Mittwoch, 20. Juni 2012

Ein "Initiativantrag" im Plenum und die "gut recherchierte" Berichterstattung dazu


Eigentlich habe ich mir für heute vorgenommen, die Journaille links liegen zu lassen und mich nur auf das bevorstehende Treffen mit dem Nachrichtendienstler vorzubereiten, als mich die "Nachrichten" auf der Webseite des öffentlich rechtlichen Senders ORF dazu zwangen, die Fehler in der Berichterstattung aufzuzeigen.
Also grundsätzlich hat diesen "Bericht" kein Journalist verfasst, der sich mit der Materie wirklich auseinandergesetzt hat, sondern (so mein Verdacht) der oder die Pressesprecher_in einer Regierungsfraktion (dazu muss man die Grünen nun auch zählen - zwar nicht de jura, aber de facto), denn wenn es ein Kollege der schreibenden Zunft war, dann muss man ihn mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen: Eine Halbwahrheit und auch Unwahrheit nach der anderen, die da geschrieben steht.
Als erstes zitiere ich einmal folgende Passage:
"Das Parlament darf künftig beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mitreden. Der gemeinsame Antrag von SPÖ, ÖVP und Grünen, der am Donnerstag für Aufregung gesorgt hat, gibt dem Nationalrat Mitbestimmungsrechte bei Entscheidungen des ESM, in dem Österreich von der Finanzministerin vertreten wird.
Um wichtigen Entscheidungen im ESM - Gewährung von neuen Hilfen, Vertragsänderungen, Aufstockung des Kapitals - zuzustimmen, braucht Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) künftig eine Ermächtigung des Nationalrats. Da die ESM-Gremien solche Entscheidungen nur einstimmig beschließen können, hat das Parlament damit ein Vetorecht. "

Dem entgegen steht der ESM Vertrag:
ARTIKEL 4
Aufbau und Abstimmungsregeln

(1) Der ESM hat einen Gouverneursrat und ein Direktorium sowie einen Geschäftsführenden Direktor und andere für erforderlich erachtete eigene Bedienstete.
(2) Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe dieses Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit. Bei allen Beschlüssen ist die Beschlussfähigkeit erreicht, wenn 2/3 der stimmberechtigten Mitglieder, auf die insgesamt mindestens 2/3 der Stimmrechte entfallen, anwesend sind.
(3) Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen wird durch Enthaltungen nicht verhindert.
weiter:
(4) Abweichend von Absatz 3 wird in Fällen, in denen die Europäische Kommission und die EZB beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Artikeln 13 bis 18 die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde, ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren angewandt. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen durch den Gouverneursrat gemäß Artikel 5 Absatz 6 Buchstaben f und g und durch das Direktorium nach diesem Dringlichkeitsverfahren erfordert eine qualifizierte Mehrheit von 85 % der abgegebenen Stimmen.

Alles klar?
Zu Deutsch, liebe Kolleg_innen vom Onlinedienst des öffentlich rechtlichen Fernsehens heißt das nichts anderes, als dass es vollkommen egal ist, was Frau Minister Fekter sagt, oder nicht sagt- will, oder nicht will (und damit auch das österreichische Parlament, weil durch sie vertreten): 85 % Prozent der abgegebenen Stimmen (und dazu muss man anwesend sein bei der Beschlussfassung!) genügen zur Beschlussfassung auch in Fällen, die gegenseitiges Einvernehmen verlangen sollen.
Einstimmigkeit? Wohl nur dann, wenn man a) gut aufgelegt ist und b) willfährig ist.
Ein Veto durch das österreichische Parlament? Führt sich völlig ad absurdum durch die obig zitierte Originalfassung des ESM. Wenn es die Kolleg_innen nicht verstehen, dann wird deren Interpretation trotzdem nicht wahr.

Fakt ist: das Parlament kann zu keiner Zeit und niemals beim ESM mitreden! Keiner kann das - lest Euch bitte den Artikel 32 des ESM durch und versucht nicht, diesen Artikel schönzureden, oder willfährig im Sinne der Regierenden zu interpretieren! Bleibt bei der Wahrheit und besinnt Euch endlich dessen, was Journalismus wirklich bedeutet: unbequeme Recherchen, leere Kilometer, viele Lügen, die einem aufgetischt werden und schließlich wahres Material. Alles andere ergibt sich dann von selbst. Aber bequem zu sein ist der Feind der Nachrichten und der Bürger_innen dieses Landes - DENEN IHR VERANTWORTUNG SCHULDET!

Noch eine Aufklärung:
ARTIKEL 16
ESM-Darlehen

(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, einem ESM-Mitglied nach Maßgabe des Artikels 12 Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu gewähren.
(2) Die mit den ESM-Darlehen verbundenen Auflagen sind in einem makroökonomischen Anpassungsprogramm enthalten, das gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt wird.
(3) Die Finanzierungsbedingungen eines jeden ESM-Darlehens werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
(4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der ESM-Darlehen.
(5) Das Direktorium beschließt in gegenseitigem Einvernehmen auf Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors und nach Erhalt eines Berichts der Europäischen Kommission nach Artikel 13 Absatz 7 die Auszahlung der auf die erste Tranche folgenden Tranchen der Finanzhilfe.

Also wieder: der Gouverneursrat kann beschließen - und wieder nach der oben beschriebenen nicht bindend einstimmiger Beschlussfassung, dass das Direktorium - und das sind die nicht gewählten Vertreter der Mitgliedsstaaten, sondern "nur" Personen "mit hohem Sachverstand", also Banker, etc...,  das Darlehen schließlich zuweist, oder auch nicht. Da hat eine Frau Fekter schon gar nichts mitzureden und schon gar nicht das österreichische Parlament! Wie kann man als Journalist eigentlich so einen Blödsinn verzapfen und sich anmaßen, diesen nicht einmal komplizierten Vertrag zu interpretieren, anstatt wörtlich zu nehmen?

Weiter im Bericht des öffentlich rechtlichen Fernsehsenders:
"Das Unterrichtsrecht verpflichtet die Finanzministerin, den Ausschuss ausführlich über alle Maßnahmen des ESM zu unterrichten. Mit dem Stellungnahmerecht bekommen die Abgeordneten die Möglichkeit, dem Ministerium gegenüber eine Stellungnahme abzugeben. Die Finanzministerin muss diese bei ihrer Entscheidungsfindung und ihrem Verhalten in den ESM-Gremien berücksichtigen, sie ist für sie bindend. Ein mögliches Thema für eine solche Stellungnahme wäre die Auszahlung von Hilfstranchen.
Die Grundsatzentscheidung, einem Land Hilfsgelder zukommen zu lassen, bedarf zunächst einer Ermächtigung. Die Entscheidung über die Gewährung der einzelnen Hilfstranchen kann in der Folge durch das Stellungnahmerecht geklärt werden."

Schon wieder eine glatte Unwahrheit! Denn "Die Entscheidung über die Gewährung der einzelnen Hilfstranchen kann in der Folge durch das Stellungnahmerecht geklärt werden." ist ganz klar unmöglich! Das Direktorium des ESM - das exekutive Organ also - führt dies OHNE einer weiteren Einbindung des Gouverneursrat durch! Also, wo soll da die kleine österreichische Finanzministerin das Direktorium kippen, oder etwas klären wo doch bereits zuvor auch ohne ihr Zutun die Darlehensvergabe vergeben wird, wenn dringender Handlungsbedarf besteht? Da kann Frau Fekter tun was sie will: 85 % Prozent der ANWESENDEN Stimmen genügen dann zur Beschlussfassung - und der ist dann unwiderruflich und bedingungslos zu erfüllen! So und nicht anders steht es im ESM Vertrag.

Andererseits ist das schon wieder sooo schwammig geschrieben, dass mir übel wird: "Die Entscheidung ... kann .... geklärt werden."

Wenn ich mir da den dazugehörigen Initiativantrag im Parlament durchlese (liebe Kolleg_innen, das ist ganz einfach, dazu gibt es eine Webseite, hier ist der link dazu: Antrag vom 13.06.2012), dann steht da ganz klar und unmissverständlich - mit den eigenen Worten der Antragseinbringer:

"Dringlichkeitsabstimmungsverfahren

Art. 4 Abs. 4 ESM-Vertrag normiert, dass in Fällen, in denen die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Art. 13 bis 18 ESM-Vertrag die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde, ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren angewandt wird. In diesen Fällen ist eine Mehrheit von 85% der abgegebenen Stimmen (nach Stimmanteilen) zur Beschlussfassung ausreichend. Ein solches Dringlichkeitsabstimmungsverfahren ist daher auch bezüglich des in Art. 50b Z 1 angeführten Beschlusses betreffend die grundsätzliche Gewährung von Stabilitätshilfe zulässig. Aufgrund der Stimmgewichtung würde bei einem Verfahren nach Art. 4 Abs. 4 ESM-Vertrag auch eine Ablehnung des Beschlusses durch den österreichischen Vertreter allein einen positiven Beschluss nicht verhindern. Für Beschlüsse über die Veränderung des genehmigten Stammkapitals, über die Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus und über den Kapitalabruf gemäß Art. 50b Z 2 sowie über Änderungen der Finanzhilfeinstrumente gemäß Art. 50b Z 3 ist ein solches Dringlichkeitsabstimmungsverfahren nicht vorgesehen."

Dieser Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll, Dr. Alexander Van der Bellen ist also ganz klar für die berühmten Würste, wo sie doch schon selbst festhalten, dass im Falle des Falles ein Nein unserer Frau Fekter völlig irrelevant ist!
Für die immer noch erkenntnisresistenten Kolleg_innen:
"Nach Stimmanteilen" bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass die Stimme Österreichs in diesem Rat eine Gewichtung von 2,78 % hat (siehe Erklärung zum Schlüssel im Anhang zum ESM)! Das bedeutet, Frau Fekter müsste sechsmal soviel Stimmrecht haben, als sie tatsächlich hat, um etwas verhindern zu können. WO BITTE IST DA EIN MITSPRACHERECHT DES PARLAMENTS BEIM ESM?

Wo und wie sieht denn da der Herr van der Bellen (der offenbar als Konstrukteur dieses Wahnsinns gehandelt wird), der Herr Faymann, die Frau Fekter, oder gar die Frau Glawischnig-Piecszek ein Mitspracherecht des kleinen österreichischen Parlaments? Mal ganz ehrlich: Grün hat bewusst und in vollem Wissen über die Konsequenzen nicht nur essentielle Teile des ESM verschwiegen, sondern aktiv dazu beigetragen, dass es das uns bekannte Österreich schlicht ab dem 1. Juli nicht mehr gibt. Und das ist Fakt.
Man muss jetzt die Frage an die Grünen stellen, ob es die paar geschenkten Sitze im kommenden "Bundeslandunterhaus Österreich" wert sind, die Aufbauarbeit und das Blut unserer Eltern zu verraten?
Und Ihr, liebe Kolleg_innen, die da fleißig mitberichten ohne zu recherchieren, seid die Beitragstäter, die die Berufsbezeichnung Journalist nicht verdienen.



Dass die tatsächlichen Regierungsparteien den infamen Wunsch hegen, sich in einen gemeinsamen internationalen Schoß gleichgesinnter zu setzen ist ja nichts Neues. Aber dafür die Bürger_innen dieses Landes über die Webseite des öffentlich rechtlichen Fernsehens bewusst mit Falschinformationen zu füttern, das geht ja dann doch viel zu weit.

An dieser Stelle, darf ich auf meinen nächsten Blogartikel verweisen, der einen Artikel eines schweizer Kollegen wiedergibt. Der ist zwei Jahre alt und war nie aktueller als heute.

Zurück zum Thema:

Fernab der völlig inakzeptablen Berichterstattung des öffentlich rechtlichen Fernsehens auf deren Webseite, gibt es auch Medien, die der Wahrheit nachgehen und auch kritische Worte zulassen.
Hier das (aus platzökonomischen Gründen) gekürzte Interview einer echten "Person mit hohem Sachverstand in wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten" aus der heutigen "Kleinen Zeitung" :

"ao.Univ.Prof. Dr. Eva Pichler - am Institut für Volkswirtschaftspolitik und Industrieökonomik warnt vor dem ESM und appelliert an das Parlament, ihn nicht zu ratifizieren. Er könnte Österreich zahlungsunfähig machen!


Der ESM ist ein undemokratischer Knebelungsvertrag. Er entzieht sich jeder Mitbestimmung und es droht Österreich, das heute mit ausgelagerten Schulden eine Verschuldung von 90 Prozent des BIP aufweist und Haftungen von rund 50 Milliarden übernommen hat, der Konkurs. Der ESM bedeutet für Österreich eine Haftung von weiteren 15 Milliarden und die Haftung kann ausgeweitet werden und wird es auch. Österreich kann zahlungsunfähig werden. Es ist unakzeptabel, wenn Politiker erklären, dass am ESM kein Weg vorbeiführt. Der ESM soll am Bürger vorbeigeschummelt werden, weil Brüssel weiß, dass dies nur mit einer Überrumpelungsaktion möglich ist.
Der ESM vertieft und legalisiert die Transferunion in Europa. Bislang war sie nicht legal. Quantitativ ist die Target-Problematik derzeit größer, weil wir schon über tausend Milliarden in diesem System umverteilt haben, und dies ist mit dem ESM nicht beendet. Wir haben dann zwei gigantische Umverteilungssysteme nebeneinander. Wird der ESM ratifiziert, können wir nicht mehr zurück. Dann haben wir unsere Autonomie aufgegeben.
Wir zahlen auch Konsumausgaben und Vermögensflucht der anderen Länder in erheblichem Teil schon mit.
Der ESM basiert auf der Vorstellung, dass die Haftungsübernahme zu keiner Katastrophe führen wird, weil die Schulden zurückgezahlt werden und die Länder zu sparen beginnen, den Arbeitsmarkt reformieren, die Verwaltung zurückschrauben. Das ist ein schönes Szenario, aber Utopie. Das funktioniert nicht in einer Demokratie, weil die Südländer die Reformen nicht durchführen werden, sobald sie wieder Geld haben. In Italien hat man eine Arbeitsmarktreform nicht durchgebracht, weil die Zinsen wieder sanken. Frankreichs Präsident Hollande setzt den Mindestlohn hinauf und das Pensionsalter herunter. Es wird nicht hinreichend reformiert. Daran zu glauben ist naiv. Die Erfahrungen der letzten Jahre beweisen das Gegenteil. Das ist, wie wenn ich ein Wasserglas auf einen Steinboden fallen lasse und hoffe, dass es nicht zerbricht.
Die nicht wettbewerbsfähigen Länder könnten aus dem Euro ausscheiden. Das wird immens viel kosten, aber es wäre in den Griff zu bekommen.
Die Angst wird zum einen von den Banken geschürt und zum anderen von allen, die von Verlusten betroffen sind. Dazu zählt auch Obama, weil US-Pensionsfonds Anleihen südlicher Euro-Länder halten. Das ist das Interesse dahinter. Wenn internationale Banken wieder eine Studie herausgeben, wie schlimm die Folgen eines Euro-Austritts wären, muss man bedenken, dass sie ihre faulen Wertpapiere dem Steuerzahler unterjubeln wollen. (und die Studie dementsprechend passend gemacht wird - Anmerkung Felix)
Wann würde der ESM funktionieren?
Vielleicht, wenn es gute Sanktionen gäbe. Die Strafen betragen 0,1 Prozent des BIP. Griechenland hat mehr als 200 Prozent des BIP an Unterstützung bekommen und dann drohen wir mit 0,1 Prozent? Harte Strafen in anderen Ländern zu fordern, zieht aber wieder den Hass der Bevölkerung mit sich."

Und DAS liebe Kolleg_innen ist - wenn Ihr Euch dazu bequemen könntet zu recherchieren - die weit überwiegende Meinung der meisten anerkannten Experten.

Ich frage Euch: wollt Ihr DAS wirklich:




Denkt nach, kommt zur Besinnung und recherchiert gefälligst wieder selbst! Nicht die APA Kommentare abkopieren und "auffetten"! Rausgehen und arbeiten! Fragen stellen und nachbohren, misstrauisch sein und hinterfragen!

Euer Felix

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