Donnerstag, 14. Juni 2012

Das „Menschenketterl“ vor dem Rathaus als Mediengau


Wir schreiben den 12.06.2012, es ist kurz vor 18:00 und ich bin auf dem Weg zum Parlament. Wieder im Gepäck dabei meine treuen Gefährten: die Nikon und mein Taschendiktiergerät.

Ich bin schon gespannt, was dran ist, an der Aussendung von Frau Glawischnig und der sozialistischen Jugend, die ja über die APA dazu aufgerufen haben, eine Menschenkette rund um das Parlament zu bilden,  „um das Parlament vor der  Plenartagung am Mittwoch vor dem 3. Nationalratspräsidenten Martin  Graf zu schützen“, so der Text der Aussendung.
Wie bitte? Eine Verhinderung des Zuganges zum Parlament durch eine Demo, zu der die SJ und die Grünen aufrufen?

Das will ich mir nicht entgehen lassen, denn wenn Frau Glawischnig tatsächlich aktiv einen amtierenden Nationalratspräsidenten durch die Organisation einer Blockade den Zugang zum Parlament verwehren lassen will, dann ist es allemal wert, dass ich mich durch die Innenstadt quäle.

Beim Parlament endlich angekommen, bin ich ein wenig enttäuscht: es ist mittlerweile 18:45 Uhr und es sind einzeln verstreute Grüppchen vor dem Parlament anzutreffen (manche Gruppen der anwesenden Polizisten sind größer - ich mache ein paar Fotos).



Ich entdecke Frau Glawischnig , die alleine vor dem rechtsseitigen Aufgang zum Parlament steht und ein Interview gibt, der Herrn Öllinger, der mit Frau Moser und mit Herrn Kräuter ein witziges "Plauscherl" auf kurze Distanz hält:





Das Bild, das sich mir bietet, hat etwas trauriges und rühriges zugleich: Die anwesenden Polizisten, Kamerateams und Reporter scheinen zahlenmäßig nahezu gleich viel zu sein, wie die (noch) zu bildende Menschenkette Teilnehmer haben wird – wenn nicht in den nächsten Minuten Massen an Demonstranten kommen.

Einzelne Grüppchen formieren sich – zu acht, zu zehnt und wenn man die Kamera draufhält, dann stellen sich auch die Polit-Granden gerne dazu, damit es dann „herzeigbare“ 16, oder 17 sind, die den Willen des Volkes beweisen ...

Weil mir wirklich langweilig war und die Musik grottenschlecht (irgendeine Band quälte unablässig die paar Anwesenden mit undefinierbaren Schlachtgesängen) war, zählte ich die Teilnehmer dieser illustren Runde einfach durch. Das war nicht einmal besonders schwer, weil ohnehin keine Bewegung da war und die Teilnehmer sich mehr statisch, denn aktiv verhalten haben. Nur die Frau Moser hatte Energie und wuselte von einem Ort zum anderen. Sogar Öllinger und Glawischnig ließen es langsam angehen.

Also: insgesamt waren 137 Personen um 19:27 Uhr anwesend (Polizei, Reporter und Kamerateams ausgenommen).

In der Zwischenzeit haben die Sprecher dieses Abends ihr Bestes gegeben, um mir den Glauben an die Sinnhaftigkeit dieses „Events“ zu rauben und sich fest dazu entschlossen in kabarettreifer Manier ihr Begehr vorzutragen: Martin Graf muss raus.
Was mir sofort aufgefallen ist: Das Thema Privatstiftung war gar kein Thema mehr – es ging um die Burschenschaften. Etwas verwirrend für mich, denn bislang glaubte ich gelesen zu haben, dass es um die Privatstiftung, die falsche Berufsbezeichnung Rechtsanwalt und solche Dinge ginge.

Nun gut, man ist ja flexibel und wenn sich zwischenzeitlich vielleicht herausgestellt hat, dass diese beiden Themen nicht mehr ziehen, dann wird verständlich auf altbewährtes zurückgegriffen.

Wäre da nicht der Sprecher der SJ, der in feinster Klassenkampfmanier auftritt und lautstark seinem Unmut eine Bühne gibt. Mir fällt auf, dass er – obwohl durch keinerlei Immunität geschützt – sehr präzise in seiner Wortwahl ist. Da kommt kein „mutmaßlich“, oder „verdächtig“ vor: nein, er sagt einfach so, wie er sich denkt, dass es sein sollte: der Martin Graf ist ein Betrüger und ein Erbschleicher und was weiß der Teufel noch alles. Als Spitze seines wirklich gelungenen Bühnenstücks liest er dann ein Mail des Charly Blecha vor (an dieser Stelle beginne ich wirklich an dem jungen Mann zu zweifeln).
Charly Blecha lässt alle schön grüßen und findet sogar einen Reim darauf, warum Graf jetzt gehen muss, weil er Schuld auf sich geladen hat und so weiter und so weiter.

Na bitte! Es geht doch! Ich freue mich richtig, dass etwas Schwung in diese doch sehr lahme Geschichte kommt: Charly Blecha, rechtskräftig verurteilter Ex-Minister, der aus dem Amt scheiden musste, wirft dem amtierenden Nationalratspräsidenten vor Schande über die Republik zu bringen. Endlich jemand, der den Mut hat, das vorzulesen, was Charly Blecha von sich gibt!

Das muss ich mir auf der Zunge zergehen lassen: da schafft es doch tatsächlich ein junger engagierter Mann der roten Fraktion, den äußerst mühsam aufgebauten Wall gegen Graf in wenigen Worten niederzureißen und zu zerstören. Das hat was!

Als nächstes kommt dann eine junge Dame der Young Caritas dran. Und die fällt außer mit einem Lacher mit einem einzigen Statement auf: „Ehrlich, uns geht die Unschuldsvermutung am A...h! Die gehört abgeschafft!“.
Dieser Sager ist derart daneben, dass man die junge Dame am nächsten Tag gar nicht mehr in den Gazetten sehen wird – totschweigen hilft ja bekanntlich immer. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Sprecherin der Young Caritas öffentlich dafür eintritt, die Unschuldsvermutung abzuschaffen. Vielleicht sollte sie sich die Grundsätze der Caritas noch einmal durchlesen, dann gleich darauf die Menschrechte und die österreichische Verfassung, tief Luft holen und das Ideologische, vom Sachlichen trennen, bevor der Buchstabenkombinierer unter ihrer Nase wieder beginnt unkontrolliert Worte zu bilden.

Die übrigen RednerInnen spare ich mir und Ihnen, denn was dann noch erzählt wurde, war leider nur mehr inhaltsleer (bis auf den Ausspruch von Glawischnig, die meint, sie komme vom Land und könne daher reden wie es ihr einfällt) und purer Parteipopulismus, wie ich ihn und sie ohnehin schon auswendig kenne – egal von welcher Fraktion.

Die gelangweilten TeilnehmerInnen an dieser „Kundgebung“ haben sich mittlerweile auch wichtigeren Themen zugewandt und diskutierten in kleinen Gruppen die Vor- und Nachteil des Nordic-Walking.

Egal, ich habe meine Fotos, habe mit ein paar Freunden gesprochen, mich mit der Polizei unterhalten (die ein wenig genervt war) einen alten Haudegen wiedergetroffen, der schon vor zwei Jahren vor dem Parlament mit einer kleinen selbstgemachten Tafel gestanden ist und die gleichen Fragen gestellt hat (die heute noch immer aktuell sind), mich kurz gegen den Vorwurf lachend wehren müssen, dass ich wohl vom KGB bin (im Ernst! Das war eine Premiere für mich: einen Kommunisten hat mich noch niemand genannt.), weil ich „ganz in schwarz gekleidet bin und mit meiner Kamera alles aufnehme“ und mir für den nächsten Tag das Ziel gesetzt, ins Parlament zu wandern und dort ein wenig Staub aufzuwirbeln. Für heute reicht es: keine Aktion, keine Aufregung, rein gar nichts – außer wirklich grottenschlechter Musik.

Nun zur Gestern angesprochenen Lüge:


Es gab natürlich keine Menschenkette rund ums Parlament. Selbst wenn tausende Leute da gewesen wären, hätte die Polizei es gar nicht zulassen können, dass der Zutritt zum Parlament verwehrt wird.

Aber ich muss zugeben, die Medien haben sich redlich bemüht, so etwas wie eine Menschenmasse zu zeigen:



Soviele waren es wirklich:


und hier noch einmal eine Impression der gewaltigen Masse an Menschen:



Und hier stehen 43 Menschen in einer Reihe:



selbst dann, wenn hier eine Zweierreihe (so wie in der Presse geschrieben) gewesen wäre (sieht man auf die Füße und dahinter, dann kann man aber keine zweite Reihe erkennen...), sind es nicht mehr als maximal 90 Menschen, die dieses "Ketterl" bilden und da habe ich schon ein paar dazu geschummelt.

Für mich ist aber nach wie vor noch nicht klar, was dieser ganze Zirkus nun eigentlich soll? Antworten auf meine Fragen, zu welchem Zweck das alles inszeniert wird und wer hier die treibende Kraft ist, habe ich keine gefunden.
Wer bringt ausgewachsene Journalisten dazu, nicht zu berichten, sondern zu erzählen und nachzureden? Wer hat die Kraft – außer den Lesern (Gebührenzahler des öffentlich-rechtlichen fallen hier raus, denn die haben ja keine Wahl, um für eine Leistung zu bezahlen) – die Richtung eines Blattes vorzugeben?

Vielleicht finde ich die Antworten ja morgen im Parlament. Da steht das Bildungsvolksbegehren an – eines meiner liebsten Themen: Vollgas gegen die Verdummung! Und da gehe ich hin, bin ungemütlich und wie immer aufdringlich.

Lesen Sie morgen, wie ich den Auszug aus dem Parlament miterlebt habe und was im Rausch der Emotionen abseits der Kameras tatsächlich gesprochen wurde.

Ihr Felix

1 Kommentar:

  1. War eine ziemlich langweilige Veranstaltung, nicht einmal das Wetter hat mitgespielt und beinahe wäre alles ins Wasser gefallen.
    Es hat ein bisschen an den Sammelpunkt bei einem Kinderwandertag erinnert, wo man überlegt, ob man jetzt die Wanderung startet, oder ob einen die Witterung zur Inanspruchnahme des Alternativprogrammes zwingt.
    Insofern bin schon ein bisschen stolz auf die Bürger und Bürgerinnen in Österreich, die sich doch darauf besonnen haben, dass es in Österreich weit wichtigere Themen und Anliegen gibt, als einem dritten Nationalratspräsidenten den Zugang zum hohen Haus zu verwehren.

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