Samstag, 16. Juni 2012

ESM - was in dem Vertrag wirklich drin steht, erfahren Sie hier

Ich war nicht untätig und habe mir nach den "Erlebnissen" im Parlament und den vielen Fragen, die sich daraus ergeben haben, den ESM-Vertrag besorgt.
Einmal in einer Version, wo der Vermerk "nur für den Dienstgebrauch" drauf steht und einmal die Version, die dann letztendlich unterschrieben wurde.

Ja, Sie haben richtig gelesen: unterschrieben wurde - denn das ist bereits im Frühjahr 2012 geschehen!

Ich versuche zuerst einmal, zu erklären, was der ESM-Vertrag überhaupt sein soll / geworden ist:

Da müssen wir ein wenig ausholen und uns den Vertrag von Maastricht aus dem Jahre 1992 (genauer: vom 7. Februar 1992) ansehen. Dort finden wir unter Artikel 104 b eine sogenannte "Nichtbeistands-Klausel", auch "No-Bailout-Klausel". Diese Klausel schließt die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten aus.

Na, dem ist ja nichts hinzuzufügen - sollte man meinen, denn obwohl diese 1992 errichtete Klausel dann auch in die Überarbeitung des Vertrages von Amsterdam (1999) und in den Vertrag von Lissabon (der uns ja gerade jetzt schwer im Magen liegt) aus 2009 übernommen worden ist, kümmert das jetzt niemanden mehr. Im Gegenteil, mittlerweile wird diese explizite "Nichtbeistands-Klausel" sehr eigenwillig interpretiert von einigen Staatsoberhäuptern: Seit der Verschärfung der Griechenlandkrise (2009 und 2010) lautet die Interpretation dahingehend, dass sie nur eine automatische Haftung, nicht eine freiwillige Übernahme von Schulden durch andere Staaten ausschließe.

Ja ja, Sie haben richtig gelesen: Der Vertrag, der die Union erst realisiert hat und der in seinen Grundwerten ein wirklich hervorragender Gedanke war / ist, verbietet ganz klar so Dinge wie den ESM - den "Europäischen Sicherheitsmechanismus"! Zumindest solange, bis dann genau der Fall eintritt, der in diesem zugrundeliegenden Vertrag beschrieben wird - dann wird interpretiert und gebogen, dass sich die Balken biegen.

Aus einem "Nein" wird ein "ganz sicher sogar". Und obwohl diese Interpretation gelinde gesagt "umstritten" ist, haben sich die Mitgliedsstaaten bereits im Frühjahr 2012 dazu entschlossen, Ihnen liebe Leser die grandiose Idee der EU wegzunehmen und einen lahmen Esel hinzustellen.

Aber sehen wir uns einmal diesen ESM-Vertrag genauer an (wenn Sie auf das Bild klicken, dann öffnet sich eine neue Webseite - warten Sie ein wenig bis der Countdown auf der Seite runtergezählt ist, dann erscheint auf der Seite im unteren Bereich ein gelber Button und erst dann können Sie dort den Originalvertrag downloaden als PDF - klicken Sie nicht auf "Highspeed-Download"!):


(Alternativ können sie mir auch eine Mail schicken und ich sende Ihnen den Vertrag gerne zu: augeundohren@gmail.com )

Wie sagte doch schon Karl Farkas in den 50ern: "Schau'n Sie sich das an..."

Also, da haben wir gleich einmal im Artikel 1 eine Besonderheit stehen:
"Durch diesen Vertrag richten die Vertragsparteien untereinander eine internationale
Finanzinstitution ein, die den Namen "Europäischer Stabilitätsmechanismus" ("ESM") trägt."

Eine internationale Finanzinstitution also. Was ist denn das? Weiß das wer? Diese Rechtsform scheint es in keinem der Mitgliedsländer zu geben - eigenartig. Das Wirtschaftslexikon kennt dazu folgende Beschreibung:
"Im Außenhandel existieren eine Fülle von Institutionen, welche die Finanzierung des internationalen Handels zum Gegenstand haben. Insofern stellt der Begriff Internationale Finanzinstitutionen eine Sammelbezeichnung dar, unter der sowohl private Kreditinstitute als auch supranationale Institutionen subsumiert werden."

Also entweder ein privates Kreditinstitut, oder eine supranationale Institution. Letzteres bedeutet eine Verlagerung rechtlicher Zuständigkeiten von der nationalstaatlichen auf eine höher stehende Ebene, die auch als überstaatliche Organisation bezeichnet wird. Also nichts anderes als die Abgabe von Eigenverantwortung an jemand anders, der nicht dem Staat angehört.

Weiter geht es dann spannend im Artikel 32 des ESM (Punkt 2 bis 4):
"(2) Der ESM besitzt volle Rechtspersönlichkeit; er besitzt die uneingeschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit,
a) bewegliches und unbewegliches Vermögen zu erwerben und zu veräußern,
b) Verträge abzuschließen,
c) Partei in Gerichtsverfahren zu sein und
d) ein Sitzabkommen und/oder Protokolle zu unterzeichnen, soweit dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass sein Rechtsstatus und seine Vorrechte und Befreiungen anerkannt und durchgesetzt werden.
(3) Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art, es sei denn, der ESM verzichtet für ein Gerichtsverfahren oder in den Klauseln eines Vertrags, etwa in der Dokumentation der Finanzierungsinstrumente, ausdrücklich auf seine Immunität.
(4) Das Eigentum, die Mittelausstattung und die Vermögenswerte des ESM genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen.
(5) Die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind unverletzlich."

Na bitte: nicht nur, dass wir nun die Eigenverantwortung abgeben müssen, haben wir auch keine Möglichkeit Einfluss zu nehmen, oder Rechenschaft zufordern, wenn der Rat des ESM (auch Gouverneursrat genannt) nicht will.

Es geht noch ein wenig weiter:

80 Milliarden müssen sofort von den Mitgliedsstaaten direkt als Grundkapital einbezahlt werden (davon fallen auf Österreich immerhin 2,23 Milliarden Euro, die fällig werden (Österreich wurde mit einem Schlüssel von 2,7834 % für den ESM "bedacht"). Ursprünglich sollte diese Zahlung ab dem Jahr 2013 in fünf Raten fließen. Mittlerweile wurde der gesamte Zeitplan aber auf 2012 vorgezogen. Wann nun genau bezahlt werden muss, wird eben verhandelt (Ah! Mir schwant fürchterliches!).
Weitere 420 Milliarden müssen von den Mitgliedstaaten als Garantiesumme bereitgehalten werden Das sind für Österreich dann gleich einmal 11,69 Milliarden Euro, die parat stehen müssen.

Dem ist es aber noch nicht genug, denn im Artikel 10.1 des ESM ist festgeschrieben, dass der Gouverneursrat das Grundkapital jederzeit ändern kann! Und die sogenannte "Nachschusspflicht" ist dann in Artikel 8.4 genau definiert, nämlich als "Bedingungslos und unwiderruflich".
Kein Rückweg also offen: unwiderruflich. Und AU sagen dürfen wir auch nur begrenzt, weil "bedingungslos".
Ich setze hier noch eine Wortgruppe oben drauf: "aufgezwungen alternativlos"

Letztlich sind dann da noch so witzige Geschichten, wie zum Beispiel die Bestimmung enthalten, dass der ESM - also die Finanzminister der EU (unkontrolliert und übermächtig) auch gewöhnliche Staatsanleihen der Mitgliedstaaten ankaufen darf. Na Prost: Das ist ja gleich der nächste Schwindel-Schritt - kauft man halt Griechenlandanleihen und Schwamm drüber, dann haben wir ja "freiwillig" die Schulden übernommen und gut ist's.

Nehmen Sie sich bitte etwas Zeit und lesen Sie sich den Vertrag durch. Ich verspreche Ihnen, dass es ein Erlebnis werden wird.

Aber, habe ich meine Antworten gefunden, wer hinter diesen unsäglichen Manipulationen, Schönfärbereien und dergleichen steht und zu welchem Zweck?

Nun. möglicherweise bedingt schon. Ich muss da noch ein wenig nachbohren, aber es gibt einen wie es so schön heißt: begründeten Anfangsverdacht.
Und vielleicht habe ich auch eine Erklärung gefunden, warum unsere Finanzministerin derart stark auftreten kann - ist sie sich vielleicht der unglaublichen Machtfülle bewusst, die da auf sie zukommt? Als ein Mitglied des "Gouverneursrats"?
Ich mein ja nur... Mit Macht muss man umgehen lernen, sonst überrollt sie einen ganz fürchterlich. Und so von Null auf hundert an Wichtigkeit in wenigen Monaten aufzusteigen, kann auch ganz schön in den Kopf steigen.

Ach ja, bevor ich es vergesse: Der ESM-Vertrag enthält keine Auflösungs- und Austrittsklauseln! Und unterzeichnet hat diesen Wahnsinn (Verzeihung) Bundeskanzler Werner Faymann am 02. März 2012 in Brüssel.
Inkraft treten soll der ESM-Vertrag Mitte 2012 - das erklärt die unglaubliche Eile, die jetzt an den Tag gelegt wird (Parlamentsferien, etc...) und zwingt mich zu folgender Überlegung:

Warum geht eine Partei wie die Grünen aus der Opposition heraus und hängt sich ohne Diskussion der Regierung an?

Wenn ich nun 1 und 1 zusammenzähle und einfach einmal so in den Abend hinein mutmaßen darf: Das Verteilen von Posten in bestimmten Gremien ist speziell in bestimmte Fraktionen zur Höchstkultur erhoben worden. Nun kann laut ESM-Vertrag zusätzlich zur Finanzministerin noch jemand in den Gouverneursrat entsendet werden. Vielleicht ein/e Grüne/r?

Das wär ja ein Pakt, nicht wahr?

Schlimm: je tiefer ich grabe, desto unglaublicher wird das alles. Wie hat das geschehen können? Warum hat niemand darauf reagiert, als Faymann diese Unterschrift geleistet hat? Warum wurde erst im Nachhinein in den Medien darüber - und auch nur kurz - berichtet?

Fragen über Fragen und nur ein kleiner Ansatz zu Antworten.

Versprochen: ich bleib dran, Ihr Felix.




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