
3. Der ESM und die Auswirkungen.
4. Das Parkpickerl in Wien und wie die Regierenden mit mehr als 170.000 Stimmen dagegen umgehen.

Kurz nach 10:30 hat dann die PK begonnen und Herr Strache hat die oben stehenden Themen eines nach dem Anderen abgearbeitet. Was mir dieses Mal besonders aufgefallen ist: sowohl in der Causa Graf/Meschar, als auch in den anderen Themen, war der Vortrag Straches sachlich ruhig und eigentlich doch sehr emotionsungebunden.
Während Strache in den nächsten 40 Minuten alle Themen darstellte, habe ich versucht, Stimmungen aufzunehmen: wie reagieren die Kollegen auf die Themen, wie reagieren Straches im Publikum sitzenden Mitarbeiter, usw...

Kickl zu Pilz: "Für mich nur mehr ein halber Doktor."

Und während ich so vor mich hin knipse, fasse ich natürlich nebenbei die "Ausreißer" im Vortrag auf. Und siehe da, Strache hat doch eine sehr interessante Botschaft zu vermitteln, die aber weder auf der Themenliste steht, noch auf den ersten Blick erkennbar war. Aber sehen wir uns in einem kurzen Abriss einmal die Themen an sich an, vielleicht kommen sie ja von ganz alleine drauf, welche Botschaft da eigentlich zu vermitteln versucht worden ist.

ad 1.:
Bevor Strache auf die einzelnen Punkte des Gutachtens eingeht, äußert er sich betroffen über die mediale Zurückhaltung in der Berichterstattung. Ein klein wenig Sarkasmus schwingt in den Feststellungen mit, die er trifft und er hätte sich eigentlich eine ebenso groß angelegte Entschuldigungswelle erwartet, anstatt der "Nebenbeierwähnungen" in den Medien.
Nun gut, dieses Recht einzufordern ist natürlich ein gutes Recht. Aber auch ein Wunschdenken - und das ist auch so rübergekommen, dass er sich da nichts anderes erwartet hat. Aber auch hier: eigentlich sehr ruhig und gefasst - keine Ausbrüche und Anschuldigungen nur einfache Feststellungen,
Abseits der Entkräftungen vieler Anschuldigungen (und hier im speziellen der Vorwürfe der Erbschleicherei, der Abzocke, der Wertminderung, des Nichterfüllen des Stiftungszweckes, etc..) gibt es aber auch den wichtigen Aspekt, dass es sich hier "nur" um ein Gutachten handelt und noch um keine Entscheidung des zuständigen Gerichts. Darauf angesprochen ist sich Strache zwar sehr sicher, dass die Entscheidung des Gerichts aller Wahrscheinlichkeit nach dem Gutachten folgen wird, aber wenn das nicht der Fall ist, dann ist ganz klar, dass hier Konsequenzen gezogen werden.
Sagt ja auch der Gerichtssprecher: "Es ist noch nicht alles geklärt ... die Frage des Zustandekommens der Stiftung sei offen - dies zu prüfen sei aber auch nicht Aufgabe des Prüfers gewesen", so der Gerichtssprecher. Zu klären sei, wie es überhaupt zu dieser Stiftung gekommen ist und "ob es damals angebracht war, so etwas zu machen". Dies zu prüfen sei "die Aufgabe des Gerichts."
Aber auch wichtig:
Zur Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers sagte der Gerichtssprecher, dieser habe den Vermögensstand der Stiftung zu Beginn und zuletzt angesehen und komme dabei zum Ergebnis, dass das "im Großen und Ganzen ganz gut gelaufen" ist. Der Vermögensstatus habe im Wesentlichen erhalten werden können, die Stiftung sei liquide und die Stifterin habe etwas mehr bekommen als von ihr behauptet.
Straches Einstellung dazu: man wird die Entscheidung des Gerichts abwarten, aber die erhobenen wirtschaftlichen Vorwürfe sind aus der Welt und entkräftet.

(eine Anmerkung dazu: es gab zu diesem Thema eine Reihe von Fragen von zwei Kolleginnen, die in einer ungewöhnlich einseitigen Diktion gestellt waren. Zum Beispiel wurde folgende Frage immer wieder gestellt: "Aber wenn es jetzt zu einer Verurteilung kommt - lassen wir das Gutachten einmal weg - was tun Sie dann?". Ich bin über diese Art der Frage nun doch sehr verwundert: wussten die Kolleginnen denn nicht, dass es hier nicht um einen Strafgerichtsprozess geht, sondern um einen Abberufungsantrag der Stifterin beim Handelsgericht Wien? Für mich hörten sich diese Fragen alle ein wenig nach: "Aber der gehört ja eingesperrt, warum ist das denn jetzt nicht so?" an. Sehr tendenziös, sehr bedenklich. Ich verstehe schon, dass ein/e Journalist/in durchaus auch provokant fragen muss - ganz klar - aber am Thema vorbei, das ist nicht in Ordnung. Außer das Thema ist intern in der Redaktion: der Graf muss weg - dann verstehe ich es wieder - obwohl es noch immer nicht objektiv ist.)

ad 2.:
Vorgelegt werden uns unten abgebildete Dokumente und folgende Vorwürfe erhoben:

Peter Pilz habe im Jahre 1982 gemeinsam mit Hannes Werthner im Auftrag des Wissenschaftsministeriums die Studie "Ökonomische Bedeutung der neuen Medien in Österreich" verfasst. Beauftragt und bezahlt wie gesagt vom Wissenschaftsministerium (damals übrigens von der großartigen Herta Firmberg geführt).
1983 hat Peter Pilz dann seine Dissertation abgegeben. Thema der Diss: "Ökonomische Bedeutung der neuen Medien in Österreich".
Der Vorwurf ist sehr konkret: Pilz habe den Kopierer angeworfen und die Studie eins zu eins abkopiert - inklusive aller Satz-, Schreib- und Formfehlern. Die uns vorgelegten Dokumente scheinen das auch zu belegen und wie ich mich nach der PK selbst überzeugen konnte (ich hatte beide Exemplare zur Prüfung zur Verfügung - siehe Foto weiter unten) stimmen die Vorwürfe tatsächlich: die beiden Schriftstücke sind - bis auf das Deckblatt - vollkommen ident, sogar Schmutzflecken wurden mitkopiert.
Erstauntes Raunen bei der Journaille und einige ungläubige Fragen später: werden Sie das zur Anzeige bringen? Straches Antwort: wir lassen das jetzt von unseren Juristen prüfen und werden dann die entsprechenden Handlungen setzen.
Ok, aber das ist ja nichts Neues:
bereits im Jahre 2011 hat der Medienwissenschaftler Stefan Weber diesen Vorwurf erhoben. Ich habe mir den Bericht von damals rausgesucht. Hier der Text dazu:
"Damit liege "auf alle Fälle ein (juristisch unproblematisches, aber wissenschaftsethisch verschieden interpretierbares) Selbstplagiat vor", so Weber. Immerhin habe Pilz "die Studie einfach in die Dissertation hineinkopiert", so Weber zur APA. Zusätzlich könnte noch unethische Autorenschaft vorliegen: In der Dissertation werden Werthner nämlich nur gewisse Leistungen in der Empirie zugeordnet, in der Studie war er hingegen noch als gleichberechtigter Ko-Autor genannt. Weber brachte eine Anzeige bei der Agentur für wissenschaftliche Integrität ein."

Die Dokumente:

Die beiden zur Prüfung vorgelegten Ordner: oben die Dissertation unten die Studie

Das Deckblatt - links die Studie, rechts die Dissertation

Seite 83 - links die Studie, rechts die Dissertation

Seite 92 - links die Studie, rechts die Dissertation

Seite 183 - links wieder die Studie, rechts die Dissertation


Worum geht es bei einer Dissertation überhaupt: "Dissertationen sind die wissenschaftlichen Arbeiten, die anders als die Diplomarbeiten dem Nachweis der Befähigung zur selbständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen.“, so ist im UniStG § 4 Zi. 9 zu lesen. Also ganz klar: "selbstständige Bewältigung"

Ein Selbstplagiat ist nun juristisch schwer bis gar nicht anfechtbar, immerhin hätte in so einem Fall ja der ursprünglich Autor nur seinen eigenen Text kopiert. Aber wie sieht das aus, wenn mehrere Personen an diesem Text gearbeitet haben? Schwierige Frage.
Jedenfalls will die FPÖ das nun klären lassen. Eine Rücktrittsforderung an Peter Pilz wurde nicht explizit gestellt. Aber der Vorwurf der Doppelmoral steht im Raum. Dazu bringt auch Strache noch eine Zusendung eines Wiener Bürgers ins Spiel, die belegt, dass Herr Pilz in einer Gemeindewohnung wohnt, für die er monatlich weniger als 70 Euro bezahlt - und das bei seinem Abgeordnetengehalt. Strache findet, dass es wohl angebracht sei, diese günstige Wohnung jemand zur Verfügung zu stellen - vor allem, da es sich um eine Gemeindewohnung handelt - der oder die es dringend nötiger hätte und nicht das großzügige Gehalt eines Nationalratsabgeordneten verdienen würden.

Spätestens jetzt war mir ohne Zweifel klar, wie die Botschaft der heutigen Pressekonferenz lautet. Wissen Sie es auch schon? Nein, noch nicht? Nur Geduld, dauert nicht mehr lange, dann klärt sich diese Frage beinahe von selbst.

Sehen wir uns die nächsten Punkte der PK an:

ad 3.:
Eine Rekapitulation der Geschehnisse rund um das Zustandekommen der entsprechenden Gesetz und wie man seitens der FPÖ damit umgeht und auch dagegen vorgeht. Nicht vorgehen will, sondern dezidiert vorgeht. Und wie der oberste Hüter der Verfassung hier versagt hat. Nun gut, dass ist ja auch nichts Neues, aber wichtig.
Aber auch hier ganz klar der Vorwurf, wie unmoralisch das Vorgehen der Beteiligten regierenden am Zustandekommen der österreichischen ESM Gesetzgebung war.

Jetzt noch schnell zum letzten Punkt.

ad 4.:
Das Parkpickerl und die Ignoranz der Wiener Stadtregierung gegenüber der mehr als 170.000 Bürger, die eine Volksabstimmung dazu haben wollen. Strache stellt klar, dass es hier nicht um Gebühren, sondern um die flächenmäßige Ausdehnung ginge und die Aussagen der Wiener Regierung eine Farce und unmoralisch sind. Auch hier will und wird man bis zum Verfassungsgerichtshof gehen und dagegen ankämpfen.

Gestatten Sie mir eine Zusammenfassung:

Die FPÖ hat heute in der Pressekonferenz zwar durchaus wichtige Themen lanciert und dazu Stellung bezogen, aber - und das ist viel wichtiger - auch eine harsche Kritik am Umgang der Poltik mit der Moral geübt. Offenbar wird dieses Thema auch ein zentrales Thema in Zukunft werden / bleiben, denn eines war auch ganz klar erkennbar: Strache hat immer dann, wenn es um moralische Verfehlungen der übrigen politischen Zone in Österreich ging,  persönliches Interesse gezeigt. Man konnte richtig spüren, wie sehr ihn das an die Nieren geht und dass es ihm ein echtes Anliegen ist, den moralischen Zeiger in der Politik wieder gerade zu rücken.
Und das hat er uns heute in Wahrheit an verschiedenen Beispielen gezeigt:

. Causa Graf/Meschar: der Ruf an die Journaille, Anstand zu bewahren und gerecht zu berichten.
. Pilz's Selbstplagiat: die Ermahnung, vor der eigenen Tür zu kehren, anstatt andere Politiker (und hier hat er sich sogar auf einen ÖVP Politiker bezogen) anzuschwärzen und persönlich zu vernichten und der Aufruf, die sehr günstige Gemeindewohnung freiwillig zurückzugeben um jemand bedürftigen in den Genuss kommen zu lassen - vor allem bei dem Verdienst den Pilz als Nationalratsabgeordneter hat ist das nicht moralisch.
. Der Ruf an die Regierenden, nicht am Volk vorbei und im geheimen zu regieren, sondern sich auch der moralischen Verantwortung dem Volk gegenüber zu stellen und mit offenen Karten zu spielen.
. Die Mahnung an die Wiener Stadtregierung, die politische moralische Verantwortung wahr zu nehmen und den Wählerwillen ohne Wenn und Aber zu respektieren und nicht einfach Gesetz zu brechen und zu ignorieren.

Diese Pressekonferenz heute war nichts anderes als ein ganz lauter Ruf nach der Wiederherstellung der Moral in der Politik.

Hm, kann ich das glauben? Oder halte ich es so wie einige andere KollegInnen, die der Meinung sind, das ist alles nur Augenauswischerei und wenn "er" endlich an der Regierung ist, dann wehe uns!

Hm, ...... Strache bleibt ruhig und gefasst, teilt keine medialen Orhfeigen aus, ist sachlich und konzentriert, zieht nicht über das Gericht oder die Klägerin her (Causa Graf), stellt klar: wenn es ein negatives Urteil gibt, dann ziehe ich die Konsequenzen (Causa Graf), stellt nicht die Arbeit von Pilz in Frage oder dessen Fähigkeit, sondern befasst sich mit dem moralischen Aspekt eines Selbstplagiats und einer Gemeindewohnung für einen Nationalratsabgeordneten und polemisiert nicht gegen Häupl, oder Vassilakou, sondern fordert Anstand und Respekt für den Wählerwillen ein.
Nun, ja, ich glaube ihm diese Argumentation.
Wenn er diese Linie durchhalten und umsetzen kann, dann wird es ein durchaus spannender Herbst werden.

Schicken Sie mir Ihre Meinung dazu: augeundohren@gmail.com

Ich darf mich bei Ihnen für ein paar Tage verabschieden und werde ein wenig Kraft tanken.

Und dann werde ich Ihnen von INDECT erzählen.

Ihr Felix

1 Kommentar:

  1. Lieber Felix,
    sind wir faul geworden, oder sind alle auf Urlaub, die etwas zu sagen hätten.
    Die in dieser Pressekonferenz angesprochenen Themen ziehen sich ja wirklich wie ein Strudelteig, und alle haben sie eins gemein, es wird immer mit zweierlei Maß gemessen.

    Was beim Pilz in Ordnung ist, wäre bei einem anderen Politiker sicher eine äußerst "aufklärungsbedürftige" Angelegenheit.

    Von der Graf Meschar Stiftungsstory hab ich auch schon genug gehört, die erhobenen Vorwürfe sind entkräftet, er hat sich nicht bereichert an der Stiftung, und so ganz schlecht dürfte die Stiftung auch nicht gewirtschaftet haben, ausgeschieden ist er auch schon, also wozu noch der ganze Tamtam und was da menschlich abgegangen ist, wird kein Gutachten der Welt aufklären können, also egal was am Ende raus kommt, der Graf wird der Böse bleiben und die Meschar die arme alte Frau, weil es uns so präsentiert werden wird und die Frau Meschar 90 Jahre alt ist und ihr Geld in einer Stiftung steckt.

    Nun, die Wiener Situation wird mit solchen Pressekonferenzen, wie der vom Häupl und der Vassilakou auch nicht besser, 170.000 Unterschriften sollte man nicht ignorieren dürfen, - also Volksbefragung,ja bitte und gleich und zum Thema und nicht zu Detailfragen!

    Na und der ESM, da bekommen wir ja jetzt schon laufend Ergebnisse geliefert, die die Situation wie sie tatsächlich ist wiederspiegeln.

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