Mittwoch, 20. Juni 2012

Darf ein Journalist überhaupt parteifrei sein? Oder ideologisch ungebunden?

Weil es gerade wieder aktuell ist, habe ich mir erlaubt einen zwei Jahre alten Beitrag eines schweizer Kollegen hier reinzustellen.
Ich werde diesen Artikel nicht kommentieren und lasse ihn ganz einfach wirken und hoffe auf Einsicht und Besserung.

Können erwachsene Journalisten wirklich eine Meinung haben, die nicht links ist?

Von Roger Köppel


Ist es denkbar, dass gestandene Journalisten aus freien Stücken zu anderen Schlussfolgerungen kommen können als die grosse Mehrheit ihrer linken Berufskollegen, die mit dem Adlerauge des Linienrichters jede Abweichung vom Mainstream zusehends gereizter und aggressiver registrieren? Die panischen Reaktionen der Journalisten auf die Nachricht, dass die seit Jahren scharf links positionierte Basler Zeitung unter einem neuen Chefredaktor in Zukunft ein bisschen weniger links sein könnte, legen den Schluss nahe, dass nur ein linker Journalist ein guter Journalist sein kann. Ist ein Journalist nicht links, muss er entweder krank, gekauft, ferngesteuert oder auf andere Weise defekt sein. Für die meisten Journalisten ist es undenkbar, dass ein erwachsener Journalist freiwillig nicht links ist. Wäre dies der Fall, müssten die vielen linken Journalisten ja ihre linke Haltung hinterfragen. Das aber wäre viel zu anstrengend und könnte, wie Figura zeigt, zum Liebesentzug durch die Kollegen führen.

Die Diskussionen, die laufend um die wenigen Zeitungen angezettelt werden, die sich aus vernünftiger Einsicht, aus Provokationslust oder aus einem fundierten Engagement für echte Meinungsvielfalt heraus entschieden haben, aus dem linken Mainstream auszuscheren, belegen vor allem dies: Linke Journalisten sind erstaunlich kleinkariert, engstirnig und auf eine irritierende Weise intolerant. Das verbindet sie interessanterweise mit jenen politischen Strömungen zur Linken, denen sie sich geistesverwandt fühlen, weniger aus Überzeugung, sondern aus Bequemlichkeit, denn natürlich wissen sie: Es ist anstrengender, gegen den Strom zu schwimmen. Es ist mühevoll, eine Meinung zu vertreten, die der Szene nicht genehm ist.

Wenn der Journalismus in den letzten Jahren an Achtung und Bedeutung verloren hat, dann auch deshalb, weil die vielen linken Journalisten den vielen anderen linken Journalisten so mut- und einfallslos hinterhergeschrieben haben.

Dass die linken Journalisten den nichtlinken Journalisten dauernd unlautere Motive, verschleierte Interessenbindungen oder, ganz platt, fehlende Unabhängigkeit und Käuflichkeit vorwerfen, hat etwas Ironisches. Es sind mit umgekehrten Vorzeichen die gleichen Attacken, die sich die linken Journalisten seinerzeit anhören mussten, als sie in den siebziger Jahren begannen, gegen die damals noch überwiegend nichtlinken Journalisten anzuschreiben.

Die Gründer des Tages-Anzeiger-Magazins, allesamt brillante, kluge Kollegen, wurden von ihren Gegnern als Agenten des internationalen Kommunismus tituliert, weil sie aus der Reihe tanzten. «Moskau einfach», lautete die Formel für jeden, der es wagte, die Eliten und ihren Staat zu kritisieren. Heute muss sich jeder nichtlinke Journalist früher oder später die Unterstellung gefallen lassen, er werde vom SVP-Strategen Christoph Blocher finanziert. Der Beweis dafür, dass man von Blocher finanziert wird, liefert der bewährte Zirkelschluss: Jeder, der über Blocher eine andere Meinung hat als die von den linken Journalisten vorgegebene, ist von Blocher finanziert.

Linke Journalisten bezeichnen sich als unabhängig. Nichtlinke Journalisten können nicht unabhängig sein. Das ist die Logik der linken Journalisten. Als der Verfasser dieser Zeilen in der Chefredaktion des Zürcher Tages-Anzeigers sass, waren die meisten Redaktoren des Inlandressorts Mitglieder oder ausdrückliche Sympathisanten der Sozialdemokratischen Partei. Natürlich nannte sich der Tages-Anzeiger auf seiner Titelseite «unabhängig». Und selbstverständlich wäre es den SP-Redaktoren des Inlands niemals in den Sinn gekommen, sich nicht als unabhängig, sondern als links zu sehen. Ideologen waren immer die anderen, die man erfolgreich aus der Redaktion vertrieben hatte. Ein unabhängiger Journalist zu sein, bedeutete damals: «Ich glaube ans Waldsterben. Ich finde Margaret Thatcher und Ronald Reagan schlimm. Die Steuern dürfen nicht gesenkt, aber die Armee muss abgeschafft werden. Wer die SVP wählt, ist alt und dumm. Gentechnik ist des Teufels. Die Schweiz kann abdanken. Die EU ist die Zukunft. Ausländerkriminalität gibt es nicht. Der Name Blocher darf nie zustimmend in den Mund genommen werden.»

Die linken Journalisten sind nicht dumm. Sie ahnen, dass sie durch die Wirklichkeit ins Unrecht versetzt werden. Das meiste von dem, was sie bis vor kurzem gepredigt haben, ist an der Realität gescheitert. Das verunsichert sie und führt zu unkontrollierten Abwehrreaktionen. Ihre eigenen Ängste, die Vermutung, dass sie wider besseres Wissen an falschen Vorstellungen festhalten, projizieren sie auf andere, um sich zu beruhigen. Das Resultat ist eine Art Selbstzensur, die aggressiv nach aussen getragen wird, um andere Journalisten davon abzuhalten, ihre Denkblockaden abzulegen. Der Mechanismus ist psychologisch nachvollziehbar, aber erzeugt in den meisten Zeitungen ein Klima der Befangenheit und Verklemmtheit, das irgendwann auf die Qualität durchschlägt. Auf die Dauer wird der Zustand unerträglich. Niemand läuft gerne jahrzehntelang in viel zu enger Unterwäsche herum.

Im Grunde geht es gar nicht um links oder nichtlinks. Es geht darum, ob Journalisten bereit sind und den Mut haben, mit guten Argumenten etwas anderes zu sagen und zu schreiben als das, was die Mehrheit der Berufskollegen hören möchte. Journalisten haben die Aufgabe, Demokratien mit Frischluft zu versorgen. Sie müssen Missstände erkennen und aufdecken. Sie haben die Mächtigen im Staat zu kritisieren und der Meinungsharmonie zu misstrauen. Harmonie ist schön, aber sie fördert einseitiges Denken und damit schlechte Entscheidungen. Nichts ist gefährlicher als viele Leute, die zu schnell in die gleiche Richtung denken. Ein guter Journalist hat immer etwas Ärgerliches. Er sieht es meistens anders, ist nie zufrieden und immer kritisch. Er misstraut allem, was ihm gesagt wird. Und am meisten misstraut er den Zeitungen, weil er weiss, wie sie zustande kommen.

Es ist unjournalistisch, wenn Journalisten allergisch reagieren auf Journalisten, die andere Meinungen haben.


"Tragt das Wort nicht zu Grabe, sondern lasst es wahr und aufrichtig leben."

Euer Felix

PS: Das Treffen mit dem Nachrichtendienstler wahr mehr als nur spannend.

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