Freitag, 15. Juni 2012

Felix im Parlament - der Wahrheit noch immer entfernt

14.06.2012 - für heute habe ich geplant, gemütlich ins Parlament zu wandern, mich dort ein wenig umzuhören, unsichtbar herumzustreifen und das eine oder andere Wort abseits der öffentlich platzierten Wortklaubereien zu erhaschen.

Bei meiner Vorbereitung auf das Abenteuer "Parlament intim", habe ich mir bei einer guten Tasse Kaffee den live-Stream von ORF 3 aus dem Parlament angesehen. Die Stimmung war ein wenig angespannt, aber nicht so schlimm wie hier:



alles im normalen Bereich: die üblichen Gehässigkeiten untereinander, ein wenig Show für die Kameras und Geplänkel, Beweihräucherung, Gegendarstellung, usw... das Übliche eben.
Nebenbei blättere ich die Tagesgazetten durch ...

Aber plötzlich tut sich was: ich muss etwas übersehen haben! Orange und Blau ziehen aus dem Plenum aus? Begleitet von wilden Gestiken und finsteren Mimiken?

Soviel ich in dem Tumult mitbekomme, geht es um irgendeinen Antrag - einen Geschäftsordnungänderungsantrag (na, das ist wieder so ein tolles Kunstwort...), der anscheinend hochbrisanten Inhalts sein dürfte.

Kurz darauf (ich suche noch online nach einem Hinweis, was da geschehen sein könnte) kommt auch schon eine Eil-Meldung der APA: Pressekonferenz im Klubsitzungszimmer der FPÖ.

Mein ganzer Zeitplan ist damit hin und ich rase förmlich mit der Strassenbahn in Richtung Parlament, will ja nicht zu spät kommen. Unterwegs lese ich mich noch schnell in die möglichen Themen ein: Graf (da habe ich schon genug gelesen), Bildungsvolksbegehren (da gibt es nicht viel Neues zum Lesen), laufende Anträge (da ist nichts dabei, was solche Aufregung verursachen würde) und finde keinen Anhaltspunkt, was da geschehen sein könnte.

Angekommen beim Parlament, melde ich mich brav an, zeige zum hundertsten Mal meinen Presseausweis her und stelle mich ein wenig ungeduldig hinter einer gut gelaunten Menschenschlange an. An dieser Stelle bezweifle ich meine Entscheidung, sich nicht als ständiger Berichterstatter eintragen zu lassen - das muss ich bei Gelegenheit ändern (was ich dann ohnehin aus Bequemlichkeit wieder nicht tun werde...). Aber so habe ich wenigsten noch ein wenig Zeit, um über die in den letzten Tagen stattfindende Konzentration von Ereignissen rund um da Parlament nachzudenken: zuerst der Wirbel um die Stiftung (im Parlament?), dann die Aufregung um einen weiteren Mandatar, dessen Berufsbezeichnung halt nicht zu hundert Prozent richtig geschrieben war (wen interessiert das?), dann das "Menschenketterl", dann einige Aufrufe in den Medien, die offensichtlich Einfluss nehmen sollen auf den Parlamentarismus und nun der Auszug zweier Fraktionen aus dem Plenum?
Das sind ja fast schon lebendige Parlamentarismen, die sich da zeigen!

Aus Erfahrung weiß ich, dass meine Nikon im hohen Haus nicht so gerne gesehen ist, also habe ich sie zu Hause gelassen und statt dessen (fast schon progressiv!) mein neues iPad mitgenommen - das kann ja auch Fotos machen.

Vor dem Klubzimmer herrscht Ruhe, als ich ankomme - fast schon bedächtige Stille. Merkwürdig ...
Kurz zuvor habe ich im Lift noch schnell mit einer Abgeordneten reden können, die nur mehr die Augen verdreht hat und einen stummen Schrei gegen die Liftdecke gerichtet hat (Edvard Munch muss ein ähnliches Erlebnis gehabt haben).
Noch kurz ein "Plauscherl" mit einem Bekannten und ab ins Sitzungszimmer. Jetzt weiß ich wenigstens, worum es geht: einen kurzfristig vorgebrachten Antrag der Regierungsparteien zur Tagesordnung.

Für so eine kurz anberaumte Pressekonferenz ist ganz schön viel Presse da.

Pünktlich um 13:15 Uhr geht's los. Ungewöhnlich: ohne den üblichen formellen Begrüßungen kommt Strache gleich zum Thema.

Ah! Es geht um den ESM (witzig, da ich kurz davor darüber mit einem Kollegen aus Deutschland gesprochen habe und dazu auch schon einen Beitrag gepostet habe) und darum, dass mit diesem Antrag offenbar wichtige parlamentarische Regeln zumindest verbogen werden sollen.

Zugegeben, ich habe da meine eigene Meinung zum ESM, die nicht unbedingt mit der landläufigen d'accord geht, aber wenn das stimmt, was ich höre, dann reicht das förmlich nach einem Bruch der üblichen Gepflogenheiten im Parlament - da geht "jemand" voll auf Konfrontationskurs.

Lange Rede, kurzer Sinn:

die Aussagen der betreffenden PolitikerInnen sind ohnehin schon durch die Medien gegangen, die muss ich hier nicht zum x-ten Mal aufwärmen. Was ich aber nicht lesen konnte, das war, dass offenbar die Öffentlichkeit nichts von diesem Antrag mitbekommen soll: geheim sei es und man darf das der Öffentlichkeit gar nicht sagen.

Mal sehen, was daran so geheim ist:


da steht, dass "normale" Abgeordnete die Einberufung für den (offenbar noch einzurichtenden) ständigen Unterausschuss für den ESM nur einmal pro Jahr verlangen dürfen. Ein Minister kann und darf das so oft er will. Dann steht da noch, dass der Vorsitzende des ständigen Unterausschusses die Fristvorgaben des ESM berücksichtigen muss...

Und jetzt erfahre ich, dass dieser Antrag erst heute Vormittag den Mitgliedern der orangen und der blauen Fraktion zugänglich gemacht wurde, bzw. kenntlich gemacht wurde. Dieses Papier muss aber schon viel länger in Arbeit sein und ich glaube auch nicht, dass es im hohen Haus entworfen wurde, sondern viel eher in einem Ministerium.

Jetzt verstehe ich auch die Aufregung und warum die Fraktionen aus dem Plenum ausgezogen sind: die Opposition ist da ganz schön in der Defensive. Minister kommen aus der Regierungsfraktion und können theoretisch so oft sie wollen diesen "geheimen" Unterausschuss einberufen (wer da dazugehört ist noch nicht klar), Parlamentarier nur einmal im Jahr und dann müssen es auch 20 an der Zahl sein. Das schränkt natürlich die oppositionelle Arbeit gehörig ein.

Abgesehen davon, sind die Dinge, die der Unterausschuss abzuhandeln haben soll / wird, ja auch nicht ohne:
er ist das eigentliche Bindeglied zum Gouverneursrat des ESM - der verlängerte Arm der Regierungsbank, wenn man so will.

Ich gehe nach dieser Pressekonferenz mit einem unguten Gefühl zurück in die Redaktion: wenn das ein Teil der Antworten ist, die ich suche, dann ist einiges im Argen. Wenn hier tatsächlich eine (natürlich nicht-existente) Übereinkunft stattgefunden hat, um die Forderungen des ESM rasch und ohne Aufsehen an der Öffentlichkeit vorbeizuschummeln, dann muss ich viel tiefer graben und mir ganz andere Fragen stellen:

Seit wann sind diese Änderungspläne bekannt? Gibt es noch weitere, die wir nicht kennen dürfen / sollen?
Dient die möglicherweise politisch gesteuerte Berichterstattung in manchen Medien dazu um einfach abzulenken?
Weiß man in den Regierungsparteien mehr, als man uns erzählen will? Ist das alles nur eine Art von Marketing, um längst versprochene und zugesagte Handlungen an die EU umzusetzen? Handlungen, von denen wir erst im Nachhinein erfahren sollen / dürfen?
Und ich muss da vielleicht sogar noch weiter ausholen:
Gibt es da auch einen Zusammenhang mit der oftmaligen "Verweigerung" zur Auskunftserteilung über unsere Goldreserven (und letztendlich das Eingeständnis, dass Brüssel die Hand darüber hält)?

Meine Güte - nur der Gedanke daran, dass hier eine Spur zu finden ist, die auch nur ansatzweise in diese völlig undenkbare und inakzeptable Richtung einer großartigen Lüge geht, macht mich um zwanzig Jahre jünger! Ich habe Blut geleckt - jetzt will ich mehr wissen.

Mein nächster Weg: Dirk Müller.

Mal sehen, was der gute Mann so alles zu erzählen hat.

Keine Antworten, die mich zufrieden stellen, aber ein paar irrsinnig interessante Ansätze, wohin es gehen könnte, wo die Antworten zu finden sind. Ich garantiere Ihnen, dass die nächsten Monate durchaus spannend werden.

Ihr Felix




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