Freitag, 22. Juni 2012

Alexander van der Bellen - ein kluger Mann der im Weg stand

In der Aufarbeitung der vielen Informationen, die ich in den letzten Tagen erhalten habe, sind mir auch eine ganze Reihe von Merkwürdigkeiten aufgefallen, die an der Öffentlichkeit unter "falscher Flagge" vorbeigeschummelt wurden.

Da gibt es den Gelehrten Prof. Dr. Alexander van der Bellen, der seit dem 07.11.1994 im Nationalrat für die Grünen auftritt.
Sozusagen ein Urgestein der grünen Bewegung. Einer, der schon einmal auch gegen die Parteilinie spricht, wenn es notwendig ist.
Er ist nicht so laut wie Pilz, nicht so polemisch wie Ellensohn, oder Glawischnig und hat mit Sicherheit die bessere Ausbildung vorzuweisen.

Eigentlich ein Gewinn für die Grünen und eine Kraft, die man nicht so leicht aus der Hand gibt.



Allerdings hat van der Bellen einen Vorzug, der ihm nun vielleicht zum Nachteil gereicht hat: er hat sich nicht korrumpieren lassen. Weder von der Macht, noch vom Geld.
Da ich gerade bei der Erstellung der Zeitlinie für den ESM-Putsch bin, arbeite ich dazu auch die ganzen Parlamentsmeldungen ab.

Manches Mal ist es richtig lustig, wenn man sich die stenografischen Protokolle durchliest, dann wieder überfällt mich das nackte Entsetzen über die Dummheit und Dreistigkeit einzelner. Selten lese ich dagegen konstruktive und verständliche Argumentationen - ohne Polemik und ohne unverständlicher Kunstwortgeflechte, die niemand mehr versteht.

Mir fiel die Meldung auf, dass sich van der Bellen nun in die Wiener Landespartei - in den Landtag zurückzieht. Ein Abstieg, keine Frage - warum hat er das gemacht?
Die "späte Einsicht", den Makel zu beseitigen, nicht dem Ruf der Vorzugsstimmen gefolgt zu sein, na, das kann ich so nicht ganz glauben. 18 Monate nach der Wahl so eine Aussage zu platzieren, das ist schon sehr gewagt.

Die Aussendung ging am 14.06.2012 raus.

Einen Tag zuvor - am 13.06.2012 - hat van der Bellen im Parlament anlässlich der Diskussion zum ESM und zum Euro folgendes gesagt (ungekürzt aus der Parlamentskorrespondenz vom 13.06.2012):

"Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) meinte, er bezweifle, dass Griechenland die erhaltenen Gelder jemals zurückzahlen werde. Er verstehe, dass die Finanzministerin, selbst wenn sie privat diese Meinung vielleicht teile, öffentlich eine andere Antwort geben müsse. Das gelte auch für die Einschätzung, ob Italien unter den Eurorettungsschirm müsse. Sie habe die Formulierung zwar abgeschwächt, er gebe aber zu bedenke, dass sie offenbar eine Aussage getroffen habe, die eine Reaktion der Finanzmärkte mit schwerwiegenden Auswirkungen für Italien zur Folge haben könnte. Es sei daher einmal grundsätzlich zu fragen, welche Compliance-Regeln für MinisterInnen zu gelten haben, meinte Van der Bellen. 

Was in der Bankenkrise Spaniens weiter passieren solle, sei derzeit noch völlig unklar. Es bestehe Einigkeit, dass die Gesamtverschuldung dort nicht weiter anwachsen dürfe. Falls die Staatschuld weiter anwachse, müssten die privaten Schulden aber sinken. Es wäre dann notwendig, spanische Großbanken Pleite gehen zu lassen. Im Fall der Bankia seien es aber die kleinen AnlegerInnen und SparerInnen, die davon betroffen wären. Es sei schwierig, eine solche Entscheidung politisch durchzustehen. Es bleibe daher eigentlich nur ein weiterer Anstieg der Staatsschulden als Ausweg. Offen sei dabei, wie die zugesagten 100 Mrd. € der EU verwendet werden sollten und ob der ESM überhaupt das richtige Instrument ist, merket Van der Bellen an. Gelder an insolvente Institutionen zu vergeben, sei ein falscher Einsatz der Mittel. Die Finanzmärkte hätten mit Kapitalflucht, sogar aus Kernländern der EU, reagiert und damit ihr mangelndes Vertrauen in den eingeschlagenen Weg signalisiert. Er hoffe, dieser Trend werde sich wieder umkehren."

Das ist aber nicht der Weg, den die Grünen zuletzt eingeschlagen haben, muss man hier ganz klar feststellen.

Das neue grüne Dogma lautet ja: rein in den ESM, zusammen mit den Regierungsparteien.

Für diesen Wunsch, brauchen diese drei Parteien eine Zweidrittelmehrheit im Plenum. das sind zumindest 122 Stimmen.
Grün, SPÖ und ÖVP bringen gemeinsam 128 Stimmen auf die Waage - WENN alle einer Meinung sind.

Und jetzt kommt der van der Bellen und kritisiert ganz offen und sagt als Experte, dass er nicht daran glaubt, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen wird. Er spart auch nicht mit Kritik an Frau Fekter. Und an der Regierung allgemein zu diesem Thema.
Van der Bellen hat das in seiner ruhigen sachlichen und verständlichen Art sehr glaubwürdig vorgetragen. Das hat mit Sicherheit zu einem Schlaganfall bei den Grünen gesorgt, die für den ESM eintreten: van der Bellen genießt Vertrauen und hat Einfluss. Wenn dieser schlagend wird, weil van der Bellen vielleicht bei der Abstimmung nicht dafür ist, dann könnten noch einige der Grünen kippen. Und dann ist es aus mit der Zweidrittelmehrheit.

Einen Tag später hat man das Problem van der Bellen gelöst. Nachhaltig und mit einer klaren Botschaft an alle anderen: LINIENTREUE sonst ist es Schluss mit Lustig.

Alles andere ist reine Kosmetik: dass etwa van der Bellen deshalb nach Wien "zurückgeht", weil Frau Prinz in eine andere Position berufen worden ist, etc...
Ich habe mir dazu auch das Parteiprogramm und die Statuten der Grünen durchgelesen: solche Blitzaktionen sind da sehr schwammig beschrieben. Und das es eine solche zumindest sehr schnelle Entscheidung gewesen ist, das steht ja außer Frage.

Auf jeden Fall ganz klar: van der Bellen "durfte" gehen, um nicht die Einstimmigkeit zu gefährden. Damit die Katze aber nicht gleich aus dem Sack hüpft, wurde Bruno Rossmann als Nachfolger berufen.
Der ist nämlich auch kein unmittelbarer Anhänger von "Rettungsschirmen" für Banken, wie man seinem Bericht aus dem Jahre 2009 entnehmen kann, aber er ist "pflegeleicht" und hat bei weitem nicht soviel Einfluss wie van der Bellen.



Gefahr gebannt! Schachzug gelungen: der unbequeme Experte geht "freiwillig" einige Stufen die Karriereleiter hinunter und macht Platz für den Wiedereinsteiger, der noch nicht soviele Anhänger wie van der Bellen hat (letztlich hatte er ja gegen Karl Öllinger den Kürzeren gezogen), aber zumindest auch ein Ökonom ist. Tritt nun der worstcase ein und er stimmt dagegen - na und, wenn juckts, eine Stimme weniger, bleiben in Summe immer noch 127 über. Bei van der Bellen hätten das schon auch mal sieben oder acht Stimmen sein können - nämlich auch aus den anderen Fraktionen.


Und was schreiben die Medien dazu? Hat sich ein Journalist die Mühe gemacht, zu recherchieren, zu hinterfragen, nachzulesen und selber Schlussfolgerungen zu ziehen und diese dann auch zu schreiben?
Nein, natürlich nicht. So wie es vorgekaut wird, wird es genommen: ungeprüft und kritiklos.

Schade um van der Bellen. Ich mochte ihn im Plenum, er war das nun fehlende Gewürz mit Verstand und Mut. Nur das Rauchen hat ihn anfällig gemacht für allerlei Unfug.

Ich bleibe dran: Morgen sollte ich die Unterlagen zu den Firmen von Frau Fekter bekommen. Mal sehen, was dabei rauskommt.

PS: Es kam eben folgende Meldung rein:
Der deutsche Bundespräsident will die Gesetze zum Stabilitätsmechanismus ESM und zum Fiskalpakt wegen der erwarteten Klagen vorerst nicht unterschreiben. Damit wird der ESM nicht wie geplant am 1. Juli in Kraft treten können.

Na, das ist ein Zeichen, das man nicht unterschätzen sollte!

Ihr Felix



1 Kommentar:

  1. Na Hurra, da gibt es ja doch jemanden, der diese Causa durchschaut, leider folgen ihm die anderen aus seiner Fraktion nicht!
    Bleibt nur zu wünschen, dass sich aus den anderen Parteien vielleicht auch ein paar kluge Köpfe erbarmen und dagegen stimmen, dann schaut es mit der Zweidrittel Mehrheit auch nicht mehr so gut aus.
    Froh darf man allerdings über die Aktion aus good old Germany sein, schaut so aus als verschaffen uns unsere Nachbarn noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken, - vielleicht besinnen wir uns ja doch noch ob dem Wahnsinn der da passiert!

    Tja - und "Lady Gravel" kann nach "Knigge" noch an ihrem "Benimm" arbeiten!

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