Montag, 23. Juli 2012

"Semper aliquid haeret" frei nach Plutarch und gegen Graf


Liebe Leser, verzeihen Sie mir den für mich doch eher ungewöhnlich polemischen Titel des Artikels. Sie werden sehen, dass er (leider) sehr treffend ist.

Nachdem nun schon seit einigen Tagen die Gerüchteküche brodelte und mehr oder weniger gut informierte Kreise gewusst haben, dass es eine Veröffentlichung in der leidigen - weil unnötigen - Causa Graf geben wird, komme ich nicht umhin - nachdem nun schon einige Berichte veröffentlicht wurden - Ihnen meine Sicht der Dinge zur vermitteln.
Und wie immer auch dieses Mal mit ein paar Hintergrundinformationen und objektiven Betrachtungen.

Wir erinnern uns: Martin Graf wurde in einem Report-Beitrag des ORF mit den Vorwürfen der Pensionistin Getrude Meschar konfrontiert.
Frau Meschar hat begklagt, dass Herr Graf sie übervorteilt, schlecht - wenn nicht gar falsch - informiert hat und ganz eindeutig über dem Tisch gezogen hat.

Die Aufregung war groß und das Bild, welches im Fernsehbeitrag geprägt wurde, ein ganz schlechtes. Quasi noch während der Beitrag lief kamen auch schon die ersten Rücktrittsverlangen und intensiven Wünsche nach Verurteilung und dem Einsperren des Herrn Graf.
Sowohl die Boulevardjournaille, als auch die politischen Gegner - und derer hat Herr Graf eine ganze Menge - hatten in den nächsten Tagen viel damit zu tun, in unzähligen Schlagzeilen und Titelseiten den "Verbrecher" Graf als überführt zu sehen.
Es wurde sogar eine Demo organisiert, wo man sich aller ernstens zum Ziel gesetzt hatte, das Parlament zu umstellen und den Herrn Graf - also den dritten Nationalratspräsidenten - am Betreten des Parlaments zu hindern. Die Sprecher bei der Demo wünschten sich damals sogar, dass die "leidige" Unschuldsvermutung abgeschafft wird und der Herr Graf endlich eingesperrt werden muss.

Martin Graf stört und ist kein Sympathieträger. Er ist unangenehm laut und legt sich auch gerne mal mit den eigenen Leuten an. Und, er ist derjenige, der lautstark eine Sondereinheit zur Aufklärung von Bankenskandalen fordert. Solange sein Ruf im Hinblick auf seine Arbeit im Bankenuntersuchungsausschuss derart gut ist, stellt Martin Graf tatsächlich einen unangenehmen Gegner dar.



Was war die Aufregung groß und man sich einig: Graf muss weg - ein ganz schlechter Mensch.

Nun, dieser Beurteilung kann und will ich mich nicht anschließen, dazu kenne ich Herrn Graf zu wenig. Dafür haben sich gleich nachdem die Geschichte bekannt wurde eine Reihe von "alten Freunden", Studienkollegen und dergleichen mehr gefunden, die unisono erklärten, dass Herr Graf da sicher manipuliert hat, weil er ein schlechter Mensch ist, das habe man am eigenen Leib erfahren müssen, und so weiter und so weiter.

Was mir damals schon aufgestossen ist - und es noch immer tut - war (und ist), dass die Berichterstattung an sich nichts mehr mit objektiven Journalismus zu tun hatte. Denn jedem Kollegen, der seinen Job ernst nimmt ist aufgefallen, dass es eine Vielzahl von Ungereimtheiten gibt, die es zumindest nötig machen, der Sache näher zu treten und genauer zu recherchieren.

Die, die sich dann auch näher mit der Geschichte befasst haben, haben dann sehr schnell die Finger davon gelassen, weil die ganze Geschichte nach einer gut gesteuerten Medienkampagne gerochen hat. Die leidtragende Kollegin vom ORF hat indes im guten Glauben gehandelt und - so fair muss man sein - nur Fragen gestellt. Die Bildung einer Meinung blieb dann der übrigen Journaille überlassen.
Und diese Meinungsbildung war extrem tendeziös und hat den üblen Beigeschmack von vorauseilendem Gehorsam.

Natürlich ist die gerichtsanhängige Sache noch nicht durch ein Urteil entschieden - insofern haben wir eigentlich Status quo: warten auf das Urteil in der Klage von Frau Meschar gegen den Vorstand der Stiftung. Aber das von zuständigen Gericht in Auftrag gegebene Gutachten liegt vor und kann nun eingesehen werden. Dennoch: ob das Gericht dann auch dem Gutachten folgt muss abgewartet werden. Wie ein guter Freund immer sagt: vor Gericht und auf hoher See ist alles möglich und nichts gewiss.

Trotzdem gibt es dieses Gutachten nun einmal und da die Journaille damals auch ohne Gerichtsurteil ein eigenes Urteil gefällt hat, muss dieselbe Journaille nun auch die Existenz dieses Gutachten anerkennen.
Allerdings gehen die Uhren hier dann etwas anders:
Es wurde die Stellungnahme des Anwalts von Frau Meschar eingeholt. Und dieser hat dazu eine ganz eigene Meinung: Das Gutachten zeige nur die juristische Seite aber nicht, wie es überhaupt zu dieser Stiftung gekommen ist!
Und die politischen Gegner gehen noch einen Schritt weiter: es sei ja ganz klar gewesen, dass das alles juristisch so aufbereitet worden sei, dass nichts daran hängenbleiben kann. Aber unmoralisch bleibt es trotzdem und Graf muss weg - Strache muss daher endlich reagieren!

Ich habe mir die damalige Berichterstattung noch einmal vorgenommen und mir die Schlagworte notiert: unmoralisch, verwerflich, Verbrechen, Abzocke, Betrug, schmierig, einsperren, schändlich. Die ganz üblen lasse ich in dieser Aufzählung aus, weil sie aus ohnehin fragwürdigen Mündern kommen.
Ganz am Rande habe ich in der Berichterstattung gefunden, dass Herr Graf keinen Groll gegenüber Frau Meschar hegt und gar nicht gefunden habe ich irgendeinen Angriff von Herrn Graf gegen Frau Meschar. Nichts! Da frage ich mich doch, warum das niemand aufgefallen ist?
Viel lebensnaher - wenn man den Beschreibungen der Persönlichkeit des Herrn Graf in den Medien folgt - wäre es doch gewesen, hätte Herr Graf sich lautstark und vollmundig gegen Frau Meschar gestellt und sie aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters vielleicht sogar als dement dargestellt, oder etwa nicht? Wird er nicht als das Monstrum dargestellt, als der Burschenschafter und rechtsradikale, der kleine Kinder zum Frühstück ist? Nein? Dann kann ich nicht mehr lesen und auch nicht mehr verstehen, denn die Medien und die politischen Gegner waren sich alle einig, dass Herr Graf das Schlechteste ist, was dieser Republik überhaupt passieren kann!

Aber, lassen wir die Meinung der übrigen Journaille einfach so stehen und nehmen wir die Meinungen seiner politischen Gegner einfach nur wahr - ohne Beurteilung oder Wertschätzung.
Was bleibt dann?

Ein ganz übler Geschmack: Semper aliquid haeret - etwas bleibt immer hängen. 

Eigentlich hätte man sich erwarten müssen, dass dieses Gutachten nun ebensolche Schlagzeilen verursachen müsste, wie der zugrunde liegende Report-Bericht. Aber dem ist nicht so. Nur einige wenige Zeilen finden sich in den "führenden" (weil am Lautesten schreienden) Billigblättchen und anstatt einer viertelstündigen Berichtserstattung im ORF und einem weiteren Interview des Herrn Graf (oder auch des Anwalts von Frau Meschar) gab es sage und schreibe drei kleine Berichte die alle in etwa folgenden Inhalt hatten: "... ein Schaden sei derzeit nicht abzuleiten", "... eine Wertminderung sei derzeit nicht festzustellen." und so weiter. Ganz klar worauf das abzielt, nicht wahr?
Und die Bestätigung folgte auch sofort, als man dann die sehnsüchtig erwartete Stellungnahme des Anwalts von Frau Meschar verlesen durfte: es sei ja nur eine Feststellung des Ist-Zustandes......
Nun, ich weiss, was kommen wird. Sie auch?
Richtig: zu irgendeinem Zeitpunkt wird irgendeine Zahl in der betriebswirtschaftlichen Führung nicht so besonders positiv sein. Ob nun aufgrund der allgemeinen Wirtschaftskrise, oder einer kurzfristigen Mehrausgabe durch die Bauarbeiten (die dann aber sofort mit Zinsen durch den Bauträger abgedeckt wurden - also auch hier kein Schaden entstanden ist), oder durch sonst eine zwingende Massnahme ist dabei vollkommen egal. Man wird sie finden und dann ganz laut rufen: wir haben es ja immer gewusst! Völlig ignorieren wird man dann eben jene Wirtschaftskrise und vielleicht sogar den Vorstand der Stiftung verantwortlich machen, weil der das hätte ahnen müssen und dagegen lenken. Ebenso ignorieren wird man dann, dass zur gleichen Zeit die Zinsleistungen durch die Banken gesunken sind und auf keinen Fall wird man es erwähnen, dass die Stiftung sogar möglichst krisensicher in feste Werte investiert hat - so, wie es alle Ökonomen derzeit dringend raten.
Mann wird und will es ignorieren - weil es ein ganz anderes Ziel zu verfolgen gilt, das in Wahrheit nichts mit Frau Meschar zu tun hat. Die ist nur ein Mittel zum Zweck geworden. Aus einer Geschichte zum Leid einer betagten Dame im ORF ist ein Werkzeug der Politik geworden. Bis hin zum Bundespräsidenten hat alles eine Meinung dazu gehabt und eine Forderung gestellt - niemand hat dieses Gutachten abgewartet, oder gar das Urteil des Gerichts.
Und jetzt kommt - nachdem die erhofften Malversationen ausgeräumt scheinen - der Vorwurf, dass es ohnehin immer nur um den moralischen Aspekt ging und ein Politiker strengere moralische Werte einhalten muss.

Strengere moralische Werte

Moment: es rufen die Scheinmoralisten, die die Souveränität Österreichs geschlossen nach Brüssel delegiert haben und über Jahrzehnte hinaus einen Riesen-Skandal nach dem anderen zu verantworten hatten und haben, nach Moral in der Politik? Und die Forderung kommt gerade aus dem Eck, als dem bei dem Ruf nach Offenlegung der Parteifinanzierung die Aussage kam: "....parteinahe Vereine werden Spenden nicht offenlegen.", also das gesamte "Transparenzgesetz" damit ad absurdum zu führen drohte? Von dort kommen die Rufe nach Moral? Na dann...

Aber zurück zum eigentlichen Thema:

Wollte das niemand sehen, dass hier alle Regeln in der nachfolgenden Berichterstattung gebrochen wurden?

Das, was sich hier abspielt deckt sich mit den Informationen, die mir schon vor etwa einem Jahr zugespielt worden sind und die mir damals noch ein wenig zu waghalsig und zu verschwörerisch erschienen sind: In den Kreisen der politisch Wissenden (wollen wir sie so benennen) hatte man die Befürchtung, dass die Freiheitlichen in Österreich schlimmstenfalls bis zu 40% bei der nächsten Wahl erreichen könnten. Man war sich einig, dass das auf keinen Fall passieren dürfe.
Ich glaube heute noch immer nicht, dass hier einen Masterplan gibt, um die Freiheitlichen an einem noch ungewissen Wahlerfolg zu hindern. Aber mittlerweile glaube ich daran, dass man jede sich bietende Gelegenheit wahrnimmt, um sicher zu gehen, dass diese Unwahrhscheinlichkeit nicht eintritt. Also: keine Verschwörung, aber die Bündelung gemeinsamer Interessen durchaus.
Und ein Zeichen für Angst ist das doch sehr amateurhafte Vorgehen: die die am lautesten geschrien haben, haben am schlechtesten recherchiert und sich in einen unappetitlichen Sozialporno hineinziehen lassen. Oder glaubt irgendjemand, dass Frau Meschar damit geholfen ist, wenn ihr Name andauernd mit Betrugsvorwürfen genannt wird, oder sie immer wieder missbraucht wird, um die Vorwürfe erneut zu wiederholen? Glaubt den irgendjemand, der bei Verstand ist, dass Frau Meschar tagein und tagaus mit dem Medien Rücksprache hält und darum bittet, immer wieder genannt zu werden und sich dann auch den Kritikern aussetzen muss, die genauso dumm und unmenschlich behaupten, sie wäre nicht mehr Herr Ihrer Sinne - oder wie es gerade in diversen Foren praktiziert wird, schlimmer noch: selbst der Lüge bezichtigt wird?

Liebe Leser, ich darf mit einem Zitat Ciceros enden (nicht weil ich so klug bin, sondern weil es stimmig ist und dazu passt): Semper aliquid ad discendum est. - "Immer gibt es etwas dazuzulernen.", so auch für mich und hoffentlich auch für Sie: ich kann und darf Ihnen hier nicht empfehlen, ein bestimmtes Medium zu lesen, oder nicht zu lesen. Aber ich darf Ihnen eine Frage zum Nachdenken geben:
Wie gut kann die journalistische Arbeit denn bei einem Blatt sein, dass womöglich kostenlos angeboten wird? Könnte es da logischer Weise nicht schon aufgrund der fehlenden Einnahmen zu finanziellen Engpässen in der Recherche kommen und könnten dann die Berufskollegen (sofern sie das überhaupt sind) die für diese Medien arbeiten nicht dazu quasi "gezwungen" sein, umfangreiche Recherchen zugunsten eines einfachen und kostengünstigeren Abschreiben anderer Medienberichte hinten anstehen zu lassen?
Wenn das so wäre - und ich sage nicht, dass es so ist - wäre es dann nicht vorteilhaft, sich zumindest in anderen Medien zusätzliche Meinungen einzuholen?
Denn dann bestünde die Möglichkeit, dass Sie vielleicht über das Eine oder das Andere ein ganz anderes Bild bekommen....

Ich werde mir morgen die Pressekonferenz von Herrn Strache anhören. Da steht zwar nur "aktuelles", aber ich glaube, es wird durchaus sehr interessant werden. Danach schreibe ich Ihnen meine Eindrücke dazu.

Ihr Felix

2 Kommentare:

  1. Danke für ihren Artikel. Liebe Grüße

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    1. Licet concedere veris.
      aber auch:
      Veritas odium parit

      In diesem Sinne, danke für Ihre Anerkennung.
      Ihr Felix

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